Flexibler Markt erfordert flexible Anlagen
Messe „Energy Decentral“ in Hannover zeigte Trends auf
Allein die Anzahl von Anbietern der verschiedenen Sparten erneuerbarer Energien auf der an die Eurotier angegliederten Energy Decentral sprach Bände: In mehr als zwei Hallen der Hannover Messe waren laut Katalog 286 Anbieter zum Thema Biogas vertreten. Messestände zu den Themen Wind- und Solarenergie musste man dagegen suchen; zur Windenergie konnte man sich bei sieben Anbietern informieren, zum Thema Photovoltaik waren immerhin 13 Stände aufgeführt. Anbieter von PV-Modulen waren fast keine zu finden. Ein Messerundgang.
Das beherrschende Thema der Messe in Hannover war die
Flexibilisierung der Stromeinspeisung aus Biogasanlagen. Denn die Windkraft und PhotovolÂtaik liefern sehr schwankende Energie-Erträge, die durch das lagerfähige Biogas ausgeglichen werden können – vor allem in Zeiten sehr hohen Strombedarfs. Dazu sind allerdings die Anlagen technisch anzupassen – sowohl in der Leistung als auch in der Steuerungstechnik. Beispielsweise ist eine sogenannte Überbauung (Erhöhung der elektrischen Leistung etwa durch ein zusätzliches BHKW bei Senkung der Stromproduktion unter Volllast) notwendig, um bei Bedarf und gutem Preis mehr Strom einspeisen zu können und bei geringer Nachfrage und kleinem Preis die Erzeugung zu drosseln. Um Biogasanlagen-Betreibern diese Investitionen schmackhaft zu machen, wurde die sogenannte Flexibilitätsprämie für Anlagen einÂgeführt, die ihren Strom direkt an der Strombörse vermarkten. Zur anspruchsvollen Steuerung solcher Anlagen und auch deren Vernetzung zu „Virtuellen Kraftwerken“ informierten zahlreiche Aussteller, die Beratung und Service zu diesen Themen anbieten.
Inanspruchnahme der Flex-Prämie
Die Energy2market GmbH (e2m), ein mittelständisches Stromhandelshaus in Leipzig, ist einer der größten Direktvermarkter in Deutschland und auf die flexible Vermarktung von Strom aus dezentralen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen spezialisiert. Bei einem Pressegespräch in Hannover betonte Annette Keil, Leiterin Vertrieb Landwirtschaft bei der e2m: „Wenn das letzte Jahr eines gezeigt hat, dann, dass die Inanspruchnahme der Flexibilitätsprä-mie immer mehr an Fahrt gewinnt. Mittlerweile sind über 200 MW Zubau bei der Bundesnetzagentur gemeldet.“ Praktiker Claus Günther stellte am Stand der e2m beispielhaft die BGA Günther GbR in Kitzingen bei Würzburg vor. Die Anlage erfüllt mit einem Substrat-Mix aus Mais, Zuckerrüben und GPS den zukünftigen gesetzlichen Maisdeckel. Auf dieser Grundlage kann die 2004 gegründete BGA alle Regelenergiearten in alle Richtungen stufenlos erbringen – im Sekundentakt automatisch gesteuert aus dem Stromnetz. Günther gehört zu den Vorreitern bei der Ausschöpfung von negativer Flexibilität bei der Erbringung von Sekundärregelleistung. „Seit Jahren regeln wir unsere Motoren wenn nötig bis auf 15 Prozent der Leistung herunter. Und entgegen anderslautender Meinungen haben wir damit weder negative Erfahrungen bei der Fahrweise noch bei den Wartungskosten gemacht“, stellte Günther fest.

Foto: Becker
Weiterhin Zubau bei kleineren Gülleanlagen
Einen anderen Ansatz in der Biogasnutzung verfolgt die Firma Novatech aus Wolpertshausen bei Schwäbisch Hall. Sie projektiert unter anderem kleine Biogas-Anlagen mit maximal 75 kW installierter Leistung und mindestens 80 Prozent Gülleanteil, die im EEG eine besondere Vergütung erhalten. „Hier ist durchaus eine Nachfrage vor allem bei Milchviehbetrieben da, die ein weiteres Standbein suchen und eventuell auch den erforderlichen Ausbau der Gülle-Lagerkapazität finanzieren wollen“, sagte Thomas Bauer, der sich mit dem Messeverlauf sehr zufrieden zeigte. Novatech plant und baut Biogas- sowie Photovoltaikanlagen weltweit und berät die Kunden entsprechend – auch in Bezug auf Fördermittel und -kredite, Datenüberwachung, Ertragsauswertung und Instandhaltung der Anlagen.
Energieholz bietet auch Lebensräume
Die Anlage von Energieholzplantagen ist laut Michael Weitz, Geschäftsführer von Lignovis, Hamburg, ins Stocken geraten. Kurzumtriebsplantagen (KUP) schnellwachsender Hölzer wie Weiden oder Pappeln werden in der Agrarförderung seiner Meinung nach stiefmütterlich behandelt. Es fehle die entsprechende Lobby, da weder am Pflanzenschutzmitteleinsatz noch an der Düngung bei dieser Kultur für deren Hersteller etwas zu verdienen sei. Dabei böten KUPs einige Vorteile: „Energieholz aus der Landwirtschaft ist eine sehr effektive CO2-Senke, denn es ersetzt fossilen Brennstoff. Außerdem stellen die Plantagen, die nur etwa alle drei Jahre beerntet werden, wertvolle Elemente in der Agrarlandschaft dar, die Lebens- und Rückzugsraum für viele Tierarten bieten können.“ Schon eine geringfügig höhere Förderung für solche Flächen könnte den Anbau in den Bereich der Wirtschaftlichkeit führen, ist Weitz überzeugt. Ein innovatives Konzept zur Nutzung von Pappeln für die Energiegewinnung wurde anhand einer artgerechten Geflügelhaltung im Freiland präsentiert: Hier bieten die Bäume den Hühnern Deckung, die sich dadurch offensichtlich sicherer fühlen und weiter vom Stall entfernen als auf einer freien Fläche.
Ein Ofen für fast alle biogenen Brennstoffe
Für die thermische Verwertung von Holzhackschnitzeln, beispielsweise aus Energieholzplantagen, stehen Heizlagen verschiedenster Größe zur Verfügung. Ein seit vielen Jahren etablierter Anbieter ist die Firma Heizomat aus Gunzenhausen am Altmühlsee. Wie Gebietsberater Andy Jensch am Stand erläuterte, kann die in Hannover gezeigte RHK-AK Biomasse-Feuerungsanlage (30 bis 990 kW) Hackgut, Pellets und Biomasse wie etwa Miscanthus verheizen. „Durch die liegenden Züge sinkt der Strombedarf und die Wärmeausbeute wird verbessert. Dank der robusten Reinigungsschnecken ist die Registerreinigung nahezu wartungsfrei. Durch die Reinigungsschnecken entsteht ein hoher Wirkungsgrad von über 90 Prozent bei niedrigsten Abgastemperaturen“, so der Berater.
Windkraftnutzung nur noch mit Partnern
Johannes Schnabel von der auf Windkraftanlagen im Binnenland spezialisierten Enercon GmbH bestätigte den Trend zu immer größeren Anlagen, da diese im Grundsatz am wirtschaftlichsten seien. „Man muss aber immer die örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall anschauen“, betonte er. Seit einigen Jahren, wie auch auf der aktuellen Messe, zeige sich, dass Landwirte immer mehr dazu übergingen, sich Partner für die Realisierung eines Windkraftprojektes zu suchen und nicht mehr alleine in die immer größeren Anlagen investierten. Enercon ist Hersteller und Projektierer von Windkraftanlagen und bietet Lösungen zur Netztechnik an, die alle Netzanschlussbedingungen erfüllen.
Solarstrom auch nachts nutzen
Einer der wenigen Aussteller zum Bereich Photovoltaik-Anlagen war in Hannover die GermanPV GmbH aus Cottbus. Geschäftsführer Dirk Brannaschk betonte im Gespräch, dass die Photovoltaik Renditen von bis zu über 12 Prozent ermögliche. „Leider hat sich bei vielen der Eindruck verfestigt, dass sich neue PV-Anlagen nicht mehr lohnen, aber das stimmt nicht.“ Dank moderner leistungsfähiger Speicher-Technik könnten Einspeisung und Eigenverbrauch heute ideal aufeinander abgestimmt werden. Gerade für landwirtschaftliche Betriebe, die viel Strom benötigten, sei eine PV-Anlage eine lohnende Investition – auch deshalb, weil die Kosten für Module und die weitere Technik in den letzten Jahren deutlich gesunken seien. Übrigens: Auch auf Ost- oder WestÂdächern seien PV-Anlagen mittlerweile überlegenswert, denn gerade am Abend oder Morgen würde der Strom gebraucht und sei die Erzeugung besonders wirtschaftlich. Als weitere Innovation zeigte GermanPV eine flexible Halterung für Solar-Module zur Fixierung auf Profilblech-Dächern.
Bauen und einfach laufen lassen ist nicht mehr
Insgesamt zeigte die Messe, dass die Erzeugung erneuerbarer Energien in allen Bereichen weiterhin interessant ist, aber auch, dass es heute viel aufwändiger ist, eine Anlage wirtschaftlich zu betreiben. Wie im landwirtschaftlichen Kerngeschäft gilt auch hier, dass sich der „Energiewirt“ intensiv um die Vermarktung seines Produktes, den erzeugten Strom, kümmern muss. Ebenso ist die Planung von Anfang an auf die möglichen Fördergelder in Abhängigkeit von der Betriebsstruktur, aber auch möglichen künftigen Veränderungen im Betrieb sowie dem wirtschaftlichen und politischen Umfeld anzupassen. In jedem Fall ist eine umfängliche Beratung und fachliche Betreuung unumgänglich.
KB – LW 47/2016