Erntejagd: Wenn der Häcksler die Signalleuchten anstellt

Erfolgreich und sicher Schwarzwild zur Herbstzeit bejagen

Maisfelder bieten dem Schwarzwild Nahrung und ideale Rückzugsareale für ruhige, störungsfreie Tageseinstände. Einzeljagden wie Pirsch und Ansitz gestalten sich im Rahmen der Wildschadensvermeidung in Feldrevieren aber oft als weniger effektiv. Viel erfolgversprechender sind die sogenannten Erntejagden, wenn im Herbst zum Beispiel der Maishäcksler anrückt und die Sauen ihre gewohnten Sommereinstände verlassen müssen. Dann können diese konzentriert und wirkungsvoll bejagt werden. Erntejagden müssen aber gut durchdacht und geplant sein und vor allem sicher ablaufen. Wildmeister Matthias Meyer gibt zahlreiche Tipps zur erfolgreichen Organisation und sicheren Durchführung.

Erntejagden sollte so durchgeführt werden, dass die Schützen ein weites Sicht- und Schussfeld haben.

Foto: Michael Breuer

PS starke Maishäcksler arbeiten sich mit dem einige Meter breiten Stahlgebiss und beachtlicher Geschwindigkeit durch den drei Meter hohen Mais. Hin und wieder heult der starke Motor des Häckslers kurz im Leerlauf auf, bevor er mit einer scheinbaren Leichtigkeit die Maiswand weiter schreddert. Seitlich versetzt folgt dem Erntefahrzeug ein Allradschlepper mit Transportanhänger. Seit einigen Runden die gleiche Kulisse. Doch plötzlich schaltet der Häcksler seine Signalleuchten an und kündigt so den Jägern auf ihren mobilen Drückjagdständen wie vereinbart an, dass sich vor ihm im Maisdschungel Sauen bewegen. Noch einmal drehen Häcksler und Transporter am Ende des Maisschlages. Der noch stehende Rest wird um erneute zwölf Reihen schmaler. Den Sauen wird es allerdings nun ungemütlich, sie stürmen im geschlossenen Klumpen seitlich aus dem Mais, drehen einen Bogen und flüchten auf dem bereits angedachten Weg über die Maisstoppel. Die direkt am noch stehenden Mais postierten Schützen haben keine Chance auf einen Schuss, aber nach reichlich 200 Metern Flucht hat sich der „Haufen“ entzerrt und zu einer „Perlenkette“ formiert. Auf den ersten Schuss hin rolliert einer der letzten Frischlinge. Die Rotte dreht nun leicht ab und passiert wie geplant drei weitere Stände auf günstige Schussweite. Mehrere Schüsse fallen und mit ihnen fünf andere Frischlinge und zwei Ãœberläufer. Der Rest der Rotte taucht unter der Führung zweier starker Bachen in den Wald ein.

Gute Planung der Erntejagd ist der halbe Jagderfolg

Das erfolgreiche Ende dieser anfangs zäh ablaufenden Jagd war keine Glückssache, sondern das Ergebnis sorgfältiger Planung und vor allem dem ständigen und offenen Austausch mit den Landwirten geschuldet. So war die in wenigen Minuten erledigte Jagd nicht zuletzt Belohnung dafür, dass alle Beteiligten gut zusammenwirkten.

Auch wenn es so aussehen mag, als wenn Erntejagden grundsätzlich spontan angesetzt und auf die Schnelle organisiert werden müssen, um flexibel auf den sich ständig ändernden Terminplan von Landwirt und Lohnunternehmer reagieren zu können, bedarf es weit mehr. Erfahrene „Erntejäger“ wissen gut, welches Maß an Erfahrung, detaillierter Planung, Absprachen und nicht zuletzt permanenter Anwesenheit kurz vor der Ernte im Revier von Nöten sind, damit die erfolgreiche Durchführung der Erntejagd gelingt.

Bereits zur Saatzeit des Mais sollte sich der Jäger mit den Landwirten absprechen. Sinnvoll kann es auch sein, zu erfahren, welche Feldfrucht auf den benachbarten Feldern stehen wird, da deren Erntezeitpunkt eventuell entscheidenden Einfluss auf eine spätere Planung und den Ablauf haben kann. Beim Anbau von Mais ist das kaum von Bedeutung, denn er steht meist als letzte Frucht auf dem Acker. Aber bei großen Rapsschlägen, die beim Schwarzwild als Sommereinstände dienen, können früh geerntete Gerstenstoppeln oder Wiesen ein gutes Schussfeld für die Jäger darstellen, indem lange Strecken als Fluchtmöglichkeiten für das Schwarzwild entstehen. Eventuell ist der eine oder andere Landwirt auch bereit, zum Beispiel Bejagungsschneisen zuzulassen. Auf jeden Fall sollten frühzeitig Geländeerkundungen erfolgen, damit sich der Jäger ein Bild vom Schwarzwildvorkommen machen kann und vor allem dessen Aufenthalte entdeckt. Die Aufzeichnungen dazu helfen dann zur Ernte, die Drückjagdstände exakt aufzustellen, so dass die Sauen sie nicht nur in der passenden Entfernung anlaufen, sondern sie möglichst so passieren und für den Jäger höhere Chancen auf breit wechselndes Wild und ein mehrfaches Beschießen bestehen.

Wissen, wie die Sauen aus dem Bestand laufen

In unmittelbarer Nähe des Maisfeldes sind Wildschweine nur sehr schwer zu bejagen. Erfolgreicher ist es, wenn sie etwa 200 m bis zur nächsten Deckung flüchten müssen.

Foto: Michael Breuer

Langjährige Erfahrung hat gezeigt, dass der Ablauf der eigentlichen Erntejagd stets ähnlich ist. Oft beherrschen zunächst stundenlanges Warten, dann kurze und heftige Kanonaden und am Ende eine geringe Strecke das Geschehen. Das muss nicht sein, wenn der Jagdleiter aufgrund seiner Beobachtungen weiß, wie die Sau läuft. Wenn er deren Fluchtwechsel entfernt vom Erntefahrzeug erst kurz vor dem Eintauchen in eine neue Deckung, meist Waldfläche, oder bei lichten Beständen sogar erst innerhalb dieser, mit verlässlichen Jägern abstellt, ist nicht nur der Erfolg größer, sondern er minimiert auch das gefürchtete Risiko mit der Sicherheit an so einer Aktion. Das flüchtende Schwarzwild entzerrt sich deutlich bei einer langen Fluchtstrecke über den Acker. Das Tempo reduziert sich, die Stücke versuchen sich zu orientieren. Offensichtlich stufen sie die Situation nun nicht mehr für so gefährlich ein, da sie vor sich den sicheren und bekannten Einstand wähnen, während die Erntemaschine und der Mensch weit hinter ihnen sein sollten.

Auch wenn diese Form des Passens am Fernwechsel unüblich für die gewohnte Erntejagd ist, ist in derartigen Situationen der Jagderfolg deutlich größer. Sie machen zum einen das Ansprechen einfacher, zum anderen gelingt es den Schützen eher, gezielt Stücke zu erlegen. Wichtig ist, dass große Maisfelder anfangs rundherum geerntet werden, um Schusssektoren zu schaffen. Zudem passiert es häufig, dass im Mais befindliche Rotten separat bleiben und es eventuell mehrfach möglich ist, Sauen zu bejagen, als wenn zusammengetriebene Sauen im Pulk flüchten.

Konkrete Vorgaben geben dem Ganzen einen sicheren Rahmen

Die Abläufe einer Erntejagd können gefährlicher sein, als bei Drückjagden im Wald. Zum Beispiel liegen die Felder häufig in der Nähe von Dörfern, Städten, Wegen und Straßen sowie in die Landschaft eingebetteten Gehöften. So entstehen Gefahren mit den weitreichenden Büchsengeschossen. Zudem ist immer mit Fußgängern, Haustieren und Fahrzeugen zu rechnen, die sich anders als bei Waldtreiben „nicht aussperren“ lassen. Die Organisation der Erntejagd ist Aufgabe des Jagdleiters. Vorgehensweise und Absprachen sind mit allen Jagdteilnehmern und den Landwirten zu treffen. Auf folgende Sicherheitsaspekte ist zu achten:

  1. Alle Teilnehmer an der Jagd tragen eine großflächige Warnbekleidung in Signalfarben. Das obligatorische Hutband reicht bei weitem nicht aus!
  2. Kein Schütze schießt in Richtung Mais, Menschen oder Erntefahrzeuge. Selbst das Anschlagen in diese Richtung ist strengstens untersagt und ein bindender Ausschlussgrund. Besondere Gefahrenpunkte wie Straßen und Häuser sind besonders zu betonen!
  3. Jeder Schütze jagt ausschließlich von einer erhöht (Bodenhöhe mind. 2,5 Meter) stehenden baulichen Jagdeinrichtung aus. Sie muss aufgrund ihrer Höhe und ihres Standortes einen ausreichenden Kugelfang (mehr als 10°) gewähren. Sie muss standfest sein und darf nicht verlassen werden.
  4. Die Waffen dürfen erst am Stand geladen werden und sind beim Verlassen zu entladen. Die Waffe ist außerhalb des Treibens geöffnet und mit der Laufmündung nach oben zu tragen.
  5. Jedem Teilnehmer muss der Stand der anderen Schützen bekannt sein.
  6. Die Schützen müssen über Telefon oder Funk in Verbindung stehen.
  7. Die Teilnahme ist nur mit einem gültigen Jagdschein möglich.
  8. Nehmen mehrere Jäger teil, ist die Erntejagd eine Gesellschaftsjagd. Es muss ein verantwortlicher Jagdleiter bestimmt werden, dessen Anordnungen zu befolgen sind. Er führt eine Sicherheitsbelehrung durch und weist jeden Schützen in seinen Stand und den Schuss- und Sicherheitssektor ein.
 – LW 34/2017