Folien, Folien, Folien – Wärme- und Mulchersatz

Folieneinsatz mit Rücksicht auf die Natur

Folien sind aus dem intensiven Obst- und Gemüsebau nicht mehr wegzudenken. Vor allem bei Spargel und zunehmend auch bei Erdbeeren und Himbeeren kommen sie zum Einsatz. Für die Bodenbrüter bedeutet die Bodenbedeckung allerdings, dass ihre Nahrungsquellen eingeschränkt sind. Auf der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen Ende Januar in Gernsheim wurde der Folieneinsatz von Seiten der Anbauer, aber auch aus Sicht des Naturschutzes diskutiert.

Folientunnel sind für Bodenbrüter, wie den Kiebitz, ein großes Hindernis. Das Aufstellen in der Nähe von Flächen mit Kiebitzen, sollte vermieden werden.

Foto: Setzepfand

Beim Thema Folieneinsatz gehen die Meinungen oft weit auseinander: Für den Erdbeer- oder Spargelerzeuger dienen die Folien der Absicherung der Qualität und der Steuerung des Erntezeitpunkts, die Naturschützer sehen den Einsatz kritisch, weil sie für die Intensivierung der Landwirtschaft stehen und damit direkt mit dem Artenrückgang vieler Bodenbrüter in Zusammenhang gebracht werden. Simon Schumacher, Geschäftsführer des Verbandes der süddeutschen Spargel- und Erdbeeranbauer, beleuchtete den Folieneinsatz aus Sicht der Anbauer.

930 ha Spargel in Hessen mit Folie bedeckt

Aktuell wird in Hessen nach Schumachers Aussage auf etwa 1 860 ha Bleichspargel angebaut. Da aber nur die Hälfte der Fläche mit Folie bedeckt ist, rechnet er mit 930 ha Spargel, das entspricht 0,12 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Hessen. Ãœber 90 Prozent der Spargelfläche ist mit schwarz-weißer Folie bedeckt, zudem dürften in Südhessen etliche Flächen mit einer Dreifachbedeckung zur Verfrühung versehen sein. „Allerdings haben Umfragen unter den Erzeugern ergeben, dass viele die Dreifachbedeckung als nicht mehr so wichtig erachten. Oft geht die Extremverfrühung am Markt vorbei.“ Zudem tragen sich 40 Prozent der in ganz Deutschland befragten Erzeuger mit dem Gedanken, die Anbaufläche für Bleichspargel zu reduzieren. Für den Erdbeeranbau präsentierte Schuhmacher nur Schätzzahlen hinsichtlich des Folieneinsatzes. Es werden deutschlandweit rund 11 400 ha Erdbeeren angebaut, davon werden bis zu 60 Prozent verfrüht. Für die Hochtunnelanlagen wird eine Schätzzahl von bis zu 2 500 ha angegeben.

Auch Schumacher weiß um die Kritikpunkte am Folieneinsatz. Den Vorwurf, dass in den Spargelfolien Weichmacher enthalten sind, die den Spargel belasten könnten, entkräftete er: „Es sind nachweislich keine Weichmacher enthalten.“ Es werde zudem daran gearbeitet, die Recyclingquote bei Spargelfolien zu erhöhen. Schumacher räumte ein, dass Lochfolien, vor allem, wenn die Löcher nicht richtig ausgestanzt sind und die Reste sich wie Konfetti in der Natur ausbreiten, eine Gefahr für die Vögel sein können. Das sollte verhindert werden. „Eine Folienkultur vor der eigenen Haustür zu haben ist natürlich auch nicht so schön“, zeigte Schumacher Verständnis für die Anwohner.

Zukünftig noch mehr Folien im Einsatz

Auch im südhessischen Ried werden die Kiebitzgelege mit Zäunen geschützt, um die Bodenprädatoren, wie Fuchs oder Waschbär fern zu halten. Wichtig ist die Litze (Pfeil), damit Rehe sich nicht im Zaun verfangen.

Foto: Pohlmann, Kilian

Er geht davon aus, dass der Folien­einsatz in Zukunft noch ausgeweitet wird: „Die Erzeuger werden den Anbau intensivieren, aus verschiedenen Gründen. Zum einen steigen die Personalkosten durch den Mindestlohn, so dass sie die Ernteleistungen erhöhen müssen. Zum anderen treten Wetterextreme häufiger auf und der Schädlingsdruck steigt.“ Durch den Wegfall von Herbiziden wird seiner Einschätzung nach der Einsatz an Mulchfolien zunehmen, ebenso die Einnetzung von Obstplantagen, weil Schädlinge wie die Kirschfruchtfliege die Ernte gefährden. Handlungsbedarf sieht er beim Errichten von Folientunneln in Schutzgebieten. Seit 2018 ist vor dem Aufstellen der Tunnelanlagen eine Anfrage an die Untere Naturschutzbehörde des jeweiligen Kreises zu richten, aus der der geplante Standort, die Kulturart und die Kulturdauer hervorgeht. Danach wird die Behörde prüfen, ob Auswirkungen auf Offenlandarten zu erwarten sind und wie weiter verfahren wird.

Die Seite des Naturschutzes beleuchtete Elke Grimm vom Fachdienst Natur-, Wasser- und Bodenschutz im Landkreis Groß-Gerau. „Die Kulturlandschaft hat sich im Laufe der Zeit verändert“, sagte sie. Durch die Flurbereinigung sei die Kleinstrukturierung verloren gegangen, ebenso viele Feld­raine und Gräben. Und auch der Einsatz von weißen oder schwarzen Folien im Spargelanbau und die Folientunnel haben Auswirkungen für die Vögel. „Sie verlieren Deckung und die Nahrungsverfügbarkeit von Bodenlebewesen“, erklärte Grimm. Noch kritischer sind nach ihrer Aussage die Folientunnel zu beurteilen. „Sie bilden eine vertikale Struktur in der Landschaft. Offenland­arten wie Kiebitz und Feldlerche meiden diese Flächen.“ Sie zeigte auf, dass Kiebitze einen Meideabstand von 100 m von Tunnelanlagen halten. „Dadurch geht für den Kiebitz viel Lebensraum verloren“, so Grimm. Die Feldlerche nähere sich den Tunneln etwas mehr, wenn die Seiten hochgerollt sind.

Blühstreifen um das Feld, um Bodenbrütern Deckung zu geben

Seit dem Jahr 2018 ist in der Wetterau ein 6 ha großes Feuchtgebiet, seit langem Brutgebiet des Kiebitz, mit diesem festen Weidezaun vor Eindringlingen geschützt. 48 Gelege vom Kiebitz konnten erfolgreich bebrütet werden. Auch Blau- und Schwarzkehlchen brüten erfolgreich auf dieser Fläche.

Foto: Pohlmann, Kilian

„Folientunnel stellen einen naturschutzrechtlichen Eingriff dar und sind der Naturschutzbehörde anzuzeigen“, sagte Grimm. Nicht angezeigte Tunnel sind mindestens eine Ordnungswidrigkeit. „Wir prüfen dann, ob der geplante Tunnel im Brutgebiet eines Kiebitzes liegt. Wir versuchen, mit den Landwirten nach Lösungen zu suchen“, erklärte sie. Etwa, indem der Tunnel an einem anderen Standort errichtet wird. „In Vogelschutzgebieten sollten aber grundsätzlich keine Tunnel aufgestellt werden.“ Grimm warb bei den Landwirten dafür, den Kiebitz zu schützen.

Wer ein Gelege sichtet, sollte es liegen lassen. Denn die Brutzeit beträgt nur maximal vier Wochen. Er suche nackte Ackerböden zum Brüten, eine Beregnung ist sogar förderlich, weil er es feucht liebt. Ackerrandstreifen für ausreichende Nahrung sind ebenfalls positiv. „Die Brutpaare der Kiebitze haben sich in Südhessen seit 1995 halbiert“, zitierte Grimm eine Studie. Deshalb wünscht sie sich, dass die Landwirte dort, wo Kiebitze ihre Brutplätze haben, mit ihren Kulturen darauf Rücksicht nehmen. Folientunnel sollten entweder weit auseinander stehen, um den Bodenbrütern nicht zu viel Raum zu nehmen, oder eng beieinander. Elke Grimm will mit den Landwirten zusammen nach Lösungen und neuen Wegen suchen – damit Kiebitz, Feldlerche und Grauammer auch künftig noch einen Lebensraum haben. Sie weiß aber auch, dass es kein Pauschalrezept für alle Arten gibt. Mehr Blühstreifen würden ihrer Ansicht nach helfen, den Bodenbrütern Deckung und Nahrung zu bieten. Und sie schlägt einen Folienanteil von höchstens fünf Prozent in jeder Gemarkung vor.

ibs – LW 10/2020