Einkaufs- und Preispoker auf Kosten der Landwirte

Mitgliederversammlung des KBV Hochtaunuskreis

Am Mittwoch der vergangenen Woche fand in Neu-Anspach die diesjährige Mitgliederversammlung des Kreisbauernverbandes Hochtaunus statt. Als Gastredner sprach Karsten Schmal, Präsident des Hessi­schen Bauernverbandes, über das Thema „Landwirtschaft: zwischen Markt, Politik und Gesellschaft.“

HBV-Präsident Karsten Schmal sprach zum Thema „Die Landwirtschaft: zwischen Markt, Politik und Gesellschaft“.

Foto: Wilhelm Figge

Vor der Mitgliederversammlung beteiligten sich die Landwirte aus dem Hochtaunuskreis an dem bundesweiten Aktionstag des Deutschen Bauernverbandes gegen die Schleuderpreise für Lebensmittel und landwirtschaft­liche Erzeugnisse. „Schwierige Zeiten sind das für uns Landwirte. Ich habe mir die Zeit nicht ausgesucht, in der ich dieses Amt des Hessischen Bauernverbandes antrete“, sagte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes Karsten Schmal bei der Mitgliederversammlung des Kreisbauernverbandes Hochtaunus.

„Noch nie habe ich in den vergangenen zwei Jahrzehnten erlebt, dass gleich in allen Bereichen gleichzeitig ein derart ruinöser Preisverfall einsetzt.“ Auf diesen hatten auch zehn Landwirte aus dem Hochtaunuskreis ein paar Stunden zuvor aufmerksam gemacht. Vor dem Aldi-Discount in Usingen verschenkten sie an Kunden einen ganzen Einkaufswagen mit Frischmilch. „Das gibt es in keiner anderen Berufssparte: wir Milchbauern stehen morgens auf und wissen, dass wir auch an dem angebrochenen Tag arbeiten und für unsere Arbeitsleistung noch draufzahlen werden“, so Christian Allendörfer über die wirtschaftliche Situation auch seines Betriebes. Für den wirtschaftlichen Betrieb seines Hofes benötige er wegen der vor einigen Jahren getätigten Investitionen in einen neuen Kuhstall einen Literpreis von deutlich über 30 Cent, erläuterte der stellvertretende Vorsitzende des Kreisbauernverbandes. „Wir bekommen derzeit aber nur 26 Cent“, sagte Allendörfer.

Auch in Bad Homburg habe jüngst wieder ein Milchbauer mit 65 Kühen aufgehört. Im benachbarten Landkreis Limburg-Weilburg seien es fünf Berufskollegen, welche die „Reißleine ziehen“ mussten und aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben.

Das Dilemma habe nichts mit der Lösung der EU-Milchquote vor einem Jahr zu tun. Diese beschleunige aber die Entwicklung. „Grund für den unsäglichen Preisverfall ist der Preisdruck den die Discounter untereinander erzeugen“, sagte Allendörfer. „Das kann doch nicht sein, dass der Kunde für einen Liter Wasser heute mehr bezahlt, als für einen Liter Milch.“

So fanden bei der Versammlung des KBV intensive Gespräche mit den Milchbauern in der Taunusregion statt. Auch die Usingens Ortslandwirtin Miriam Preiß und Eschbachs Ortslandwirt Hansjörg Scheidler, der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes, Georg Kopp aus Ober-Erlenbach, sowie weitere Landwirte berichteten über die schwierige Lage auf den Betrieben. Dass man einen Aldi-Markt für die Protestaktion ausgesucht hatte, fanden aber nicht alle der am Abend der Mitgliederversammlung anwesenden Landwirte gut. Vor dem Hintergrund der kürzlich per Ministererlass genehmigten Ãœbernahme der Tengelmann-Filialen, sei ein Edeka-Markt stimmiger gewesen. Ich verstehe nicht, dass wir die Aktion nicht vor einem Edeka-Markt gemacht haben“, kritisierte Frank Hammen. Landwirt Karl-Heinz Jacob sagte „ohne Aldi könnten viele Molkereien gar nicht mehr existieren“.

„Edeka fährt einen knallharten Kurs“

Damit lagen die Beiden auf einer Linie mit dem Hessischen Bauernpräsidenten. „Wofür brauchen wir eigentlich ein Kartellamt, wenn das zuvor von der Behörde ausgesprochene Verbot eines Zusammenschlusses von Edeka und Tengelmann durch Sigmar Gabriel umgangen wird“, fragte der Schmal vor dem jüngst per Ministererlass genehmigten Kaufs der Tengelmann-Filiale durch Edeka. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Landwirte.“

Selbst im Vergleich zu den oft gescholtenen Lebensmittel-Discountern praktiziere Edeka einen extremen Einkaufs- und Preispoker. „Da saß mir der bislang härteste Brocken gegenüber“, berichtete Schal. „Edeka fährt einen knallharten Kurs. Er war zu keinem Moment für die Tatsache empfänglich, dass die Daumenschrauben bei den Erzeugern gar nicht mehr weiter angezogen werden können.“ Wenn das Preisdiktat nicht ende, werde man sich in Deutschland plötzlich die Augen reiben und fragen, wo die landwirtschaftlichen Betriebe geblieben seien.

Hälfte der Milchviehbetriebe ist gefährdet

Wenn der ruinö­se Preisverfall noch länger andauert, ist nach Einschätzung Schmals die Existenz der Hälfte der hessischen Milchviehbetriebe gefährdet. „Der Lebensmittelhandel gönnt den regionalen Bauern nichts, obwohl sie in ihren Kühlregalen besonders auf regionale Produkte hinweisen.“

„Die aktuellen Lebensmittelpreise sind tatsächlich nicht gesund“, sagte auch Landtagsabgeordneter Holger Bellino. „Viele machen sich mehr Gedanken über das Öl, das sie ins Auto kippen, als über das Öl fürs Essen.“

Vorstandsmitglieder im Amt bestätigt

Bei der Mitgliederversammlung wurden die Vorstandsmitglieder Bernd Bierwirtz aus Grävenwiesbach und Martin Trapp aus Oberursel im Amt bestätigt. Die früheren Vorsitzenden Hans-Georg Wagner (Bad Hom­burg) und Rainer Launhardt (Hundstadt) ließen sich als Kassenprüfer wählen.

Matthias Pieren – LW 13/2016