Ernte ist drei Wochen später

FLV-Aussprache über Versuche und Fragen des Landbaues

Die Ergebnisse der Sorten- und Anbauversuche des Frankfurter Landwirtschaftlichen Vereins (FLV) und des Versuchsfeldes Nieder Weisel der LLH-Beratungsstelle Friedberg bildeten die Grundlage für die Diskussion von Landbau-, Sorten- und Vermarktungsfragen beim Ausspracheabend, zu dem Vorsitzender Karlheinz Gritsch rund 90 Praktiker und Berater begrüßte.

FLV-Versuchsleiter Hans Kellner bei Darstellung der Ergebnisse. Vorn Mitte FLV-Vor­­standsmitglied Dr. Matthias Mehl, der die Diskussion leitete.

Foto: Jörg Rühlemann

Gritsch sagte, dass das ver­gangene Jahr ein „nicht einfaches Vegetationsjahr gewesen“ sei. Dennoch habe es gute Erträge bei teils überraschenden Versuchsergebnissen und zufrieden stellende Inhaltswerte gegeben. Versuchsleiter Hans Kellner sagte, Winterweizen sei wegen der extremen Frühjahrstrockenheit zwei Wochen im Vegetationsstand früher gewesen und doch hätte sich der Erntetermin nach der Abreife um drei Wochen verzögert.

Sortenergebnisse beim Raps

Auch bei den Rapsversuchen hätte sich der Drusch erheblich verzögert. Doch hätte dies den Vorteil gehabt, dass alle Schoten ausgereift seien und sie Dank der Blütenbehandlung elastisch genug waren, um vorzeitige Körnerverluste zu vermeiden. So hätten sich „überraschende Riesenerträge“ der 25 verglichenen Rapssorten von durchschnittlich 59,5 und teils bis zu fast 64 dt/ha bei hohem Ölgehalt ergeben. Gezeigt habe sich wieder, dass im Herbst verhalten Stickstoff gegeben werden sollte, damit der Raps nicht zu üppig in den Winter geht. Außer Frage stünde, dass die Fungizidbehandlung im Herbst mit Insektiziden kombiniert werden sollte. Auch die Schneckenbehandlung sei wichtig, da „Rapsschädlinge oft höhere Schäden verursachen als Krankheiten“.

Getreide habe auf den strengen und schneereichen Winter mit totaler Vegetationsruhe reagiert. Im Frühjahr hätten sich dann die Versuchsbestände bei Wintergerste gleichmäßiger als beim Weizen präsentiert. Krankheiten seien kaum festzustellen gewesen, was verminderte Aufwandsmengen bei den Behandlungen veranlasste. Die fungizidbehandelten Wintergerstenversuche brachten nur 5 Prozent Mehrertrag bei den zehn mehrzeiligen Gerstensorten – 84,1 gegenüber 80,4 dt/ha – und 4 Prozent Mehrertrag bei den neun zweizeiligen Sorten – 78,2 gegenüber 75,3 dt/ha. So seien zumindest die Behandlungskosten gedeckt. Spitzenertrag brachte bei den Mehrzeiligen mit 94,1 dt Souleyka – die neue viel versprechende Kathleen fiel mit 75,2 dt deutlich ab - , bei den Zweizeiligen lagen Firenzza, Sandra, die neue Cassia und Jade vorn.

Fallzahlen als Auswahlkriterium

Bei den 25 verglichenen Weizensorten enttäuschten die Erträge: Gegenüber dem Vorjahr waren es beim Stoppelweizen rund 15 dt/ha weniger, so bei den A-Sorten 83,0 dt und bei den B-Sorten 84,3 dt. Der neue B-Weizen Edgar sei mit 91,1 dt/ha wieder positiv aufgefallen, während der neue Linus und ebenso Matrix mit der Fallzahl 63 und 82 „im Keller“ gewesen seien. Generell sollten bei den B-Weizen künftig die Fallzahlen als Auswahlkriterien stärker berücksichtigt werden. Als Rapsweizen, so Kellner weiter, hätten einige „alte“ A-Sorten wie Asano, Türkis oder Pamier gezeigt, dass sie „noch nicht abgeschrieben sind“. Da es kaum gute neue Sorten gäbe riet er, bei den bewährten Sorten zu bleiben. Unter den B-Sorten fiel der ertragsstarke Primus auf, die neuen Kredo und Global seien zu beachten. So ließen die vereinseigenen Sorten- und Anbauversuche für das Vereinsgebiet folgende Sortenempfehlungen zu:

  • E-Weizen: Akteur, Kerubino, Event
  • A-Weizen: Asano, Potenzial, Meister, Cubus, Türkis, Julius
  • B-Weizen: Primus, Premio, Matrix, Manager, Mulan, Mercato
  • Zum Testen werden aus dem B-Bereich Edgar, Global und Kredo empfohlen.

Keine gesicherten Unterschie­de brachte der FLV-Saatstärkeversuch mit je einer A- und B-Weizensorte. So bleibe es bei der Empfehlung von 250 Körnern je Quadratmeter als Saatstärke. Erhebliche Unterschiede brachte der Cultan-Düngeversuch in Winterweizen.

Friedberger Empfehlungen

Die Ergebnisse des Versuchsfeldes Butzbach-Nieder Weisel der LLH-Beratungsstelle Friedberg stellte Pflanzenbauberater Rainer Cloos vor. Die Erträge mit und ohne Fungizidbehandlung sind dabei ebenso eingehend vorgestellt worden, wie beim Weizen die Qualitätskriterien Protein, Kleber und Fallzahl. Für Marktfruchtbaubetriebe in günstigen Lagen können aus den mehrjährig geprüften mehrzeiligen Wintergerstensorten Suleyka, Christelle, Leibniz, Semper und Zzoom sowie für mit den Gelbmosaikvirustypen 1 und 2 befallene Lagen Kathleen und Nerz empfohlen werden. Als zweizeilige Wintergersten werden Sandra, Campanile und Canberra empfohlen, letztere, obwohl sie 2011 ertraglich etwas abfiel.

Bei Winterweizen lauten die Friedberger Sortenempfehlungen für günstige Lagen:

  • E-Weizen: Akteur, Event, Kadrij
  • A-Weizen: Potenzial, Kerubino ( E ), Asano, Julius, Pamier, Cubus
  • B-Weizen: Manager, Mulan, Kredo, Mercato, Premio, Primus
  • C-Weizen: Smaragd, Winnetou Stoppelweizen: Manager, Mercato, Mulan, Asano, Hystar, Primus, Premio, Gobal, Profilus
  • bei Fusariumsbefall: Pamier, Impression, Esket, Mercato, Toras, Skalmeje.

Welche Perspektiven am Markt?

„ Auch für die Mühlen ist diese Ernte eine große Herausforderung. Die Wetterereignisse machten vielerorts die Ernte nur schwer einschätzbar.“ Mit dieser Feststellung begann Karl-Heinz Schober, Hildebrandmühlen Frankfurt am Main, Ausführungen über die Ernte 2011 und die Perspektiven für den Markt. Wenn auch anfangs Weizen und Roggen gesund und trocken und in bester Qualität, aber mit schlech­ten Erträgen eingebracht wurden, so sei die Ernte im weiteren Verlauf nur schleppend vorangekommen. Die Verzögerun­gen brachten zurückgegangene Fallzahlen und eher mittelmäßige Proteingehalte. Die Fallzahlen liegen – je nach dem, ob die Ernte vor oder nach dem „großen Regen“ – sehr weit auseinander: Sie streuen zwischen 435 und 62 Sekunden beim Weizen und 320 und 62 Sekunden beim Roggen.

„Es bleibt ein spannendes Jahr"

Aus einer schwierigen Ernte heraus gutes Mehl zu mahlen, sei eine Herausforderung, der sich die Hildebrandmühle auch in den vergangenen Jahren erfolgreich stellen konnte. Zur Zeit könne man „ein allseits verträgliches Preisniveau von über 200 Euro je Tonne feststellen“. In den kommenden Monaten werde die Preisentwicklung unübersichtlich und stark schwankend bleiben, weil sich der Markt nach Qualitäten und Verfügbarkeiten neu ausrichten könnte. Spannend bleibe auch die Frage, wie Importe und Exporte sowie die Währungsverhältnisse – zu betonen sei hierbei die Eurostärke - die Marktentwicklung beeinflussen. Große Unbekannte seien auch die vermutlich großen Erntemengen in Osteuropa. Erkennbar ist bereits die Bereitschaft, sich am Weltmarkt verloren gegangene Marktanteile durch Exporte zurückzuholen. Rühlemann