„EU muss ihre Vorschläge herunter schrauben“

HBV-Präsident bei Vertreterversammlung des RBV Starkenburg

Kämpferisch gab sich der Präsident des Hessischen Bauernverbandes Friedhelm Schneider, als er bei der neunten Vertreterversammlung des Regionalbauernverbandes Starkenburg (RBV) in der vergangenen Woche zum Thema „Die Reform der EU-Agrarpolitik ab 2014“ sprach.

RBV-Vorsitzender Walter Schütz (l.) dankt HBV-Präsident Friedhelm Schneider für den agrarpolitischen Vortrag bei der RBV-Mitgliederversammlung 2012 in Mühltal.

Foto: Kirsten Sundermann

Der Vorsitzende des RBV, Walter Schütz, freute sich mehr als 150 Besucher zur Mitglieder offenen Vertreterversammlung des Regionalbauernverbandes Starkenburg in Mühltal-Traisa zu begrüßen. Darunter zahlreiche Ehrengäste aus der Regional- und Landes-Politik, sowie von Institutionen, Behörden, Verbänden, die mit der Landwirtschaft verbunden sind. Auch drei „Königliche Hoheiten“, die Hessische Milchkönigin Marie Wolf, die Odenwälder Kartoffelkönigin Barbara Treusch und die Hessische Weihnachtsbaumkönigin Nina Gussmann gaben sich die Ehre. Auch freute sich Schütz mit Walter Manz, dem Vorsitzenden des Hessisch-Pfälzischen Zuckerrüben Anbauverbands, einen „grenzübergreifend tätigen“ Gast begrüßen zu dürfen.

Den Hauptvortrag hielt HBV-Präsident Friedhelm Schneider. Die auf dem Tisch liegenden Vorschläge der Europäischen Kommission will Schneider so nicht akzeptieren. „Die wurden gemacht von Bürokraten, die keine Ahnung von Landwirtschaft haben“, kritisierte er. Seine Kritik machte er vor allem an Reizwörtern in der Agrarpolitik wie Greening, Ausgleichs-Zulage, Sieben Prozent Flächensstilllegung fest. Nach dem Reformpapier sollen in Deutschland Beihilfen durch eine vierprozentige Kürzung des nationalen Plafonds verloren gehen. Für die Odenwälder Bauern würden dadurch dreißig Prozent der bisherigen Ausgleichszahlungen wegfallen. „Dabei waren die Aus­gleichszahlungen immer ein dringend benötigter Ausgleich, um überleben zu können“, sagte Schneider. Stattdessen würden Mittel für die verschiedenen Pro­gramme nun Stück für Stück abgeschnitten, wie bei einer Sala­mi, und in die zweite Säule umgeschichtet. Nur die wenigsten Bauern würden damit noch ihr heutiges Prämienniveau erreichen.

„Nutzung ist die bessere Naturschutzmaßnahme“

Am meisten ärgert sich Schneider dabei über das Salamistück, das für Greening abgeschnitten werden soll, weil hierbei die Vorleistungen nicht berücksichtigt werden, die seit Jahren in Hessen und in Deutschland erbracht wurden. Bereits jetzt seien in Hessen zwanzig Prozent der Nutzfläche mit Auflagen jedweder Art belastet, sagte er. Naturschutz, Vogelschutz, FFH, Wasserschutzgebiete und weitere Auflagen würden längst berücksichtigt. Viele der ausgewiesenen Schutzgebiete habe man jedoch „vergammeln“ lassen, und erst später erkannt, dass „landwirtschaftliche Nutzung eigentlich die bessere Naturschutzmaß­nahme“ gewesen wäre.

Mitt­lerweile sei in Hessen mehr „Grün“ vorhanden, als die 0,6 Groß-Vieh-Einheiten pro Hektar überhaupt fressen könnten.Was fehle, sei hingegen Ackerland, speziell im klimatisch und bodenmäßig gesegneten Süden des Landes, weswegen sich Schnei­der auch vehement gegen die geplanten Flächenstilllegungen von sieben Prozent ausspricht. Sieben Prozent, das entspricht – europaweit gesehen – der Fläche von ganz Hessen. Dort arbeiten auf 700 000 ha landwirtschaftlich genutzter Fläche rund 60 000 Menschen, deren Arbeitsplätze und Existenzen durch eine Stilllegung in Gefahr gerieten.

Häufiger in Brüssel präsent sein, um Hessens Anliegen zu vertreten

Als besonders bizarr empfindet er es, dass gleichzeitig weiterhin wertvolle Urwaldflächen unwiederbringlich zerstört werden. Dagegen würden auch alle noch so gut gemeinten Initiativen nichts ausrichten können. Brasilien sei fest entschlossen, zur Wirtschaftsmacht aufzusteigen und Geld zu verdienen und werde für dieses Ziel alle sich bietenden Möglichkeiten nutzen. Dasselbe gelte für China. Durch „ökologischen Landbau“ allein könne man die Welt nicht retten, meinte der Redner, und wehrte damit Thesen ab, die ein Ökolandwirt vor kurzem veröffentlicht hatte. „Die EU muss ihre Vorschläge auf ein ausgewogenes Maß herunter schrauben“, fordert Schneider, und will künftig häufiger in Brüssel präsent sein, um dafür zu kämpfen, dass Hessen seine bewährten Regelungen bei­behalten kann. Er geht davon aus, dass es im europäischen Parlament noch zu langwierigen Abstimmungen kommen wird und hält es daher für eher unwahrscheinlich, dass die geplante Reform bereits im Jahre 2014 zum Tragen kommt.

Abhandlung der Verbandsregulien

Auf dem Podium, von links: RBV-Geschäftsführer Peter Gheorgean, RBV-Vorsitzender Walter Schütz, HBV-Präsident Friedhelm Schneider sowie die stellvertretenden Vorsitzenden des RBV Starkenburg: Hans Trumpfheller (Odenwaldkreis), Gerhard Jung (Landkreis Groß-Gerau) und Hubert Wolf (Landkreis Offenbach).

Foto: Kirsten Sundermann

RBV-Vorsitzender Walter Schütz gab in seinem Bericht aus dem Vorstand einen kurzen Ãœberblick über das vergangene Jahr aus landwirtschaftlicher Sicht. „Wegen der extremen Wet­terverhältnisse war das eine echte Herausforderung“, meinte er. Negative Schlagzeilen habe es zudem im Zusammenhang mit Begriffen wie Dioxin, EHEC und Hygiene gegeben, auch wenn die Landwirtschaft hier nie der wahre Verursacher war. Mit Sorge sieht der Vorsitzende zudem das verstärkte Auftauchen von Giftpflanzen wie Herbstzeitlosen und Jakobskreuzkraut auf extensiv bewirtschafteten Flächen. Für dieses Jahr fürchtet Schütz Einbußen durch Auswinterungsschäden. Eine positive Meldung aus dem Vorjahr war immerhin, dass die Zuckerrüben- und Maisanbauer gute Ernten einfahren konnten.

Schütz berichtete ferner, dass die Aktion „Stoppt den Landfraß“ vielerorts auf Verständnis gestoßen sei. In einer persönli­chen Erklärung ging Schütz darauf ein, dass er – 65 Jahre alt geworden – heute eigentlich von seinem Amt des Vorsitzes des RBV zurücktreten wollte, auf Drängen seines potenziellen Nachfolgers, Dr. Walter Billau, aber bereit sei, noch bis Ende September den Verband zu führen. Geschäftsführer Peter Ghe­orgean stellte den Jahresabschluss 2011 vor. Das Ergebnis sei erfreulich, konnte er vermelden. Man habe sparsam gewirtschaftet, konnte diverse Außenstände eintreiben und sogar ein Plus von rund 30 000 Euro erzielen, das in die Rücklagen wandert. Auch der Haushalt für das kommende Jahr soll zumindest ausge­glichen sein.

Landwirtschaft und Verkehrssicherheit vereinbaren

Die beiden Griesheimer Polizeibeamten Uwe Kiewitt und Dominik Paul gaben in Form ei­ner Powerpoint-Präsentation Tipps, wie sich Landwirtschaft und Verkehrssicherheit vereinba­ren lassen, vor allem in Bezug auf Kenntlichmachung und Sicherung überbordender Zuladung. Ein Memo der Vorga­ben, darunter auch Hinweise auf Fahrzeuggespanne mit Überlängen, könne demnächst im Internett des Re­gio­nalbauernverban­des unter www.agrarpower.de ein­­­gesehen werden.

Sundermann