Erntedank mit Freude und Zuversicht feiern

Grußwort des HBV-Präsidenten Friedhelm Schneider

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Liebe Bäuerinnen und Bauern, liebe Landjugend, sehr geehrte Damen und Herren,

die Gottesdienste in den evangelischen und katholischen Kirchen unseres Landes werden an diesem Sonntag mit einem Erntedankfest feierlich begangen. Der erste Oktobersonntag, beziehungsweise der Sonntag nach Michaeli, gelten beiden Kirchen als das Fest, an dem die Ernte symbolisch als Gabe zum Altar gebracht wird, als Dank an die Schöpfung für die Früchte der Natur, als Dank für Nahrung bis zur kommenden Ernte, aus Respekt vor der unendlichen Kraft der Natur, die uns Menschen mit der Ernte eines Jahres beschenkt.

Die Natur gibt, und die Natur nimmt

HBV-Präsident Friedhelm Schneider.

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Gerade in diesem Jahr mussten wir in Hessen aber auch erleben, dass Natur mit Kraft nehmen kann, nämlich mit der Kraft scharfer Fröste. Viele von uns haben um die Wintergetreide- und Rapsbestände gebangt. Viele von uns mussten erkennen, dass es besser ist, umzubrechen und neu anzusäen. Viele von uns haben in dem Bemühen, zu retten, was zu retten ist, vielleicht eine falsche Entscheidung getroffen. Und dennoch ist es einigermaßen gut gegangen. Wir konnten eine Ernte einfahren, die zwar in der Menge bescheiden wirkt, mit der sich aber doch alles in allem leben lässt.

Es sind diese Abhängigkeiten von den Witterungsverläufen, mit denen wir Bauern heute wie unzählige Generationen vor uns leben müssen. Unsere größten und besten Maschinen müssen in der Halle bleiben, wenn der Ackerboden sie vor lauter Nässe nicht tragen kann. Unser bestes Saatgut taugt nichts, wenn die Winterfestigkeit der Sorten nicht ausreicht. Unsere beste Düngung und unser bester Pflanzenschutz taugt wenig, wenn wir es mit neuen, bisher unbekannten Pflanzenkrankheiten zu tun haben.

Wir Bauern haben Vieles in unserem täglichen Wirtschaften nicht in der Hand – Wetter und Klima gehören dazu. Vieles liegt in einer Hand, die wir nicht sehen können, die wir nicht ergreifen können, von der wir aber wissen und fühlen, dass sie da ist.

Während wir Gaben als Dank zum Altar bringen können, fehlt vielen Menschen weltweit der Zugang zu ausreichendem und ausgewogenem Essen. Was ist unser Erntedank schon wert angesichts einer vielfach anzutreffenden Verschwendung und Missachtung von Lebensmitteln? Dürfen wir potenzielle Nahrungsmittel als Treibstoff verwenden, solange es Menschen auf der Welt gibt, die sich ihre tägliche Nahrung nicht kaufen können? Dürfen wir Erntedank feiern, während Menschen andernorts an Hunger sterben? Ist Erntedank ein gerechtes Fest angesichts der globalen Missverhältnisse der Nahrungsmittelverteilung? Fragen, die derzeit öffentlich und sehr kontrovers diskutiert werden.

Herausforderungen der Zukunft

Ich sage, wir Bauern dürfen Erntedank feiern, und zwar mit Freude, mit Zuversicht und mit Stolz. Mit Freude, weil unsere Ernte in diesem Jahr dann doch besser war, als wir alle ursprünglich angenommen hatten. Mit Zuversicht, weil wir Bauern uns den Heraus-forderungen der Zukunft, nämlich der Sicherstellung von Ernährung, Energieversorgung und Ressourcenschutz stellen wollen und stellen können. Mit Stolz, weil wir wissen, dass wir gute Arbeit leisten.

Erntedank ist kirchliches und weltliches Fest. Erntedank kann aber auch innere Besinnung und Begegnung bedeuten. Besinnung auf das, was wir Bauern tun, mit welcher Motivation wir es tun und mit welchem Erfolg, und Erntedank kann auch die Begegnung mit Berufskollegen und Menschen, die uns in unserer alltäglichen Arbeit nahestehen, bedeuten. Ich verbinde den Erntedank mit dem Dank an all jene, die uns im Laufe des Jahres mit Rat und Tat zur Seite standen, die uns Bäuerinnen und Bauern bei unserer Arbeit unterstützt haben und die uns verständnisvoll begleitet haben. Vergelts Gott.

Ihr Friedhelm Schneider