Erfolgreich Zuckerrüben anbauen – trotz Klimawandel

Forum „Zukunft Zuckerrübe“ in Worms

Das Projekt „Zukunft Zuckerrübe“ der Stiftung Südwestdeutscher Zuckerrübenanbau unterstützt seit vier Jahren junge Forscher in ihrer Arbeit zum Thema Zuckerrübenanbau. Auf einer Forumsveranstaltung in Worms wurden letzte Woche praxisnahe Ergebnisse vorgestellt.

Erhard Kunz, Vorsitzender der Vereinigung der Zuckerrübenanbauer, ernannte vier Personen zu Ehrensenatoren der Stiftung: Die Landtagsabgeordneten Christine Schneider und Jens Guth (rechts) sowie seinen Amtsvorgänger und ehemaligen Stiftungsvorsitzenden Bernd Bohlender.

Foto: Becker

Der Verbandsvorsitzende Walter Manz erläuterte das Projekt „Zukunft Zuckerrübe“, dessen Früchte in Worms präsentiert werden sollten: 2004 haben der Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer und die Vereinigung der Zuckerrübenanbauer die Stiftung Südwestdeutscher Zuckerrübenanbau gegründet. Diese hat vor vier Jahren das Projekt „Zukunft Zuckerrübe“ ins Leben gerufen, um zusammen mit dem Land Rheinland-Pfalz Wissenschaft und Forschung rund um die Zuckerrübe zu fördern. Junge Projektforscherinnen und -forscher haben seitdem verschiedene Fragen zum praktischen Zuckerrübenanbau untersucht, „und tatsächlich haben die bisher durch das Projekt gesetzten Impulse zu einer nie dagewesenen Ertrags- und Qualitätsstabilisierung geführt“, sagte Manz. „Dies hat es uns ermöglicht, auch unter den erschwerten Bedingungen der Zuckermarktordnungsreform weiter erfolgreich zu sein. Jetzt stehe man vor der ersten Kampagne ohne Zuckerquote und Mindestpreis, und auch die pflanzenbaulichen Anforderungen änderten sich stetig. Vor diesem Hintergrund könne man sich Stillstand nicht leisten, betonte der Vorsitzende. Im Pflanzenschutz seien sogar Rückschritte zu befürchten. Manz warb bei allen anwesenden Politikern sich dagegen zu wenden.

Wissing: Branche ist fit für die Zukunft

Der rheinland-pfälzische Landwirtschaftsminister Dr. Volker Wissing trat in seinem Impulsreferat für den Erhalt der Direktzahlungen, höhere Budgets für Agrarforschung sowie den Abbau von Bürokratie ein. „Die Zuckerrüben-­Produktion in Rheinland-Pfalz ist fit für die Zukunft. Die Branche steht gut da und wird auch die Zeit nach der Europäischen Zuckermarktordnung meistern“, so seine Einschätzung. „Ich werde die Branche nach Kräften unterstützen und mich bei der Neuordnung der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Belange unserer Landwirte einsetzen“, sagte Wissing der Branche zu. Die Landwirtschaft stelle einen besonderen Wirtschaftszweig dar, der durch seine vielfältigen Leistungen unverzichtbar und damit besonders zu unterstützen sei. Der Minister sprach sich für wissensbasierte und nicht vom „Bauchgefühl“ geleitete Entscheidungsprozesse aus – auch und besonders bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln.

Entscheidungen müssen wissensbasiert gefällt werden

Landwirtschaftsminister Dr. Volker Wissing sprach sich für wissensbasierte und nicht vom Bauchgefühl geleitete Entscheidungsprozesse aus.

Die möglichen Auswirkungen der gefahrenbasierten Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf den Anbau von Zuckerrüben untersuchte Dr. Johann Maier vom Kuratorium für Versuchswesen und Beratung im Zuckerrübenanbau. Seit Einführung der Cut-Off-Kriterien bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln würden immer mehr Wirkstoffe aufgrund einer potenziellen Gefährdung und nicht aufgrundtatsächlicher Gefahren bei der praktischen Anwendung beurteilt. „Autofahren oder das Fliegen wären unter diesen Kriterien nicht zulassungsfähig“, verdeutlichte Maier. Ebenso problematisch sei das Substitutionsprinzip, das ein Nebeneinander verschiedener Wirkstoffe mit dem gleichen Ziel stark einschränke. Diese Verkleinerung des Spektrums fördere Resistenzen. Dass Entscheidungen auch auf EU-Ebene unter populistischen Aspekten gefällt würden, zeige das Verbot von Neonicotinoiden oder auch die Diskussion um Glyphosat. Maier: „Man kann mit moderner Analysetechnik fast alles nachweisen. Als beispielsweise Glyphosatrückstände in Muttermilch gefunden wurden, war die Aufregung groß, aber die tatsächliche Gefahr vernachlässigbar. Ein vier Kilo schwerer Säugling hätte täglich 2 778 Liter Muttermilch trinken müssen, um den strengen Grenzwert zu überschreiten.“

Zuckerrüben und Greening

Marie-Christin Mayer vom Hessischen Bauernverband erläuterte, wie das Greening in Zuckerrübenfruchtfolgen mittels Zwischenfruchtanbau umgesetzt werden kann. Als begrenzende Faktoren beschrieb sie ein unsicheres Abfrierverhalten der verwendeten Zwischenfrüchte und den dadurch bedingten Glyphosateinsatz, den eventuell steigenden Nematodendruck, und dass die Bodenbearbeitung im Frühjahr durch viel Biomasse bei entsprechend ungünstiger Witterung schwierig werden könne. Dennoch stellte Mayer fest: Rübe und Zwischenfrucht – das geht, und zwar wenn der Zwischenfruchtanbau an die Fruchtfolge und die Bodenbearbeitung an den Zwischenfruchtbestand angepasst werden. Ebenso seien Standort und Witterungsbedingungen zu berücksichtigen und die Arten in der Mischung. Fazit: „Der Zwischenfruchtanbau muss gut geplant und darf nicht als Nebensache behandelt werden.“

Klimawandel: Rüben eine Woche früher gesät

Drei der vom Vorsitzenden Manz angekündigten Jungforscher stellten ihre Ergebnisse zum Klimawandel vor: Dr. Pascal Kremer, Ina Hanisch und Jonas Fischer kamen anhand der Auswertung und Prognose von Klimadaten hinsichtlich einzelner Wetterphänomene zu folgenden Aussagen: Bei Hagel, Sturm, Wind, Dauer- und Starkregen sind keine wesentlichen Veränderungen zu erwarten. Nässe und Spätfröste werden seltener auftreten, Hochwasser, Dürren und Temperaturextreme dagegen häufiger. „Der Klimawandel ist Fakt; der CO2-Gehalt in der Atmosphäre wurde seit Beginn der Industrialisierung fast verdoppelt. Der Rübenanbau in Deutschland hat darauf bereits reagiert, und die Aussaat erfolgt im Vergleich zum Jahr 1970 um 7,7 Tage früher“, machte Kremer deutlich. Jonas Fischer konnte beim Schädlingsauftreten feststellen, dass die Rübennematoden immer öfter vier Generation in einem Jahr hervorbringen, früher seien es meistens nur drei gewesen. Ina Hanisch wies mit Blick auf die nicht veränderten Zahlen bei Extremwetterereignissen wie Hagel oder Sturm darauf hin, dass deren Erfassung schwierig sei. „Solche Ereignisse sind naturgemäß sehr kleinräumig und müssen, um registriert zu werden, schon zufällig genau eine Wetterstation treffen.“

Konzentration um Zuckerfabriken

Ebenfalls im Rahmen des Projektes „Zukunft Zuckerrübe“ untersuchten Stephanie Kehm und Mareike Schwind, wie man Rübennematoden sicher auffinden kann, um Schadursachen auf den Grund zu gehen. „Rübenzystennematoden können bis zu 30 Prozent Ertrag kosten“, schickte Stephanie Kehm ihren Ausführungen voran. Durch die geringere Anzahl der Zuckerfabriken, habe sich der Anbau in deren Nähe konzentriert; dies trage zur Verschärfung des Nematodenproblems bei. Denn in Deutschland seien keine Nematizide zugelassen und die Einhaltung weiter Fruchtfolgen in Verbindung mit nematodenresistenten Zwischenfrüchten und Zuckerrübensorten wichtige Parameter im Nematoden-Management. Um diese nachzuweisen, gebe es zwei Methoden, die in ihrer Aussagefähigkeit miteinander verglichen wurden. Es habe sich gezeigt, dass die Zystenquetsch- und die Schlupftestmethode nahezu gleiche Ergebnisse lieferten und zur Befallsbestimmung geeignet seien.

Nematoden durch Sortenwahl reduzieren

Mareike Schwind hatte festgestellt, dass die Nematoden-Besatzdichten im Feld von Quadratmeter zu Quadratmeter sehr stark schwanken und dass die Rüben in der Fruchtfolge den Befall extrem stark erhöhen. Sie empfahl daher, bei Verdacht auf resistente oder tolerante Sorten zu setzen, um die Nachhaltigkeit des Zuckerrüben-Anbaus zu gewährleisten. Auch Marie Reuther beschäftigt sich im Rahmen des Projektes „Zukunft Zuckerrübe“ mit dem Nematoden-Management durch tolerante Sorten. Sie verglich anfällige, tolerante und resistente Zuckerrübensorten hinsichtlich Wachstum und Parasitenabwehr. „Wir wissen heute noch nicht, worauf die Toleranz gegenüber Nematoden eigentlich beruht. Wir konnten feststellen, dass sich an toleranten und auch resistenten Rübensorten weniger Weibchen entwickeln, wobei der Ernährungszustand der Schädlinge darüber entscheidet, ob sie sich zu Männchen oder Weibchen entwickeln – unter guten Voraussetzungen entstehen vor allem weibliche Nematoden.“

Blühstreifen verbessern die Nachhaltigkeit

Dorian Depué, Klimaschutzmanager der Verbandsgemeinde Gau-Algesheim, sprach zur Nachhaltigkeit des Zuckerrübenanbaus. Hinsichtlich der Biodiversität gebe es durchaus Verbesserungspotenzial. Blühstreifen, die seit einigen Jahren durch die Südzucker AG gefördert werden, seien einerseits ökologisch wertvoll, da sie für Insekten und Niederwild ein Habitat darstellten. „Sie haben aber auch positive ökonomische und soziale Effekte und erfüllen damit die drei Bedingungen von echter Nachhaltigkeit“, so Depué. Die soziale Komponente bestehe in der Bereicherung des Landschaftsbilds und der Erhöhung des Naherholungswertes landwirtschaftlich genutzter Gebiete. Weiterhin seien Blühstreifen Botschafter einer nachhaltigen Landwirtschaft, die zu den Menschen mit geringem landwirtschaftlichem Bezug eine Brücke bauen sollen. Durch öffentliche Förderprogramme haben sie darüber hinaus für die Landwirte auch eine ökonomische Relevanz erhalten, erläuterte Depué. Besonders auf den ohnehin eher ertragsarmen Randstreifen, an Böschungen, Hecken oder in schlecht zu bearbeitenden Eckstrukturen seien Blühstreifen besonders ökologisch und ökonomisch.

Schutz aus der Pille ist jetzt aufgebraucht

Zur aktuellen Pflanzenschutzsituation auf den Rübenäckern informierte abschließend Axel Siekmann, ARGE Zuckerrübe Südwest. „Wir befinden uns jetzt im Kontrollfenster für Schädlinge und Blattkrankheiten, denn ab dem Reihenschluss endet die Schutzwirkung der Neonicotinoide aus der Rübenpille.“ Zusammengefasst gab der Berater folgende Hinweise:

  • Die Gesunderhaltung des Blattapparates erhält das Ertragspotenzial;
  • Behandlungen sind direkt bei Er­reichen der Bekämpfungsschwelle durchzuführen;
  • Strobilurine gehören in die erste Behandlungsmaßnahme;
  • Azole sollten immer mit voller Aufwandmenge eingesetzt werden;
  • Der Behandlungstermin ist an die Witterung anzupassen.
KB – LW 27/2017