Durchwachsene Erwartungen an die Getreideernte

DBV-Pressekonferenz zum Start der Getreideernte in Südhessen

Die Getreideernte hat in diesen Tagen in den Frühdruschgebieten von Hessen und Rheinland-Pfalz begonnen. Doch die Landwirte blicken mit gemischten Erwartungen auf die Erntesaison, denn die Trockenheit hat überall ihre Spuren hinterlassen.

DBV-Präsident Joachim Rukwied und HBV-Präsident Schneider schätzen anlässlich der Pressekonferenz in Riedstadt-Leeheim die aktuellen Ernteaussichten ein.

Foto: Brammert-Schröder

„Die jetzt beginnende Getreideernte lässt nur durchschnittliche Erntemengen erwarten. In den Frühjahrsmonaten hat in vielen Regionen eine ausgeprägte Trockenheit geherrscht, die keine Spitzenerträge zugelassen hat“, sagte Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied an diesem Dienstag bei einem Pressegespräch anlässlich des Beginns der Getreideernte. Gemeinsam mit Friedhelm Schneider, dem Präsidenten des Hessischen Bauernverbandes, stellte Rukwied auf dem Betrieb von Werner und Mario Wald im hessischen Riedstadt-Leeheim die Erwartungen an die Getreide- und Rapsernte sowie aktuelle Marktentwicklungen vor.

Das Erntegespräch auf einem Wintergerstenschlag in der Nähe von Groß-Gerau fand wettermäßig unter besten Druschbedingungen statt. „Wir haben bereits 60 ha Wintergerste gedroschen, die Erträge liegen bei 60 bis 70 dt/ha“, erklärte der gastgebende Landwirt Werner Wald. Er rechnet nicht mit Spitzenerträgen, die Trockenheit habe extreme Schäden hinterlassen. „Wir haben noch bis vor drei Wochen das Getreide beregnet“, sagte der Landwirt, der neben Weizen und Gerste zur Saatguterzeugung auch noch Raps und Zuckerrüben anbaut.

Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied ist skeptisch, ob die aktuellen Ertragsschätzungen aus den Landesbauernverbänden von gut 47 Mio. t angesichts der Wetterprognosen für die nächsten zwei Wochen gehalten werden können. Auf 6,6 Mio. ha wird in Deutschland Getreide angebaut, etwas mehr als im Vorjahr. „Wir gehen aber davon aus, dass das durchschnittliche Ertragsniveau bei weitem nicht an die Rekorderträge des Jahres 2014 heranreichen wird“, so Rukwied. „Wenn es in den nächsten Tagen heiß wird, wird es auch in den späteren Druschgebieten deutliche Ertragseinbußen geben.“

Dabei erschien der Vegetationsverlauf zunächst günstig, allerdings wurde in manchen Regionen die Aussaat durch reichlich Regenfälle und Bodenfeuchte erschwert. Rukwied wies darauf hin, dass vor allem der Winterraps unter dem Befall von Rapserdfloh und der Kohlfliege zu leiden hatte, was vor allem in Norddeutschland zu Flächenumbrüchen führte. Bei Wintergerste war regional das Gelbverzwergungsvirus ein Problem. „Zumal in Frankreich dagegen gebeizt werden darf“, erklärte Rukwied und verwies auf die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland. Hinzu kamen geringe Regenmengen im Frühjahr. „Ab Februar fiel die Niederschlagsmenge um durchschnittlich 22 Prozent geringer aus, in Südhessen, Rheinhessen und Unterfranken fiel nicht einmal ein Drittel der sonst üblichen Niederschlagsmenge“, so Rukwied und führte weiter aus: „Am 8. Juni wurde auf 45 Prozent der Fläche Deutschlands ein neues absolutes Minimum der Bodenfeuchte erreicht.“

Marktaussichten verbessert

Die Marktaussichten haben sich laut Rukwied in den letzten Tagen verbessert. Die Preise an den Börsen in Chicago und Paris sind deutlich gestiegen. „Hier machen sich erste Druschergebnisse und Wetterprognosen bemerkbar“, erklärte er. Die Trockenheit in Deutschland und Europa auf der einen Seite und anhaltende Niederschläge im Getreidegürtel in den USA hätten zu deutlichen Preisbewegungen nach oben geführt. „Ich hoffe, dass sich die anziehenden Preis für Getreide und Raps stabilisieren und wenigstens einen Teil der geringeren Erntemengen kompensieren“, so der Präsident. Denn auch die Erzeugerpreise für Milch und Schweinefleisch seien aktuell niedrig, zudem sei bei Zuckerrüben von einem Preisrückgang von 40 Prozent auszugehen.

„Das Erntejahr 2015 wird uns einmal mehr zeigen, dass die Erträge der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen in hohem Maße von der Witterung abhängig sind“, betonte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider. Von Februar bis Mai 2015 seien in Hessen im Durchschnitt 135 Millimeter Niederschlag gefallen. Das seien nur 55 Prozent des langjährigen Mittels von 244 Millimetern. Im Mai fehlten im Rhein-Main-Gebiet sogar 70 Prozent der sonst verfügbaren Regenmenge. An vielen Orten lag das Niederschlagsdefizit im Mai, dem Hauptwachstumsmonat, noch darüber.

„Die Trockenheit hat besonders in Hessen deutliche Spuren auf unseren Äckern und Wiesen hinterlassen“, sagte Schneider. Das gelte vor allem für flachgründige Standorte, zum Beispiel in den hessischen Mittelgebirgslagen oder in Gebieten mit sandigen Böden, wie sie im Hessischen Ried vorherrschten. „Beim Getreide rechnen wir in Hessen je nach Standort, Boden und Niederschlagsverteilung mit Ertragseinbußen von bis zu 30 Prozent. Auf den schlechteren Standorten mit extremer Trockenheit können die Ertragsverluste noch höher sein“, so Schneider. Die Wintergerste habe besonders unter der Trockenheit gelitten. Sie konnte die Juni-Niederschläge nicht mehr verwerten.

Beim Winterweizen, der mit rund 160 000 Hektar etwas mehr als die Hälfte der hessischen Getreidefläche einnimmt, könne der im Juni gefallene Regen die Kornfüllung vielleicht noch positiv beeinflussen. Der Winterraps habe ebenfalls sehr unter der Trockenheit gelitten, zudem sei auch viel Raps nach massivem Schädlingsbefall umgebrochen worden. Auch Silomais und Zukkerrüben präsentieren sich nach den Worten Schneiders eher schwach.

Grünland bereitet große Sorgen

Große Sorgen bereitet die Ertragslage auf dem Grünland. „Die Dürre der letzten Monate hat dazu geführt, dass der erste Schnitt auf dem Grünland 30 bis 50 Prozent unter dem des letzten Jahres lag. Auch den zweiten Schnitt können die Rinderhalter vergessen, weil nichts nachgewachsen ist“, hob Schneider hervor.

„Beim Spargel rechnen wir in diesem Jahr mit einer durchschnittlichen Ernte“, so die Einschätzung von Präsident Schneider. Auch bei dieser Frucht habe sich die Trockenheit bemerkbar gemacht. Kalte Nächte zu Beginn der Saison wirkten sich ebenfalls ertragsmindernd aus. Der Gesamtertrag werde auf rund 10 000 Tonnen in Hessen geschätzt. Im Vorjahr gab es eine Rekordernte von rund 14 000 Tonnen. Die diesjährige Erdbeerernte werde unterdurchschnittlich ausfallen. Betriebe, die nicht über eine Tröpfchenbewässerung verfügten, müssten empfindliche Ertragseinbußen hinnehmen.

Spargel und Erdbeerernte unter Vorjahresniveau

In diesem Zusammenhang nahm Präsident Rukwied zum Thema Mindestlohn Stellung. „Die Dokumentationspflichten, die auch bei der Beschäftigung von Familienmitgliedern erfüllt werden müssen, sind Unsinn“ sagte er deutlich. Und auch in Punkto Arbeitszeiten müsste sich einiges ändern. „Auch wenn Frau Nahles in einem Gespräch mit mir einer Ausweitung der Arbeitszeiten in Ausnahmesituationen wie der Ernte zustimmt, heißt das noch lange nicht, dass die Behörden vor Ort das auch zügig umsetzen“, machte Rukwied seinem Ärger Luft. „Was hier passiert, ist wirklich mittelstandsfeindlich.“

Imke Brammert-Schröder – LW 27/2015