Diskussionsrunde auf dem Hof der Familie Schreiner

„Wir haben es satt, Sündenbock zu spielen“

„Uns brennt der Kittel, wir haben es satt den Sündenbock zu spielen, redet mit uns und nicht über uns; wir sind keine Giftspritzer, sind Pflanzenschützer. Wir sind keine Tierquäler. Wir lieben unsere Tiere und kümmern uns in diesem Jahr 366 Tage um sie und wir lieben unsere Arbeit und wollen diese nicht aufgeben wegen sinnloser Auflagen und immer mehr Bürokratie. Selbst im Kindergarten werden die Kinder schon gemobbt“.

Offene Worte auf dem Futtertisch: Vertreter der Landwirtschaft hielten gegenüber der Politik mit ihrer Einschätzung zur Situation der bäuerlichen Familienbetriebe auf der internen Dialog- und Diskussionsrunde in Laubach-Altenhain nicht hinterm Berg; Manfred Paul (1.v.l.), Volker Lein (3.v.l.) Dr. Christiane Schmahl (5.v.l.) und Michael Ruhl (8.v.l.).

Foto: Thomas Wißmann

Klare und ungewöhnliche Begrüßungsworte, die Stephanie Schreiner auf ihrem gemeinsam mit Ehemann und Ortslandwirt Martin in Laubach-Altenhain betriebenen Hof zur Begrüßung ihrer Gäste sprach. Zu einer internen Dialog- und Diskussionsrunde im Sinne von Land schafft Verbindung Deutschland hatten die Eheleute in Zusammenarbeit mit dem heimischen Bauernverband Gießen/Wetzlar/Dill eingeladen und konnten dazu als Gesprächsteilnehmer und Gäste den Kreislandwirt und Vorsitzenden des BV Gießen/Wetzlar/Dill Manfred Paul, Villingen, seinen Amtskollegen des KBV Vogelsberg und HBV-Vizepräsidenten, Volker Lein, Bleidenrod, den CDU-MdL Michael Ruhl, Herbstein, sowie Erste Kreisbeigeordnete Dr. Christiane Schmahl, Bündnis90/Die Grünen, begrüßen. Paul zeigte sich sichtlich betroffen, wie seitens der Politik mit den Landwirten umgegangen wird. „Die Politik hat keinen A mehr in der Hose für unseren Berufsstand. So kann man nicht mit uns umgehen. Wir produzieren Grundnahrungsmittel vom Feinsten“, erzürnte sich Paul.

Stimmung auf den Höfen auf historischem Tiefpunkt

Und auch Lein machte deutlich, dass die Stimmung auf den meisten Betrieben zurzeit auf einem historischen Tiefpunkt angelangt sei. „Bauernbashing verursacht durch Nichtregierungsorganisationen, Mobbing von Bauernkindern in Schulen, Wolfspolitik, Ackerbaustrategie, Klimanotstand Agrarpaket, Düngereform, Reform der Düngerreform. Das gesamte Umfeld stimmt nicht und daran scheint die Politik sogar ein Interesse zu haben. Anders ist die Ignoranz auf Länder- und Bundesebene nicht zu erklären. Sind wir eigentlich eine Bananenrepublik?“ fragte Lein.

Protestschreiben an MdL Ruhl überreicht

„Ist es nicht Zeit dieses Krankensystem der Agrarpolitik in Europa grundlegend zu überdenken? Wenn Sie als Politiker noch eine Landwirtschaft wollen, die regional, nachhaltig und vor allem auch noch familiengeführt ist, muss diese einseitig fördernde ideologische Politik beendet werden“ und überreichte Ruhl sein Protestschreiben.

Dieser versicherte, dass der Dialog nicht nur gewünscht sei, sondern angesichts der Düngeverordnung auch notwendig, weil „wir in Deutschland lange Zeit zu wenig gemacht haben. Wir haben 2014 von der EU auf den Deckel bekommen. Die Kommission sagt nun, es ist noch nicht genug. Jetzt müssen wir schauen, wie bekommen wir es hin, die EU zufrieden zu stellen und wie bekommen wir es hin, auch weiterhin gut wirtschaften zu können. Es muss sich dringend etwas tun“, betonte Ruhl. Schmahl führte an, dass aktuell nicht nur die Landwirtschaft verteufelt werde, sondern auch alle Politikergruppen. „Auch ich bekomme Hassmails. Insgesamt ist der Ton rauer geworden. Das lehne ich ab“.

Thomas Wißner – LW 3/2020