Eichenprozessionsspinner
Eine Gefahr für Wald und vor allem Mensch
Mit dem Klimawandel tritt zunehmend der Eichenprozessionsspinner auch in Rheinland-Pfalz und Südhessen in Erscheinung. Davon sind vor allem Waldränder und Bestände betroffen. Besonders problematisch sind die Brennhaare der Raupen, die die Gesundheit der Menschen gefährden. Aber auch für die Waldbäume besteht infolge des Blattfraßes eine zunehmende Gefährdung.
Der Eichenprozessionsspinner (EPS) ist ein Vertreter aus der Gruppe der Nachtfalter, der eine Generation pro Jahr hervorbringt. Die gesellig lebenden Raupen fressen auf verschiedenen Eichenarten, in Mitteleuropa vorzugsweise auf Stiel- und Traubeneichen (Quercus robur und petraea). Die Raupen schlüpfen im April aus den Eigelegen und durchlaufen je nach Witterung bis etwa Ende Juni oder Anfang Juli sechs Stadien. Ab dem dritten Larvenstadium bilden sie winzige Brennhaare aus, die beim Menschen und bei Tieren entzündliche Reaktionen der Haut und der Schleimhäute sowie quälende Juckreize auslösen können. Vom etwa fünften Stadium an werden die typischen Gespinstnester gebildet, wo sich die Raupen häuten und später die Verpuppung stattfindet. In trocken-warmen Frühjahren kann die Entwicklung schnell fortschreiten. Doch die kühlen Tage der vergangenen Woche haben die Entwicklung der Raupen 2012 verzögert, sodass die ersten Raupen des besonders brennhaarreichen letzten Raupenstadiums erst Ende Juni zu erwarten sind. Die Puppenruhe dauert etwa vier Wochen und der anschließende Falterflug zur Kopulation und Eiablage erfolgt von Juli bis August.Die Entwicklung des EPS wird in Rheinland-Pfalz von der FVA Baden-Württemberg regelmäßig überwacht und die Befunde sowie das Gefährdungspotenzial und Handlungsempfehlungen im Internet unter www.fva-bw.de für die Öffentlichkeit bereitgestellt. Bisher sind in Rheinland-Pfalz vor allem das Rhein- und Moseltal betroffen. In Hessen kommt der Eichenprozessionsspinner bevorzugt im Rhein-Main-Gebiet vor.
Es sind Eichen in warmen Gebieten bis in kolline Lagen von nennenswerten Vorkommen des EPS betroffen (Karte). Der Höhepunkt der räumlichen Verbreitung und der Intensität des Auftretens wurde bisher im Jahr 2007 erreicht.
Gegenmaßnahmen im Wald
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln: Zum Gesundheitsschutz wurden in den letzten Jahren an vielen Orten, wo mit hohem Besucherverkehr, wie an Schwimmbädern und Kindergärten, zu rechnen ist, besonders betroffene Wald¬ränder mit einem Pflanzenschutzmittel behandelt. Zum Einsatz kam hierbei der biologische Wirkstoff Bacillus thuringiensis kurstaki (B.t.k.), der spätestens bis zur Ausbildung der ersten Brennhaare im dritten Larvenstadium ausgebracht werden muss. Über dem Wald wird dieses Mittel in der Regel mithilfe von Hubschraubern ausgebracht. Für die Behandlung einzelner jüngerer Eichen oder Baumreihen kommt in befahrbaren Lagen entlang von Wegen aber auch der Einsatz von speziellen landwirtschaftlichen Bodenspritzgeräten in Betracht. Diese Maßnahmen haben in der Praxis die Situation in den betroffenen Waldbeständen erheblich verbessert. Gesundheitliche Beeinträchtigungen für die Menschen und Kahlfraß an den Eichen blieben hier weitestgehend aus.
Mechanische Verfahren: Neben der prophylaktischen Bekämpfung der ersten Raupenstadien mit einem Pflanzenschutzmittel kann dem EPS auch mit sogenannten mechanischen Verfahren zu Leibe gerückt werden. Diese Maßnahmen kommen meist dann zur Geltung, wenn schon erste Probleme aufgetreten sind. Dabei werden vor allem die Gespinste mit den Häutungsresten der Raupen als wesentliche Infektionsherde unschädlich gemacht, da dort selbst nach Abschluss der Entwicklung noch über einen langen Zeitraum wirksame Brennhaare vorhanden sind. Die Population wird durch mechanische Verfahren am wirksamsten während des Puppenstadiums dezimiert, denn dieses Entwicklungsstadium muss im Gespinst verharren.
Zur mechanischen Beseitigung der Raupen oder Gespinste sind unter Anderem folgende Verfahren bekannt: Absaugen mit einem dafür geeigneten, dichten sowie saugstarken Spezialgerät und anschließende Entsorgung zum Beispiel durch das Verbrennen des abgesaugten infektiösen Materials, Fixierung der Häutungsreste und Brennhaare im Gespinst zum Beispiel mit einer Zuckerlösung oder mit Sprühkleber und Absammeln in ein dichtes Behältnis sowie anschließende Entsorgung des infektiösen Materials, Abflammen der Gespinste mit einer Gasflamme an älteren Eichen mit dicker Rinde, wobei auf die Brandgefahr besonders zu achten ist.
Mechanische Verfahren sind in der Durchführung oft sehr aufwendig und gefährlich für die Anwender. Deshalb ist es sehr empfehlenswert, dabei folgende persönliche Schutzausrüstung zu tragen: Schutzanzug, Gesichtsmaske, Handschuhe und Gummistiefel.
Nur mit Schutzkleidung
Während der Arbeiten sollten sich in der Nähe keine ungeschützten Personen aufhalten. Nach der Maßnahme muss die Schutzkleidung abgespritzt werden, um eine Kontamination beim Ausziehen zu verhindern. Für die Beseitigung von höher gelegenen Nestern empfiehlt sich in befahrbaren Lagen die Verwendung von Hebebühnen oder Leitern. Für Baumsteiger ist die Gefahr einer Kontamination außerordentlich hoch und größte Vorsicht geboten.
Nach der Beseitigung der Raupengespinste in den Eichen kann der Bewuchs unterhalb nach wie vor noch von herab- gefallenen Brennhaaren kontaminiert sein. Dort vermindert sich die Infektionsgefahr durch die Brennhaare allerdings nach Regenschauern oder durch das Abspritzen mit Wasser erheblich. Aus Vorsorgegründen ist es trotzdem noch ratsam, sich nicht unmittelbar unter den Baumkronen befallener Eichen aufzuhalten, auch wenn dort mechanische Maßnahmen durchgeführt wurden. Dies gilt insbesondere auf Grillplätzen, Waldspielplätzen, Schwimmbädern oder an Badeseen.
Wegen des potenziellen Vorhandenseins von Gespinstnestern ist es grundsätzlich angebracht, sich in Eichenwäldern nur auf den Wegen aufzuhalten.
Das trocken-warme Frühjahr 2012 führte zu einer optimalen Entwicklung der Raupen. Daher ist zu befürchten, dass es an Orten, an denen keine Gegenmaßnahmen ergriffen wurden, zu einem Anstieg der Populationsdichten gekommen ist. Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Klimawandels mit künftig wärmeren Verhältnissen ist zu vermuten, dass sich der Eichenprozessionsspinner im Verbreitungsgebiet der Eiche auch in Südhessen und Rheinland-Pfalz als Dauerschädling weiter etablieren wird.
Neben den damit verbundenen Gesundheitsrisiken für den Menschen sollten in Zukunft auch die Auswirkungen eines mehrjährigen Befalls auf die Vitalität der Eichen berücksichtigt werden. Aus Baden-Württemberg und Franken wird aktuell bereits von einem Absterben einzelner Eichen in der Folge mehrjährigen Fraßes des Eichenprozessionsspinners berichtet, der oft auch in Kombination mit dem Fraß anderer Schmetterlingsraupen der sogenannten Eichen¬fraßgesellschaft erfolgt.
Dr. Horst Delb und Eiko Wagenhoff