Eigenversorgung mit Strom bis hin zur Autarkie

Intelligente Steuerung von Erzeugung und Verbrauch

Wie man Energie- und insbesondere Milcherzeugung zusammenführt und wie die betrieblichen Abläufe und die Versorgung mit elektrischer Energie durch ein Energie Management System (EMS) automatisiert wird, hat vergangene Woche Professor Dr. Heinz Bernhardt, Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik der TU München, auf der Mitgliederversammlung des Kreisbauernverbandes Vogelsberg in Kirtorf dargestellt. Am Verbundforschungsvorhaben Cow Energy zeigte er auf, wie die Stromerzeugung, die elektrisch angetriebenen Maschinen, die Speichermedien und als Priorität die Bedürfnisse der Tiere aufeinander abgestimmt werden. Ein Thema war auch die sehr schwierige Integration und Vermarktung der landwirtschaftlichen Stromerzeugung in ein regionales Stromnetz.

Professor Heinz Bernhardt lehrt an der TU München Agrarsystemtechnik.

Foto: Mohr

Bernhardt sieht ein großes Potenzial für die Eigenversorgung von landwirtschaftlichen Betrieben bis hin zur Autarkie. Für die Landwirte sei ein hoher Eigenstromverbrauch lukrativ und eine Flexibilisierung der Einspeisung könne auch für regionale Energieversorger interessant sein. Er sprach von einer netzdienlichen Einspeisung, die das öffentliche Netz stabilisiert, weil durch entsprechende Steuerung der Strom dann abgegeben werden kann, wenn er im Netz benötigt wird. Die Einspeisung gestaltet sich allerdings schwierig, weil die Stromversorgungsunternehmen ihr Geschäftsmodell dadurch gefährdet sähen, wie es Bernhardt darstellte.

Rangfolge der Stromverbraucher festgelegt

Auf den Betrieben müssen die Stromerzeugung und die -verbräuche fein austariert werden. Bernhardt stellte dies anhand des Praxispilotbetriebs in Oberbayern mit 80 Milchkühen, zwei Melkrobotern und einer PV-Anlage und anderen Beispielen dar. Die Melkroboter, die zentralen Stromverbraucher, sind prioritär zu versorgen, damit die Kühe gemolken werden.

Dahinter rangiert der elektrische Futteranschieberoboter. In der Rangfolge weiter hinten folgt der Spaltenreinigungsroboter. Die Stromversorgung der Milchkühlung ist zwar ebenso prioritär, aber über eine Eisspeicher-Milchkühltankanlage relativ flexibel. Ebenso flexibel ist das Aufladen des eHoftracs oder des eRadladers.

Das EMS soll den Energieverbrauch auf dem Betrieb an die aktuell erzeugte Energiemenge anpassen. Wie Bernhardt erläuterte, wurden zunächst die Verbrauchskurven der einzelnen Geräte gemessen, und zwar im Sekundentakt, um auch kurzfristige Verbrauchsspitzen ausfindig zu machen und um sicherzustellen, dass die Strommenge auch vorhanden ist. Das ist dann besonders wichtig, wenn ein Betrieb nur auf eigene Erzeugung zurückgreift. „Ich habe in diesem Fall nicht den Riesenpuffer des öffentlichen Stromnetzes“, sagte der Wissenschaftler.

Pufferbatterien überbrücken Verbrauchsspitzen

So komme es beispielsweise beim gleichzeitigen Anschalten der Ventilatoren im Stall innerhalb von Sekunden zu einer hohen Verbrauchsspitze. Dies kann dazu führen, dass nicht genügend Strom für andere Geräte zur Verfügung steht und diese auf Notbetrieb schalten und dass vorgeschaltete Computersteuerungen neu hochgefahren werden müssen. Abhilfe können Pufferbatterien schaffen, die beispielsweise dem AMS vorgeschaltet werden, damit der Rechner nicht ausfällt.

Um das System flexibel zu gestalten, wird eine weitere Ebene, sogenannte Aktoren, zwischen den Stromerzeugern und den Stromverbrauchern integriert. Über die Aktoren werden die Verbraucher im Stall nach bestimmten Algorithmen gesperrt oder freigegeben. In diese Aktoren sind intelligente Stromzähler (Smart Meter) integriert, die jederzeit den aktuellen Verbrauch erfassen und ein intelligentes Lastmanagement ermöglichen. Ziel ist es, eine Steuerungs- und Regellogik zu entwickeln, damit die Prozesse im Stall automatisiert laufen.

Wenn alle Maschinen mit Strom versorgt sind, können Stromspeicher gefüllt werden. Dies alles regelt das EMS. Der 138 kWh stationäre Speicher auf dem Pilotbetrieb reicht laut Bernhardt für die Verbräuche über zwei Tage. Er ist in einem Raum mit einer Wanne aufgestellt, sodass im Falle eines Brandes der Raum geflutet werden kann.

Langfristig sieht Bernhardt gute Möglichkeiten, mit Wasserstoff als Speichermedium zu arbeiten. Die Praktikabilität für den elektrischen Antrieb für Schlepper hält er für sehr begrenzt. Sie könnten höchstens die vergleichbare Leistung von 60-PS-Schleppern erbringen. „Aber auch nur mit gezogenen Bearbeitungsgeräten. Für die Hubhydraulik fehlt schon die Leistung.“

Für höhere Leistungen wie sie auch beispielsweise für Feldhäcksler nötig wären, müssten laut Bernhardt so viele Batterien getragen werden, dass die Maschine zu schwer werde. Die Energiedichte von Diesel sei nicht zu erreichen, stellte der Wissenschaftler fest.

CM – LW 11/2023