DEULA-Mitarbeiter stemmen Herkulesaufgabe

Corona trifft überbetriebliche Ausbildung hart

Auch die DEULA Witzenhausen, Bildungszentrum für angewandte Technik, war im März völlig unvorhersehbar und heftig von den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus getroffen worden. Lehrgänge wurden abgesagt, der Schulbetrieb musste auf die Regeln zur Bekämpfung des Coronavirus umgedacht werden, bevor er nach dem Lockdown unter neuen Bedingungen wieder aufgenommen werden konnte. Geschäftsführer Henry Thiele erteilt in einem Interview dem LW Auskunft über die Veränderungen im Lehrgangsbetrieb und Auswirkungen von Corona auf die DEULA.

Zur Vorbeugung gegen die Coronapandemie sind Mindestabstände auch in der Werkstatt einzuhalten. Auf dem Bild ist die praktische Unterweisung an Kleingeräten durch Ausbilderin Selina Möller festgehalten. Die Lehrgangsteilnehmer stecken nicht mehr die Köpfe zusammen, sondern sie können die mündlichen Erläuterungen zu den einzelnen Bedienelementen bequem auf dem Großbild-Monitor nachvollziehen.

Foto: deula

LW: Herr Thiele, inwieweit hatte der Corona Lockdown Einfluss auf die überbetriebliche Ausbildung in der Landwirtschaft?

Thiele: Der Lockdown traf uns am 16. März und reichte bis zum 22. Mai. In dieser Zeit fielen insgesamt 31 Lehrgänge aus. Davon betroffen waren 337 Teilnehmer in der überbetrieblichen Ausbildung und 52 Teilnehmer anderer Lehrgänge.

Am stärksten betroffen war der Lehrgang Landwirte Grundstufe mit 163 Teilnehmern, gefolgt vom Kurs 06 Maschinen und Geräte im GaLaBau mit 87 Teilnehmern. Diese mussten von jetzt auf gleich über den Ausfall informiert werden.

Eine Aussage darüber, zu welchem Zeitpunkt die Lehrgänge nachgeholt werden könnten, war nicht möglich. Teilnehmer und Fachschulen gleichermaßen hingen bezüglich Zeitplan ihrer Ausbildung zunächst mal völlig in der Luft.

LW: Was waren die wichtigsten Dinge, die in der DEULA zu tun waren, um die Auswirkungen der Pandemie zu überstehen?

Thiele: Zunächst einmal mussten Hygienepläne für die Überbetriebliche Ausbildung, die Verpflegung, die Übernachtung und Vermietung von Seminarräumen an externe Firmen erstellt werden. In Summe waren das vier Einzel-Hygienepläne, da die rechtlichen Vorgaben für Hotels, Restaurants, Schulungsräume und Werkstätten nicht identisch sind.

Zudem musste der Einkauf von Desinfektionsmitteln, Desinfektionsspendern oder Mund-Nasen-Masken (MNM) für Mitarbeiter auf den Weg gebracht werden. Weiterhin mussten Festlegungen von Schutzmaßnahmen getroffen werden, etwa wie die MNM-Bedeckung in öffentlich zugänglichen Bereichen (Eingang, Treppenhaus, beim Betreten und Verlassen der Unterrichtsräume und Hallen) oder wie das Desinfizieren von Gegenständen wie Maschinen oder Werkzeugen nach der Benutzung zu erfolgen hat.

Darüber hinaus stand die Anschaffung von Medientechnik auf der Tagesordnung, eine visuelle Darstellung der Maschinen unter Einhaltung der Abstandsregeln zu ermöglichen. Hinzu kam die Erstellung einerCorona-Einweisung für die Teilnehmer und die Erstellung von Unterweisungsvorlagen. Ganz wichtig war, dass wir von heute auf morgen Kurzarbeit angemeldet haben, die wir in den Monaten April und Mai in Anspruch genommen haben. Ergänzend haben wir aus dem Soforthilfeprogramm des Landes 30 000 Euro beantragt, die auch recht zügig und unkompliziert ausgezahlt wurden.

Zu guter Letzt mussten wir noch ein Betriebsmitteldarlehen zur Sicherstellung der Liquidität beantragen, das auch gewährt wurde.

LW: Wie schätzen Sie zum jetzigen Stand der Dinge die finanziellen Auswirkungen der Krise für Ihre Einrichtung ein?

Thiele: Wenn ich die entgangenen Einnahmen und die zusätzlichen Ausgaben zusammenrechne, sind wir von einem Defizit im 6-stelligen Bereich betroffen, das nicht aufgefangen werden kann.

Die Lehrgänge der Landwirtschaft haben wir auf den Herbst verschoben, damit die Ausbildungsgänge der Lehrgangsteilnehmer zeitnah abgeschlossen werden können.

LW: Was hat sich nach Wiederaufnahme des Lehrgangsbetriebes Corona-bedingt verändert?

Thiele: Wir arbeiten mit kleineren Gruppen und zurzeit im Garten- und Landschafts-Bau (GaLaBau) mit drei anstelle von zwei Ausbildern, was natürlich auch höhere Kosten verursacht. Hinzu kommt der verstärkte Einsatz von digitaler Technik wie Monitore und Kamerasysteme bei den praktischen Unterweisungen in der überbetrieblichen Ausbildung.

Im Speiseraum ist zur Einhaltung der Abstandsregeln die Umstellung vom Buffetangebot auf ein Tablett-System erfolgt. Daneben wurden feste Sitzplätze für die Gäste unter Einhaltung der Abstandsregeln festgelegt. Hinzu kommt die Verdopplung der Reinigungsintervalle im Haus.

LW: Werden Veränderungen, die Sie vornehmen mussten, nachhaltig die Arbeit in der DEULA verändern?

Thiele: Das Thema Digitalisierung wird noch rasanter sowohl Einzug in die interne und externe Kommunikation Einzug finden als auch in den pädagogisch didaktischen Bereich. Überlegungen dazu, die wir ohnehin schon angestellt hatten, werden Corona-bedingt erheblich schneller umgesetzt.

LW: Was ist zurzeit Ihre größte Sorge, wenn Sie an die nächsten Monate denken?

Thiele: Ein erneuter Lockdown für mehrere Wochen würde die ohnehin prekäre Lage noch einmal verschärfen. Unsere sehr engagierten Mitarbeiter müssen ohnehin schon durch die Verdichtung des Lehrgangsbetriebes im Herbst, Winter und Frühjahr eine Herkulesaufgabe bewältigen, das ist eine große Herausforderung.

LW: Wie entwickeln sich die Lehrgänge der Landwirtschaft über die Coronapandemie hinaus weiter? Wo sehen Sie für die Zukunft die Chance für die Überbetriebliche Ausbildung?

Thiele: Insbesondere die Digitalisierung wird erheblich schneller Einzug halten in die Unterrichtsgestaltung.

Mit einem Förderantrag Digitalisierung planen wir nicht nur die Anschaffung eines mobilen Dynamometers mit Tandemfahrgestell, von Automatiksoftware und Kraftstoffverbrauchsmessgerät, sodern auch von einem Traktor inklusive Achslastwaage mit Spurführsystem, Agronomie, Maschinensteuerung und Telemetrie-Paket mit digitaler Anbindung an den Unterrichtsraum.

Die Fragen stellte Klaus Dietz – LW 30/2020