Damit hat niemand gerechnet

Nach dem Frost: Raps von Grauschimmel befallen

Es schien, als habe der Raps die Kahlfröste in diesem Winter deutlich besser verkraftet als Gerste und Weizen, die Rapsbestände kamen überwiegend grün und ohne größere Schäden aus dem Winter. Jetzt aber treten mit zunehmendem Wachstum erhebliche Spätfolgen zu Tage: Viele Raps-Pflanzen sind am Fuß mit Botrytis (Grauschimmel) befallen, ein Schadpilz, der sonst in Erdbeerkulturen und im Weinbau auftritt.

Bodo Peth, Bayer Crop Science: „Ob eine Behandlung jetzt noch helfen kann, hängt vom Wachstumsstadium des Rapses ab.“

Foto: Schlag

Auf einer Feldbegehung der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main (RWZ Köln), Standort Hungen Anfang dieser Woche zeigte sich das Ausmaß des Befalls, der jetzt kaum mehr aufzuhalten ist. Norbert Marsfelde aus Hungen-Rodheim, dessen Demonstrationsflächen besichtigt wurden, hatte 18 verschiedene Rapssorten angebaut und gemeint, „es müsste doch wenigstens eine gesund herauskommen.“ Der aktuelle Grauschimmel-Befall des Raps zeigt sich aber bei allen Sorten.

Pflanzen brechen schon bei geringer Belastung ab

Beim ersten Blick auf den Bestand erscheinen die Pflanzen gesund. Bodo Peth, Pflanzenschutzberater von Bayer Crop Science, streicht mit dem Fuß über einige Rapspflanzen und biegt deren Stängel. Die gesunden wippen zurück, einige aber brechen unter der geringen Belastung ab. Ihre Stängel zeigen in Bodennähe außen braun-graue Flecken und schneidet man die Stängel auf, dann sind sie im Inneren oft schon verfault und morsch. Bodo Peth befürchtet: „Der Raps wird komplett durchfaulen, dann kippt er um.“

Ausgesät hatte Norbert Marsfelde den Raps am 1. September 2011. Behandelt wurden die Bestände in diesem Frühjahr am 12. März mit 0,1 l/ha Fastac SC, Super Contact und 0,5 l/ha Carax sowie am 23. März mit 0,3 Liter Biscaya.

Auch die Behandlung hat aber keinen Einfluss auf das Auftreten von Botrytis, so Thorsten Krämer von der RWZ in Köln: „Wir haben bei den Infektionen keine Unterschiede bei den eingesetzten Mitteln“. Jetzt noch mit einem Fungizid hinterher behandeln hält Krämer für „nicht mehr als Gewissensberuhigung“, denn „den Schaden, der jetzt gesetzt ist, können wir nicht mehr kurieren.“ Etwas tun könne man allenfalls später noch in der Blütenbehandlung, diese sei deshalb „in diesem Jahr wichtiger denn je.“

Bodo Peth von Bayer Crop Science ergänzte: Ob eine Behandlung jetzt noch gegen Botrytis helfen könne, hänge vom Wachstumsstadium des Raps ab. In den Anfang der Woche im Raum Hungen besichtigten Beständen, die bald vor der Blüte stehen, werde man wenig ausrichten können, die Blattmasse sei oben schon zu dicht geschlossen, die Mittel würden selbst bei großen Wassermengen nicht bis zu den befallenen Stellen am Fuß der Pflanzen durchdringen. Anders aber sehe es in höheren Lagen aus, etwa im Vogelsberg, wo der Raps noch niedrig ist, „dort ist noch eine Wirkung zu erreichen.“ Dann solle man mit der Spritzung auch nicht bis zur Blüte warten, denn „Botrytis springt“ – durch Abwarten vergrößert sich die Infektion.

Geschwächte Pflanzen sind besonders anfällig

Auf einer Feldbegehung der Raiffeisen Waren-Zentrale in Hungen Anfang dieser Woche zeigte sich das Ausmaß des Botrytis-Befalls, der jetzt kaum noch aufzuhalten ist.

Foto: Schlag

Wie kam es überhaupt zu den sehr ungewöhnlichen Botrytis-Infektionen im Raps? „Botrytis ist immer latent vorhanden,“ sagt Pflanzenschutzberater Peth, der selbst aus einem Weinbaugebiet in Rheinhessen stammt, wo die Winzer jedes Jahr vor Botrytis auf der Hut sind. Im Raps dagegen kann es nur zur Infektion kommen, wenn der Schädling auf eine geschwächte Pflanze trifft – und dafür sorgte in diesem Jahr der starke Frost: Er verursachte in den Rapspflanzen winzige Risse im Stängel, einzelne Zellen platzten auf, wurden weich und bildeten Eintrittspforten, an denen „der Schwächeparasit zuschlagen konnte“. Und zwar um so mehr, je weiter die Pflanze entwickelt war.

Erschwerend kam hinzu, dass die Temperaturen nicht langsam absanken, sondern der Kälteeinbruch mit starkem Frost sehr plötzlich kam. „Die Pflanzen hatten keine Zeit, sich frostfest zu machen,“ sagt Bodo Peth, etwa indem sie Wasser aus den Zellen zurücknähmen, mehr Zucker einlagerten und auf die Art den Gefrierpunkt der Zellen herabsetzen. Der Grauschimmel, der jetzt im Raps auftritt, sei allein eine Spätfolge der Kahlfröste, sagt Peth: „Wo eine Schneedecke war, tritt auch kein Botrytis auf.“

Fehlende Pflanzenschutzmittel

„Die Fachleute hätten das früher erkennen müssen“, rief ein Landwirt auf dem RWZ-Feldtag, und man hätte die Landwirte früher warnen müssen. Christoph Gondolf von der RWZ Hungen meint aber: „Seit zwei bis drei Wochen tritt es flächendeckend auf, damit hatte niemand gerechnet,“ und Bodo Peth räumt ein: „Wir wurden alle überrannt.“

Die Kalamität durch Botrytis im Raps wird verschärft durch fehlende Pflanzenschutzmittel dagegen. Während im Obstbau und Weinbau ausreichend Mittel zugelassen sind, wurden für die Anwendung im Raps keine Zulassungen beantragt, da die Krankheit dort bislang wenig und schon gar nicht in diesem Ausmaß auftrat. Es gibt allenfalls ein zugelassenes Raps-Fungizid mit einer Nebenwirkung gegen Botrytis: Tilmor mit den Wirkstoffen Prothioconazole und Tebuconazole, das vom Hersteller Bayer als Mittel gegen Wurzelhals- und Stängelfäule im Raps (Phoma lingam) angeboten wird.

Für Rapsanbauer in Schleswig-Holstein, das berichtete Ralf Gärtner, Vertriebsleiter für Pflanzenschutzmittel bei der RWZ in Friedberg, gebe es eine Ausnahmegenehmigung für die Anwendung von Cantus Gold. Für Hessen sei das allein schon wegen der knappen Zeit aber nicht mehr zu erwarten. Eine Warnung an die Anwender sprachen alle Experten aus: Gegen Botrytis im Raps solle man keinesfalls nicht dafür zugelassene Mittel verwenden, denn, so Bodo Peth: „Selbst in geringsten Mengen werden sie es im Honig finden.“

Michael Schlag
Hier noch einmal im Detail: So sehen von Botrytis geschädigte Rapspflanze aus. Laut LLH-Pflanzenproduktions-Berater Karl-Heinrich Claus (Foto) vom Standort Petersberg macht der Pilz gesunden Pflanzen in der Regel nichts aus. Doch die harten Kahlfröste hätten an den Enden von Pflanzenstängeln zu Haarrissen geführt, in die der Erreger eindringen und die Pflanzen somit schädigen könne. In der Folge treten bräunliche Verfärbungen auf, und die Standfestigkeit ist dahin. Es kann zu Totalausfällen kommen. Pflanzenschutzmaßnahmen bezeichnet Claus diesbezüglich als völlig unwirksam. Auskunft erteilt das LLH unter Tel.: 0160/90725736. Text/Foto: Karl-Heinz Burkhardt