Denkfabrik und Initialzünder

75 Jahre Versuchswesen Gemüsebau in der Pfalz

Mitte September feierte der Pfälzer Gemüsebaus im DLR Rheinpfalz, Queckbrunnerhof, 75 Jahre Versuchswesen Gemüsebau in Rheinland-Pfalz. Dr. Günter Hoos, der Leiter des DLR Rheinpfalz, dankte allen Institutionen und Mitarbeitern.

Das Versuchs- und Beraterwesen im Gemüsebau ist unersetzlich und hat maßgeblich zum Erfolg des Pfälzer Gemüsebaus beigetragen. Das sehen auch die Gratulanten so (v.l.): Werner Riedel, ehemaliger Leiter des DLR Rheinpfalz; Wolfgang Renner, Gemüseerzeuger und Vorsitzender des Beregnungsverbandes Vorderpfalz; Gerd Metz, Gesellschaft für private Pflanzenzüchtung; Helmut Caspari, MULEWF; Dr. Günter Hoos, BWV-Präsident Norbert Schindler und Markus Nöthen von Pfalzmarkt.

Foto: Setzepfand

„Wir sind die Vitamine im Organismus Landwirtschaft“, stellte Hoos, in seiner Begrüßung fest. „Sind Denkfabrik, Initialzünder und Korrektiv. Um Großes zu schaffen, bedarf es vieler einzelner Bausteine, wir sind einer davon in der Erfolgsgeschichte des Pfälzer Gemüsebaus.“ Hier werde Wissen generiert, hier werden die nächsten Schritte ausprobiert, hier werde das Elementare, die Grundnahrungsmittel aus dem Gemüsebau, und das Genussmittel, der Wein verbunden. Dr. Norbert Laun, der Leiter des Versuchswesens Gartenbau am DLR Rheinpfalz in Schifferstadt, zeigte den Gästen in einer kleinen Führung auf dem Versuchsgelände die Anfänge und den Stand heute: Zu sehen gab es den alten Lanz Traktor von vor 75 Jahren mit einem Holzwagen hintendran, daneben ein moderner Anhänger mit Folie abzudecken. Zwei Beete verdeutlichten die Entwicklung der Züchtung: Links das Beet zeigte eine Feldsalatsorte von vor 75 Jahren: schmale Blätter, leicht auseinanderfallend, rechts die aktuelle Sorte: breite rundliche stabile Blätter, kompaktes Röschen. Auch bei den Radieschen verdeutlichte Laun die züchterische Entwicklung: Damals noch eher einer Rübe gleich, violett in der Farbe, heute rund, knallrot. Wie kam es zur Gründung des Vereins zur Förderung des Gemüsebaus in der Pfalz e.V. 1938? „Es war damals eine private Initiative“, betonte Laun. Man habe bemerkt, dass mehr und mehr Menschen den ganzen Tag zum Arbeiten in Fabriken gingen, wie zur BASF. Sie bauten oftmals kein Obst oder Gemüse mehr an, die Nachfrage nach den frischen Lebensmitteln stieg sehr rasch. „1948 herrschte im ganzen Land ein Mangel an Vitaminen.
Einst war Gemüse die beste Währung
Gemüse entwickelte sich zum Zahlungsmittel, der Tauschhandel blühte, Gemüse war die beste Währung“, fasste Laun die damalige Situation zusammen. Der Verein zur Förderung des Gemüsebaus in der Pfalz e.V. sollte Gemüse produzieren, sich als Betrieb selbst tragen durch den Verkauf des angebauten Gemüses und ein Ansporn werden zur Nachahmung, formulierten die Gründerväter Franz Unterforsthuber, der schon damals Betriebsleiter, Berater und Lehrer in einer Person war, sowie Franz Mappes, der Leiter des gartenbaulichen Versuchswesens der BASF, der sich ehrenamtlich stark im Verein betätigte. Man baute ein Haus für den Verein in Neustadt und nannte den Betrieb „Versuchs- und Beispielwirtschaft, Gemüsebau Pfalz, staatl. anerkannte Gemüsebauberatungsstelle“. Der Verein wurde 1957 aufgelöst und ging zur Landwirtschaftskammer. 1973 erfolgte im Zuge der Verwaltungsreform eine Umbenennung zur LLFA Neustadt. 1985 wurde der Standortwechsel der Schule Neustadt, zum Breitenweg durchgeführt. 1991 erfolgte dann erneut ein Standortwechsel, allerdings nur für das Versuchswesen, zum Queckbrunnerhof nach Schifferstadt. Dr. Hans-Peter Lorenz und Dr. Achim Maync hatten die Gelegenheit genutzt, dass hier die Familie Mayer ihren Hof verkaufen wollte. „Die Lage ist gut, nun haben wir auch Lössböden und nicht mehr nur die Sandböden“, bemerkte Laun, der gemeinsam mit Prof. Dr. Joachim Meyer von der TU München durch die neuen NiedrigEnergiegewächshäuser führte aus dem ZINEG-Projekt und zeigte, dass heute mit GPS so nahe an die Reihen der Kulturen gehakt werden kann, dass der Einsatz von Herbiziden deutlich einzuschränken sei. Und Laun stellte fest: „Gestern und heute braucht es Menschen mit Herzblut, die bei der Sache Gemüse sind. Dass dies so bleibt, dafür sorgen wir auch, denn wir sind der größte Ausbildungsbetrieb für Gemüsebau in Rheinland-Pfalz.
Die gesellschaftlichen Anforderungen sind heute sehr hoch, die Menschen stellen Forderungen ohne praktischen Bezug, dafür haben wir eine ausgeklügelte Technologie zur Seite und eine hervorragende Anbaustruktur“, so Laun. Geblieben seien die Themen Wasser, Schädlingsbekämpfung und Düngung. Aus Ettlingen war Prof. Dr. Christoph Scharpf gekommen, der eine Zukunftsprognose wagen sollte. Doch dazu, so erklärte er, müsse man auch erst in die Vergangenheit blicken.
So gab es 1993 im Rahmen der Grünberger Forschungstage Gemüsebau eine Prognose, die mit relativ hoher Trefferquote die Entwicklung im Gemüsebau vorhersah, dass die Energiepreise weiter steigen, dass es weitere Einschränkungen im Pflanzenschutz gebe, dass die Anzahl der Betriebe abnehme, dass die Betriebsgröße steige, dass arbeitsintensive Kulturen dank der Erntehelfer zunehmen, dass mit fehlendem Nachwuchs bei alternder Bevölkerung zu rechnen ist. „All dies sei eingetreten. Doch was wir damals überhaupt nicht erkannt haben, dass die Regionalität an Gewicht gewinnt und dass es einen Bioboom geben wird“, bemerkte Scharpf. Was Scharpf für die Zukunft erwartet, das trug nicht zur Aufmunterung der Gäste bei:
Weiterhin weniger staatliche Unterstützung, nur noch eine Professur für Gemüsebau an Universitäten, Verlagerung von Versuchen in Betriebe, Institutskooperationen mit arbeitsteiliger Bearbeitung von Versuchsfragen, „virtuelles Großinstitut“, Suche nach anderen Geldquellen: Untersucht wird, was bezahlt wird, Themen sind Gesundheit, Umwelt und Energie.
„Damit tut man weder etwas für den Verbraucher noch für den Anbauer“, konstatierte Scharpf. So werde derzeit die Lagerung im LEH total vernachlässigt, jedoch viele Mittel in den Ökolandbau gesteckt, was eine politische Entscheidung sei. „Die Pfalz war Treiber für viele Entwicklungen im Gemüsebau, so der Warndienst. Ob zukünftig die Pflanzenbestände per Computer überprüft werden und dann automatisch gedüngt werden, wir werden sehen. Doch um den Organismus Gemüsebau am Leben zu halten und damit die Versorgung der Menschen mit Vitaminen, braucht es eine unabhängige Forschung und gute Fachleute, die wir hier haben“, schloss Scharpf seinen Vortrag.
In der anschließenden Diskussion bemerkte BWV-Präsident Norbert Schindler: „Wenn sich der Staat aus seiner Verantwortung zieht, die Grundlagen der menschlichen Ernährung zu unterstützen, dann versagt dieser Staat. Deutschland ist so stark, weil wir noch so eine gut funktionierende Urproduktion haben, ohne uns wäre die wirtschaftliche Leistung Deutschlands gar nicht möglich.“         

zep – LW 38/2013