Ernten zwischen Extremen

Pressegespräch des HBV im Hessischen Ried

Vor zwei Jahren gab es im Hessischen Ried und in den fruchtba­ren Auen des Altrheins große Ernteausfälle wegen des Hochwassers. Dieses Jahr kommen Südhessens Landwirte nach drei Monaten fast ohne Regen mit der Bewässerung ihrer Felder nicht nach. Um die Öffentlichkeit über die aktuelle Lage der landwirtschaftlichen Betriebe in Starkenburg zu informieren, hatte der Hessische Bauernverband Mitte voriger Woche Rundfunk und Presse zum Erntegespräch auf den Betrieb von Helmut Steinmetz in Lampertheim geladen.

Erntegespräch bei 36 Grad, von links: Betriebsleiter Helmut Steinmetz, Wolfgang Guckert (Vorsitzender des be­nachbarten KBV Rhein-Neckar), RBV-Starkenburg-Vorsitzender Dr. Willi Billau, HBV-Präsident Friedhelm Schneider, Agrarbetriebswirt Martin Bil­lau und Gerhard Jung (stellvertretender RBV-Vorsitzender).Foto: Moe

Nicht nur zwischen den Sommern der letzten Jahre gebe es gewaltige Unterschiede. In diesem Jahr vor allem auch zwischen den Standorten in Hessen, beschrieb Friedhelm Schnei­der, Präsident des Hessischen Bauernverbandes, den Vertretern der Medien vor Ort auf dem Direktvermarktungsbetrieb der Familie Steinmetz und im Anschluss bei sengender Hitze und laufenden Ern­tearbeiten am Weizenfeld.

Bewässerungskosten schnellen in die Höhe

Seit Mai hat es in der Region lediglich an zwei Tagen mit jeweils etwa 10 bis 15 Litern pro Qua­dratmeter geregnet. Das sei einfach zu wenig, berichteten die Landwirte. „Wir haben Beregnungskosten von rund 1 000 Eu­ro pro Hektar dieses Jahr. Das rechnet sich nur bei den intensiven Sonderkulturen, aber nicht im Ackerbau“, so Dr. Willi Billau, Anbauer von Getreide sowie insbesondere von Kartoffeln und Sonderkul­tu­ren, der auch Vorsitzender des Regio­nalbau­ern­ver­ban­­des Starkenburg (RBV) ist. Im Verbandsgebiet des RBV ha­ben die Betriebe 4. Mio. Kunden vor ihren Höfen. Viele Landwirte nutzen dieses Potenzial für eine oft gut lau­fende Direktvermarktung – wenn alle im Betrieb an einem Strang ziehen.

In der Riedschiene ist Land besonders wertvoll

Ein Schwerpunkt des Erntege­spräches war daher der für die Region typische Sonderkultur­anbau, der den intensiv wirt­schaf­tenden Betrieben das Einkommen sichert.

In Südhessen ist die Wertschöpfung je Hektar Land um das Fünffache höher als in Nordhessen, berichtete HBV-Chef Schneider und folgerte, „Wir müssen gerade hier jeden Hektar halten, denn jeder Acker der hier Landwirten verloren geht, ist zugleich ein Verlust an Leistungsstärke der Landwirtschaft in Hessen.“

Fläche aus der Produktion nehmen, ist unverantwortlich

Schneider kritisierte in diesem Zusammenhang die Greening-Auflagen der neuen Agrarpolitik mit der einhergehenden Herausnahme von Flächen aus der Produktion. Nicht nur für die einzel­nen Betriebe sei das bedenklich, vor allem wegen der Versorgung der rasch anwachsenden Weltbevölkerung, die ernährt werden müsse: „Während hier aus lauter Lebensmittel-Luxus stillgelegt wird, wird in Brasilien der Regenwald für neue Agrarflächen gerodet“, konstatiert Schneider.

Der Berufsstand müsse viele weitere Punkte im Visier haben und für gute Rahmenbedingungen eintreten, damit die Betriebe ein auskömmliches Ein­­kommen für ihre Familien erwirtschaftenden können. Wichtig sei auch für akzeptable Erzeugerpreise zu kämpfen. Zahlreiche Beispiele zählte der HBV-Präsident auf.

Russland-Embargo kostet Milchbauern 4 Cent/Liter

Unter anderem diese beiden:

Das Russland-Embargo hat stärkere Auswirkungen auf die Landwirtschaft, als zunächst vermutet. Schneider verwies auf eine Marktanalyse, die ergeben hat, dass durch das Embargo der Export an Milchprodukten um 3 Prozent und in der Folge der Erzeugerpreis um cir­ca 4 Cent je Liter Milch gesunken sei. Er fordere die Politik auf, in Verhandlungen mit Russland zu treten, das Embargo aufzuheben.

Auf die Region bezogen: In diesem Frühjahr habe man festgestellt, dass gleich zu Beginn der Spargel- und Erdbeersaison der Handel die Kunden mit Angeboten in die Geschäfte gelockt habe. Das gehe aber auf Kosten der Anbauer, die normalerweise zum Saisonstart einen guten Preis für die Frühkulturen benötigten, da sie mit hohen Kosten in Vorleistung gegangen sind.

Drei-Generationen-Betrieb mit bis zu 140 Mitarbeitern

Betriebsleiter Agrartechniker Helmut Steinmetz (51) stellte seinen 100-ha-Ackerbaubetrieb mit einem Sonderkulturen-Anteil von etwa 50 Prozent vor. Im Jahr werden 300 Schweine gemästet und direkt vermarktet. In dem Drei-Generationen-Betrieb sind Sohn und Tochter (Sven, Landwirtschaftsmeister, 24 Jahre) und Stefanie, Wirtschaftsstudentin, 27 Jahre) eingestiegen. Der Betrieb hat drei fest angestellte Mitarbeiter über das ganze Jahr. Im Frühsommer erhöht sich die Zahl um bis zu 140 Saisonarbeitskräfte. Ehefrau, Sandra Steinmetz (50), über­nimmt die Bürotätigkeiten im Betrieb, zu denen neben den Dokumentationsaufgaben und der Erledigung aller an­fal­lenden Rechnungen ebenso die Lohn­abwicklung gehören. „Damit bleibt für Sandra keine weitere Arbeitszeit, um sich noch um andere Aufgaben im Betrieb zu kümmern“, meinte Steinmetz.

Moe – LW 31/2015