Federweißer und Traubensaft

Lese früher Sorten steht bevor

Die Lese der sehr früher Sorten wird in den nächsten Tagen beginnen, da viele Betriebe die Reife der Frühsorten nutzen möchten, um Federweißen anbieten zu können. Ebenso steht die Lese für Traubensaft Anfang September bevor. Dr. Dietrich Marbé-Sans, DLR RNH, Standort Oppenheim, gibt Arbeitshinweise.

Auch die Discounter vermarkten Traubensaft als „Direktsaft“

Foto: Dr. Dietrich Marbé-Sans

Federweißer ist eine Spezialität und wird auch „Rauscher“, „Neuer“, „Bizzler“ oder „Sauser“ genannt. Weinrechtlich ist es teilweise gegorener Traubenmost. Manche Betriebe haben sich auf die Erzeugung und Vermarktung von Federweißer spezialisiert. Die Herausforderung besteht darin, dem Verbraucher das Produkt relativ früh anbieten zu können. Eine gleichbleibende Qualität (Restsüße, vorhandener Alkoholgehalt) ist naturgemäß nicht gegeben, weil sich das Produkt in der Gärung befindet und ständig verändert. Je nach Dauer der Vermarktungswege muss die Veränderung vorausgeplant werden. Erzeugung und Vermarktung von Federweißer bewegen sich meist innerhalb von rund zwei Monaten (August bis September). Federweißer muss zwingend innerhalb einer Kühlkette vom Erzeuger über den Handel bis zum Verbraucher vermarktet werden.

Frühreife Traubensorten wie Ortega, Bacchus, Müller-Thurgau und andere eignen sich besonders gut. Eine Reife von etwa 75 Â°Oe bei 6 g/l Gesamtsäure erscheint günstig. Eine moderate Mostvorklärung und eine SO2-Gabe von 5 g/hl sind vorteilhaft, um ein Hefedepot und ein zu rasches Angären zu unterbinden.

Eine Anreicherung mit Saccharose kann, sofern erwünscht, um maximal 24 g/l Alkohol erfolgen. Vorteilhaft ist eine gekühlte Vergärung in Drucktanks bei 10 Â°C. Sobald mehr als 8 g/l Alkohol (1 Volumenprozent) gebildet wurden, handelt es sich um „teilweise gegorener Traubenmost“. Ideal sind Alkoholgehalte von rund 5 Volumenprozent. Die Abfüllung von Federweißer erweist sich als schwierig, weil das Produkt stark schäumen kann. Das Verschließen erfolgt mit einem „atmenden“ Verschluss, weil CO2 entweichen muss. Bei stehender Lagerung kann dazu eine PVC-Schrumpfkapsel dienen.

Bei der Etikettierung ist zu beachten, dass die Verkehrsbezeichnung „teilweise gegorener Traubenmost“ immer angegeben werden muss. Engere Herkunftsangaben wie bei Landwein sind möglich, nicht aber die von Qualitätswein.

Der Alkoholgehalt wird am besten als „Gesamtalkoholgehalt nach Vergärung“ angegeben. Die Angabe „Abfüller“ ist obligatorisch und kann mit der Bezeichnung „Weingut“ verbunden sein. Die Angabe „Erzeugerabfüllung“ hingegen ist nicht möglich. Nennvolumen und Losnummer sind obligatorisch anzugeben. Ein Hinweis auf das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist vorgeschrieben. Im Hinblick auf die Gärung ist von einer Haltbarkeit unter drei Monaten auszugehen, sodass als MHD Tag und Monat anzugeben sind. Das MHD kann durch die Beschreibung der Aufbewahrungsbedingungen ergänzt werden, zum Beispiel „gekühlt mindestens haltbar bis ... (Tag und Monat)“.

Ein Merkblatt zur Etikettierung von Federweißen befindet sich auf der Internetseite des Landesuntersuchungsamtes unter https://lua.rlp.de/de/service/downloads/weinueberwachung.

Nachfrage nach Traubendirektsaft steigt

Die Nachfrage nach Traubendirektsaft vom Winzer steigt durch erhöhtes Gesundheitsbewusstsein, strenge Alkoholkontrollen im Verkehr und in geringem Maß ethnisch-religiöse Motive. Darüber hinaus bietet sich Traubendirektsaft als ideales Mixgetränk für Schorle und Cocktails ohne Alkohol an. Traubensaft wird häufig von Weingutsbetrieben aus Zeit- und Kostengründen nicht selbst hergestellt, sondern zugekauft. Häufig finden sie im Sortiment geringe Beachtung, doch kann es durchaus sinnvoll sein, sich als Weingut zu profi­lieren und durch spezielle Sorten (Muska­teller) oder Verarbeitungsprozesse (Traubensecco) neue Märkte zu erschließen.

Die Herstellung von Traubensaft unterliegt der Fruchtsaftverordnung. Für Traubensaft gelten die strengen Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung. Das bedeutet, dass Traubensaft praktisch kein Alkohol und keine SO2 enthalten darf. In Weinbaubetrieben wird Traubensaft als Direktsaft aus frischen Weintrauben hergestellt. Von der Möglichkeit, den frischen Traubenmost zunächst mit SO2 stummzuschwefeln und später wieder zu entschwefeln und abzufüllen, wird aus Quali­tätsgründen kaum Gebrauch gemacht.

In Tabelle 1 werden gesetzliche Anforde­rungen an Traubensaft aufgezählt. Bestimmte Zusatz- und Behandlungsstoffe sind erlaubt, zum Beispiel Ascorbinsäure quantum satis (so viel wie nötig), Zitronensäure maximal 3 g/l, Calciumcarbonat (Entsäuerung), Kaliumtartrat, Pek­tinasen, Bentonit und Aktivkohle. Verboten ist der Zusatz von Saccharose, Wein-, Äpfel-oder Milchsäure sowie Metaweinsäure.

Einige wichtige Hinweise zur Ernte und Verarbeitung

 

Erntezeitpunkt und Traubenreife:

  • Gesunde Trauben, keine Fäulnis (sonst Bräunung)
  • Ideales Mostgewicht 65 bis 75 °Oe bei 7 bis 8,5 g/l Gesamtsäure
  • Gut geeignete Sorten: Müller-Thurgau, Scheurebe, Bacchus, Dornfelder, Regent, auch Tafeltrauben
  • Ernte möglichst kalt maximal 10 bis 12 Â°C

Abpressen:

  • Nur Vorlaufmost verwenden (trub- und pektinarm)
  • Ascorbinsäurezusatz 15 g/hl als Oxidationsschutz
  • Pektinasen 2 g/hl mit mindestens zwei bis drei Stunden Einwirkzeit
  • Mostkühlung auf maximal 10 bis 15 Â°C (kein Angären!)

Mostvorklärung:

  • Bentonit 500 g/hl zur Eiweißstabilisierung
  • Kieselsol-Gelatine als Klärschönung (50 ml/hl : 50 ml/hl)
  • Sedimentation zwölf bis 24 h, Eiweißkontrolle
  • Alternativ Flotation (Gefahr Oxidation!)

Filtration:

    • Grobklärung mit Kieselgur (weiß) oder Schichten K 350
    • Eventuell Entsäuerung/Säuerung (nur Zitronensäure erlaubt)
    • Feinklärung mit Kieselgur (braun) oder Schichten K 100
    • Alternativ Crossflow-Filtration 

      Weinsteinstabilisierung und Zwischenlagerung:

      • Weinsteinstabilisierung mit Kälteverfahren bei minus 2 Â°C für vier bis 14 Tage (Kühltanks) 
      • Sterile Einlagerung in KZE Tanks oder in Drucktanks mit 15 g/l CO2 (Seitz-Böhi)

      Abfüllung:

      • Kaltsteril: abzuraten, weil Sterilität ohne SO2-Zusatz schwierig
      • Warmsteril: Erhitzen auf 78 Â°C, einfüllen in saubere Flaschen und abkühlen lassen
      • Bei warmsteriler Abfüllung müssen Saftflaschen verwendet werden mit einem erhöhten Randvoll-Volumen. Es sollten MCA-Schraubverschlüsse verwendet werden. Sicherheitsverschlüsse wie Vacu-Vent verhindern bei Nachgären das Bersten der Flasche. 

      Soll der Saft naturtrüb bleiben, entfallen Klärung durch scharfe Filtration sowie die Eiweißstabilisierung mit Bentonit.

      • Bei der Etikettierung von Traubensaft sind Vorgaben zu beachten wie
      • Verkehrsbezeichnungen „Deutscher Traubensaft“, weiß oder rot
      • Angabe von Hersteller, Abfüller oder Verkäufer
      • Mindesthaltbarkeitsdatum: entweder „mindestens haltbar bis Ende Monat/Jahr“ (bei > 3 Monaten) oder „mindestens haltbar bis Ende Jahr“ (bei > 18 Monaten), die Entscheidung liegt beim Inverkehrbringer
      • Loskennzeichnung erforderlich Zutaten: Zitronen- oder Ascorbinsäure
      • Zutaten: Zitronen- oder Ascorbinsäure
      • neu: Nährwertkennzeichnung (Brennwert, Kohlenhydrate, Zucker)
      • Allergenkennzeichnung, wenn zutreffend
      • Allergenkennzeichnung, wenn zutreffend
      • Fakultativ: Rebsorte, Jahrgang (Loskennzeichnungs-VO)

      Die Herstellung muss im Herbst- und Kellerbuch eingetragen sein. Von Vorteil ist die vorläufige Deklaration als Traubenmost, so ist gewährleistet, dass das Produkt auch noch als Süßreserve oder zur Weinherstellung verwendet werden kann. Sobald eine Deklaration als Traubensaft erfolgt ist, darf daraus weder Süßreserve noch Wein hergestellt werden. Die Abschreibung der Erntemenge kann in Rheinhessen, Pfalz, Mosel und Nahe als Grundwein (200 hl/ha) erfolgen.

      Auch die Herstellung von „Traubensaft mit zugesetzter Kohlensäure“ (Verkehrsbezeichnung) ist möglich. Hierzu werden bei der Abfüllung dann etwa

      8 bis 10 g/l CO2 zugesetzt. Eine Karbonisierungsanlage mit einem Druckfüller ist zwingend erforderlich. Die Flaschen und Schraubverschlüsse müssen für einen Überdruck von mindestens 5 bar ausgelegt sein. Die variablen Kosten verdoppeln sich.

      Nährwertkennzeichnung beim Traubensaft

      Seit Dezember 2016 ist eine verpflichtende Nährwertdeklaration auch für Traubensaft vorgeschrieben. Die Nährwerttabelle beinhaltet Angaben zu Kohlenhydraten, Zucker, Brennwert sowie Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Eiweiß und Salz.

      Eine Analyse der zuletzt genannten Angaben, das heißt die Formulierung ist nicht vorgeschrieben. „Enthält geringfügige Mengen von Fett, gesättigten Fettsäuren, Eiweiß und Salz“ ist ausreichend. Nach der Lebensmittelverordnung ist es möglich, den Zuckergehalt aus dem gemessenen Mostgewicht zu berechnen oder aus Tabellen abzulesen.

      Formel: (Mostgewicht [°Oe] x 2,6 – 25)/10 = Zuckergehalt [g/100 ml]. 

      Zum Beispiel: (65 Â°Oe x 2,6 – 25)/10 = 14,4 g/100 ml Zucker.

      Bei der Mostgewichtsbestimmung ist auf richtige Probenahme und mögliche Korrekturfaktoren (Temperatur, Gesamtsäuregehalt) zu achten. Die Nährwertangaben sollten nach bestem Wissen so genau wie möglich sein.

      Der Brennwert setzt sich zusammen aus dem Gehalt an Zucker und Gesamtsäure. Kohlenhydrate und Zucker haben einen Brennwert von 17 kJ (oder 4 kcal) pro Gramm und organische Säuren 13 kJ (oder 3 kcal) pro Gramm. Für einen Traubensaft mit einem Mostgewicht von 65 Â°Oe (144 g/l Zucker) und einer Gesamtsäure von 7 g/l berechnen sich die Angaben der Nährwerttabelle pro 100 ml wie folgt:

      Zucker: 144 g/l: 10 = 14,4 g/100 ml

      14,4 x 17 = 244,8 kJ oder 14,4 x 4 = 57,6 kcal

      Gesamtsäure 7 g/l: 10 = 0,7 g/100 ml

      0,7 x 13 = 9,1 kJ bzw. 0,7 x 3 = 2,1 kcal

      Brennwert:

      Zucker 244,8 kJ (57,6 kcal) + Gesamtsäure 9,1 kJ (2,1 kcal) = 254 kJ (60 kcal) 

      Dr. Dietrich Marbé-Sans – LW 35/2020