Eiweißlücke auf Greening-Flächen schließen

Vortragstagung des LLH zum Leguminosenanbau

Die Veranstaltung mit dem Themenschwerpunkt „Die Eiweißlücke schließen – heimischer Anbau von Leguminosen“ am 21. Februar am Lehr- und Versuchsbetrieb des LLH Eichhof in Bad Hersfeld beschäftigte sich mit den Chancen und Grenzen des Leguminosenanbaus in Hessen. Vor allem die Sojabohne stand im Mittelpunkt des Interesses.

„Soja sollte auf sieben Prozent unserer landwirtschaftlichen Nutzfläche möglich sein“, sagte Andreas Sandhäger, Direktor des LLH, in seiner Begrüßungsansprache. Um dem Anbau von Leguminosen zu einer Renaissance zu verhelfen, seien sowohl konventionelle als auch Bio-Betriebe gefordert.

Eine Zunahme der Eiweiß-Eigenversorgung in der EU forderte auch der Hessische Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium Mark Weinmeister. Erbsen, Ackerbohnen, Lupinen und Soja machten zwar aus vielen Überlegungen heraus Sinn, entscheidend für die Betriebe sei aber die Wirtschaftlichkeit. Er fordere deshalb, den Anbau auf Greening-Flächen zuzulassen, weil dies auch ökologische Vorteile biete.

Auch um weiterhin gentechnikfreie Futtermittel in ausreichendem Maße zur Verfügung zu haben, wolle das Land Hessen den Anbau von Eiweißpflanzen über die zweite Säule fördern. Derzeit würden EU-weit nur noch auf rund 3 Prozent der Flächen Eiweißpflanzen angebaut, in Westdeutschland sogar nur auf einem Prozent.

Bundesministerium verfolgt Eiweißpflanzen-Strategie

Dr. Annegret Groß-Spangenberg von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erläuterte die Eiweißpflanzen-Strategie der Bundesregierung. Demnach sind Leguminosen ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Landwirtschaft und leisten einen besonderen Beitrag für eine umweltgerechte und ressourcenschonende Landbewirtschaftung. Ziel der Strategie sei, den seit Jahren sinkenden Leguminosenanbau in Deutschland wieder zu etablieren. Dabei gelte es, Wettbewerbsnachteile zu vermindern, Forschungslücken zu schließen und erforderliche Maßnahmen zur Umsetzung in die Praxis durchzuführen.

Dr. Annegret Groß-Spangenberg erläuterte die Eiweißpflanzen-Strategie der Bundesregierung.

Foto: Becker

„Weit über die Hälfte des Eiweißes wird nach Deutschland importiert“, so Prof. Jürgen Heß.

Foto: Becker

Uwe Brede berichtete von seinen Erfahrungen mit dem Anbau von Eiweißpflanzen.

Foto: Becker

Hierzu sollen Demonstrationsnetzwerke für Sojabohnen und Lupinen eingerichtet und eng mit Forschungs- und Entwicklungsvorhaben verzahnt werden. Im Fokus stünden sowohl der konventionelle als auch der ökologische Anbau.

Im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) würde beispielsweise der Anbau von jährlich mindestens fünf verschiedenen Hauptfruchtarten, davon mindestens eine mit 5 oder 10 Prozent Leguminosen beziehungsweise Leguminosengemenge, gefördert.

Groß-Spangenberg gab auch zu bedenken, dass Kenntnisse zur Produktionstechnik sowie zur Verarbeitung und Verwendung erhalten werden müssten, um in Zukunft bei veränderten Rahmenbedingungen den Anbau wieder hochzufahren.

„Jeder von uns hat 200 m2 Sojafläche in Brasilien“

Auf die Auswirkungen des Importes von Eiweißpflanzen aus Ãœbersee ging Prof. Jürgen Heß von der Universität Kassel ein. „Weit über die Hälfte des Eiweißes wird nach Deutschland importiert, vor allem in Form von Sojaschrot aus Brasilien, Argentinien und den USA. Das hat Auswirkungen auf die Produktionsländer und auch auf die Landwirtschaft bei uns“, führte Heß aus. Und: „Jeder von uns hat 200 m2 Sojafläche in Brasilien.“

Zwar betrage der Flächenanteil der Sojabohne weltweit nur rund 7 Prozent, in den Hauptanbauländern aber teilweise über 50 Prozent der Anbaufläche. In Argentinien zum Beispiel rund 70 Prozent. Der Anbau dort könne schon rein wegen der einseitigen Fruchtfolge, aber auch wegen des intensiven Einsatzes von Glyphosat, gentechnisch veränderter Sorten und der Verdrängung ursprünglicher Bevölkerungsgruppen nicht als nachhaltig bezeichnet werden.

„Diese Länder exportieren Nährstoffe, sind aber andererseits auf Düngemittelimporte angewiesen. Vor allem bei Phosphor beschleunigt dies den Verbrauch der endlichen Ressourcen. Argentinien exportiert mit Agrarprodukten beispielsweise 16 mal so viel Phosphor wie in Deutschland gedüngt wird“, so Heß.

Ökosystemleistungen stärker berücksichtigen

Bei uns führe der enorme Import zum Rückgang des heimischen Leguminosenanbaus und einer „kontinentalen Eutrophierung“, einhergehend mit einem überhöhten Selbstversorgungsgrad an Schweine- und Geflügelfleisch. Die Ökosystemleistungen der Leguminosen würden außerdem quasi exportiert, ohne in den Erzeugerländern eine positive Wirkung zu entfalten, weil dort der Anbau nicht nachhaltig betrieben werde.

„Um den Anbau von Erbsen, Ackerbohnen oder auch Soja bei uns zu etablieren, müssten die Ökosystemleis­tungen der Leguminosen stärker in der Deckungsbeitragsrechnung berücksichtigt werden“, forderte Heß. Positive Wirkungen auf Boden, biologische Vielfalt, Klimaschutz oder Vorfruchtwert seien nur schwer zu quantifizieren und zu honorieren. Auch er sprach sich für den Anbau von Leguminosen auf Greening-Flächen, aber auch auf Flächen, die zur Energieerzeugung genutzt werden, aus und regte eine Beimischungsquote für Futtermischwerke an; außerdem sollten Forschung und Züchtung intensiviert werden.

Körnerleguminosen haben noch viel Potenzial

„Wir brauchen Vielfalt auf dem Acker – auch bei Leguminosen“, sagte Dr. Klaus-Petre Wilbois, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Daher solle man Soja nicht einseitig fördern, sondern alle zur Verfügung stehenden Eiweißpflanzen wie beispielsweise auch Raps einbeziehen. So könnte zum Beispiel der theoretische Flächenbedarf für Leguminosen reduziert werden, wenn Rapsschrot konsequent genutzt werde.

Für den Ausbau der Sojafläche in wärmeren Lagen sprächen die Preisentwicklung der letzten Jahre, die Importproblematik (GVO, Glyphosat), der hohe Eiweißgehalt und die günstige Zusammensetzung der Aminosäuren für die Fütterung. An weniger güns­tigen Standorten seien Ackerbohnen eine lohnende Alternative.

Um den Anbau effektiver zu machen, werde derzeit intensiv geforscht, beispielsweise zu kältetoleranten Sorten, zur Unkrautunterdrückung, zum Anbau in Dämmen oder zur Nutzung von Soja als Zweitkultur – etwa nach Grünroggen.

Genossenschaftliche Ökosaatzucht gegründet

Mit Uwe Brede, Hessische Staatsdomäne. Niederbeisheim, kam ein Praktiker zu Wort. Der Leiter eines Bioland-Hofes hatte infolge der Nitrofenproblematik angefangen, komplett auf Futter-Selbstversorgung umzustellen. „Es war anfangs nicht einfach, Alternativen für unsere Legehennen zu finden. Verschiedene Presskuchen aus Sonnenblumen oder auch Sesam haben uns zunächst sehr geholfen“, führte der Landwirt aus.

Da Sojabohnen in der rauen Knüll-Region nicht in Betracht kamen, wurde versucht, die Eiweißlücke mittels Ackerbohnen, Lupinen Erbsen und Wicken zu schließen. Kleegras war im Öko-Betrieb ohnehin im Anbau. Da aber kaum speziell an die Bedürfnisse des Ökoanbaus abgepasste Sorten angeboten wurden, gründete Brede die Bäuerliche Ökosaatzucht e.G. (BÖZ EG). Diese auch für Verbraucher offene Genossenschaft betreibt unabhängige Züchtung und Vermehrung samenfester Sorten.

Die Leguminosensamen der Domäne werden zur Fütterung gequetscht (Ackerbohnen) oder grob geschrotet (Erbsen, Wicken, Lupinen) und windgesichtet. Dadurch steigt der Proteingehalt beispielsweise bei Bohnen von 24 auf 36 Prozent und die Schalen können an Wiederkäuer verfüttert werden.

Brede zeigte sich mit den Ergebnissen für seinen Betrieb zufrieden: „ Die Legeleistungen unserer Hennen ist konstant geblieben, wir können komplett Biofutter verwenden und das Protein ist günstiger als Sojapresskuchen. Außerdem steigt die Glaubwürdigkeit bei unseren Kunden.“ Nachteilig seien der höhere Arbeitsaufwand und der zusätzliche Flächenbedarf. Von der Politik wünscht er sich unter anderem den Erhalt des Züchterprivilegs und des deutschen Saatgutrechtes; Patente auf Sorten, Pflanzgut oder Zuchtmaterial dürfe es europaweit nicht geben.

Soja ist nicht ohne Grund ein Standard-Futtermittel

Ãœber die Möglichkeiten, Soja durch heimische Leguminosen zu ersetzen, referierte Prof. Gerhard Bellof von der Hochschule Weihenstephan. Er zeigte, dass Sojaextraktionsschrot deshalb so geschätzt werde, weil es klar definiert und universell einsetzbar sei. „Daran müssen sich die Alternativen orientieren. Heimische Leguminosen sind dagegen sehr vielfältig.“

Bellof zeigte, dass Sojaextraktionsschrot vor allem im Rohproteingehalt deutlich überlegen ist; zusätzlich seien die essenziellen Aminosäuren besser verdaulich. Dennoch könnten Ackerbohnen und Erbsen unter Beachtung der Einsatzempfehlungen den Soja-Anteil im Kraftfutter durchaus ersetzen. Bei wachsenden Schweinen und laktierenden Sauen sei allerdings der Methionin-Gehalt ein begrenzender Faktor.

KB – LW 10/2013