Eigenständige agrarsoziale Sicherung nur im Verbund

Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Altersrente

Die landwirtschaftliche Alterskasse bietet eine finanzgünstige Basis für eine Alterssicherung, die durch weitere private Vorsorge mit möglichst breiter Risikostreuung ergänzt werden sollte. Optimale Lösungen hängen von der Situation der Unternehmerfamilie ab und können mit der Beratung der Alterskassen oder deren Beratungsbeauftragten wie zum Beispiel den Bauernverbänden gefunden und umgesetzt werden.

Dr. Peter Mehl vom Thünen-Institut.

Foto: Mohr

Dies stellte der Agrarsozialversicherungsexperte, Prof. Dr. Peter Mehl vom Thünen-Institut für ländliche Räume Braunschweig in der vergangenen Woche auf der Landwirtschaftlichen Woche in Baunatal dar. Er sprach dort auf Einladung des Landesverbandes für landwirtschaftliche Fortbildung, der Arbeitsgemeinschaft für Rationalisierung, Landtechnik und Bauwesen in der Landwirtschaft (ABL), dem Wasser-, Boden- und Landschaftspflegeverband mit den Maschinenringen sowie der Landtechnischen Fördergemeinschaft.

Vergleich der Rentenversicherungen

Mehl erläuterte zunächst die Grundzüge des Systems und verglich Beiträge, Leistungen und Zuschüsse des Bundes mit der gesetzlichen Rentenversicherung für andere Berufe (Handwerk). Derzeit zahle ein Landwirt 232 Euro pro Monat Beiträge und erhalte nach 40 Beitragsjahren eine Monatsrente von 528,40 Euro. Ein Handwerker muss einen monatlichen Regelbeitrag von 530,15 Euro entrichten, um nach 40 Beitragsjahren eine Monatsrente von 1 144,40 Euro zu erhalten.

Beide Systeme sind dabei auf Finanzhilfen des Bundes angewiesen. Die landwirtschaftliche Alterskasse erhält 2,2 Mrd. Euro pro Jahr, die 78 Prozent der Leistungen ausmachen und die Deutsche Rentenversicherung 71 Mrd. Euro pro Jahr, die etwa 27 Prozent der Gesamtausgaben abdecken. Pro Euro Monatsbeitrag erhielt ein Handwerker das 2,21-fache und ein Landwirt das 2,29-fache an Rente. Landwirte mit dem höchsten Beitragszuschuss von 91 Euro pro Monat sogar das 5,71-fache.

Teilsicherungssystem bedarf der Ergänzung

Mit der Alterssicherungs-Reform von 1995 sei ein Teilsicherungssystem geschaffen worden, das der Ergänzung durch eine eigene private Vorsorge bedarf, Elemente einer Mindestsicherung enthält und eine eigenständige Sicherung der Bäuerin beinhaltet. Das reformierte System sorge für eine starke Dämpfung des Ausgabenanstiegs, habe aber neben einer hohen Bundesmittelquote auch ein relativ geringes Absicherungsniveau. Seit der Reform von 1995 sei zwar eine Annäherung an die allgemeine Rentenversicherung und eine Systemstabilisierung durch Defizitdeckung durch den Bund eingetreten, die Befreiungsmöglichkeiten von der Versicherungspflicht, die viele Landwirte und Ehefrauen nutzten, habe auch eine Abschwächung der sozialen Sicherungsfunktion zur Folge, zudem seien die großen Vorteile gegenüber der Rentenversicherung verloren gegangen.

Zur Neugestaltung der Hofab­gabeklausel sei in der großen Koalition ein Kompromiss zur Beibehaltung gefunden worden. Neu sei dabei, dass die Rentenzahlung weiter läuft, auch wenn der Partner bei Erreichung der Altersgrenze den Betrieb nicht abgibt, sondern fortführt. Man folge damit einem Modell, das in Frankreich praktiziert werde. Im Fall, dass beide Ehepartner in die Alterskasse einbezahlt haben, wird so die Weiterbewirtschaftung bei gleichzeitigem Bezug einer Rente ermöglicht. Gleiches gilt, wenn einer der Ehegatten von der Landwirtschaftlichen Alterssicherung befreit ist, auch die Ehegattenrente (wenn Landwirt befreit war und Ehegatte in die Alterskasse einbezahlt hatte) bleibe künftig trotz Weiterbewirtschaftung durch den alterskassenbefreiten Landwirt erhalten.

Aushöhlung der Hofabgabeklausel

Mehl sieht in der neuen Regelung eine starke Aushöhlung der Hofabgabeklausel. Die Systemkritik werde so weiter gehen und die Erosion des Systems werde beschleunigt. Während sich zumeist Landwirte ohne Hofnachfolger gegenüber anderen Selbständigen benachteiligt fühlen, sehen die Befürworter die aktuelle Altersabsicherung mit ihrem hohen Bundeszuschuss gefährdet. Mehl sieht dies auch so: „Eine eigenständige agrarsoziale Sicherung ist nur im Verbund aller Sicherungsbereiche überlebensfähig!“ Denn als Alternativen zu dieser Eigenständigkeit stehen nur zwei Optionen im Raum: erstens die komplette Privatisierung und damit die Rückkehr zu den Verhältnissen vor 1957 oder zweitens die Integration in die Deutsche Rentenversicherung. Viele Selbständige (zum Beispiel Handwerker) seien dort bereits versichert. Die Hof­abgabeklausel würde verschwinden. Es gäbe allerdings auch keinen Beitragszuschuss und keine Betriebs- und Haushaltshilfen – und es stelle sich die Frage, ob dann die günstige Krankenversicherung erhalten bleiben könne.

Dr. Ernst-August Hildebrandt – LW 3/2016