Eigenanbau auf Ackergegen Lieferengpässe

Angebot einer Bauernfamilie an Bewohner im Ort

Weil Saisonarbeiter fehlen, haben Landwirte in letzter Zeit wiederholt vor einer geringeren Gemüseernte im Herbst gewarnt. Mit einer ungewöhnlichen Aktion möchte Andrea Rahn-Farr, Vorsitzende des RBV Wetterau-Frankfurt, die Versorgung von Familien in Büdingen-Rinderbügen sichern. Sie stellt den Einwohnern einen Acker zur Verfügung, damit diese dort eigenes Gemüse anbauen können.

Zusammen mit ihren Mitarbeitern hat Andrea Rahn-Farr den Acker am Dorfrand von Rinderbügen bereits vorbereitet, damit Bürger dort Gemüsegärten anlegen können.

Foto: Potengowski

Als die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner letzte Woche ankündigte, es sei denkbar, Saisonarbeiter einfliegen zu lassen, machte sie den Landwirten Hoffnung, dass genügend von den dringend benötigten Helfern rechtzeitig zu Spargel- und Erdbeerernte nach Deutschland kommen würden. Die Hilfskräfte aus Osteuropa werden auch dringend benötigt, um Gemüse wie Gurken, Kohl oder Salat anzupflanzen. Denn wie Klöckner in ihrer Pressekonferenz erklärt hatte, kann im Herbst nur geerntet werden, was jetzt gepflanzt wird.

Idee sogleich in die Tat umgesetzt

Doch statt der Luftbrücke für die Saisonarbeiter kam eine Einreisesperre. Viele Landwirte sagen deshalb eine deutlich kleinere Gemüseernte für den Herbst voraus. Dazu kommt, dass auch viele Länder, aus denen bisher Gemüse importiert wurde, wie Italien, Spanien und Belgien als Lieferanten in diesem Jahr weitgehend ausfallen werden. Andrea Rahn-Farr, die zusammen mit ihrem Mann Carsten den Preis­erlenhof bewirtschaftet, hat deshalb beschlossen, einen 0,7 Hektar großen Acker der Dorfgemeinschaft zur Verfügung zu stellen.

Auf den 7 000 Quadratmetern Feld, auf denen im letzten Jahr eine Blühmischung als Nahrung für Bienen eingesät war, können sich die Rinderbügener Gemüsegärten anlegen, um nicht im Herbst unter eventuellen Lieferengpässen oder hohen Preisen zu leiden.

Noch am Morgen beim Frühstück, als sie die Idee hatte, habe ihr Mann den Ortsvorsteher Wolfgang Bretthauer angerufen. Dieser sicherte seine Unterstützung für das Projekt ebenso zu wie der Landfrauenverein. „Hier gibt's eine funktionierende Dorfgemeinschaft“, freut sich Andrea Rahn-Farr über den spontanen Zuspruch.

Funktionierende Dorf- gemeinschaft hilfreich

„Hier kann man vieles machen, weil es genug Leute gibt, die mitziehen.“ Dass sich das Angebot nur an die Rinderbügener richte, habe logistische Gründe, erklärt sie. „Das macht nur regional Sinn, man muss ja vor Ort sein.“ Natürlich sei solch ein Projekt grundsätzlich auch für andere Dörfer denkbar.

Inzwischen hat sie mit ihren Mitarbeitern begonnen, den Acker vorzubereiten, damit er als Gartenland genutzt werden kann. Zunächst wurde er mit der Scheibenegge umgebrochen. In weiteren Arbeitsgängen wird der Boden aufbereitet und eventuell auch Kompost untergemischt werden. Auch ein Wasserfass zur Bewässerung der Gärten könne man in trockenen Wochen zur Verfügung stellen.

Pflanzen und Pflege übernimmt jeder selber

„Natürlich muss jeder für die Pflege selber sorgen“, betont Rahn-Farr, dass bei aller Unterstützung auf die Bürger, die sich einen Gemüsegarten auf dem Acker anlegen wollen, auch Arbeit zukommt. Außerdem müssten sie sich um Saat- und Pflanzgut kümmern, das bis Mitte April in die Erde müsse. Dieses sei aber in Baumärkten verfügbar oder könne gegebenenfalls auch im Internet bestellt werden.

Die Hilfe durch die Mitar beiter des Preiserlenhofes und der Landfrauen ist dabei nicht zu unterschätzen. Denn hier ist das Wissen um den Gemüseanbau vorhanden, das gerade viele jüngere Bürger nicht haben und sich erst mühsam anlesen müssten. Fehlschläge bei solchen ersten landwirtschaftlichen Gehversuchen wären nicht ausgeschlossen.

Landfrauenverein in Organisation eingebunden

„Gerade die Landfrauen, die im Verein aktiv sind, sind diejenigen, die dieses Wissen noch haben“, erklärt die Vorsitzende Wilma Schmidt. 96 Mitglieder habe der Landfrauenverein Rinderbügen derzeit. Die jüngsten seien Mitte 30, die Frauen, die aktiv an Veranstaltungen teilnähmen seien jedoch deutlich älter, stellt Schmidt fest. Von den neu zugezogenen Frauen sei an einer Hand abzuzählen, wer dem Landfrauenverein beigetreten sei.

So bietet das Projekt der Gemüsegärten auf dem früheren Acker neben der Möglichkeit der Selbstversorgung auch die Chance auf eine Stärkung der Dorfgemeinschaft. Sowohl die Landfrauen als auch die Landwirtschaft werden in der ungewöhnlichen Zusammenarbeit mit den Rinderbügenern eine neue Wertschätzung erfahren.

Potengowski – LW 14/2020