Fremdarbeitskräfte im landwirtschaftlichen Betrieb

Betriebswachstum erfordert mehr Arbeitskapazität

Anlässlich der Landwirtschaftlichen Woche in Baunatal informierte der Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen (HLBS) sowie der Land- und Forstwirtschaftliche Arbeitgeberverband Hessen (AGV) über betriebswirtschaftliche, vertragliche und steuerliche Rahmenbedingungen bei der Beschäftigung von Fremdarbeitskräften.

„Der Lohnansatz für Tätigkeiten des Betriebsleiters im außerbetrieblichen Bereich, bei Eigenleistungen in Schadensfällen oder bei allgemeinen Betriebskalkulationen sollte mindestens bei 25 Euro/Stunde liegen“, so der Vorsitzende des Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbands Hessen, Dr. Volker Wolfram.

Foto: Dr. Lißmann

Dr. Wolfram beleuchtete eingangs das politische und gesellschaftliche Umfeld, in dem heute Landwirte wirtschaften müssen. Er übte Kritik an den immer weiter wachsenden gesetzlichen Anforderungen in den Bereichen Tierschutz, Düngung sowie Pflanzenschutz und stellte bei Letzterem besonders die hohen Sicherheitsvorschriften im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln heraus. Weiterhin missbilligte er den Flächenverbrauch und nannte hier beispielhaft für Hessen und Deutschland das Gewerbegebiet Malsfeld/Ostheim, wo fortgesetzt beste Ackerböden rücksichtslos der Versiegelung zum Opfer fielen.

Wachstum führte zu mehr Fremdarbeitskräften

Die wirtschaftlichen Zwänge, so fuhr Dr. Wolfram fort, haben die Höfe in den vergangenen Jahren weiter wachsen lassen und damit ist auch der Anteil der Fremdarbeitskräfte auf den Höfen deutlich angestiegen. Im Jahr 2016 gab es insgesamt 940 000 Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Davon waren nur noch 47,8 Prozent Familienarbeitskräfte und 52,2 Prozent Fremdarbeitskräfte. Der Anteil der Saisonarbeitskräfte erreichte dabei 30,4 Prozent und die ständig angestellten Arbeitskräfte 21,8 Prozent.

Betrachtet man die relative Entwicklung in den vergangenen 13 Jahren, so haben die Familienarbeitskräfte um 15 Prozent abgenommen und die Fremdarbeitskräfte um 15 Prozent zugenommen, was die wachsende Bedeutung der Fremdarbeitskräfte in den Betrieben dokumentiert. Die Kosten für eine Fremdarbeitskraft müssen aber im Betrieb verdient werden, so Dr. Wolfram. Schaut man sich die Buchführungsergebnisse im Schnitt der letzten drei Jahre an, so kommen nicht entlohnte Familienarbeitskräfte inklusive Betriebsleiter auf einen Gewinn von rund 35 000 Euro je Arbeitskraft. Das ist eine wichtige Orientierungsgröße bei der Einstellung von Fremdarbeitskräften.

Fremdarbeitskosten weit höher als Bruttolohn

Legt man die seit dem 1. Januar 2020 geltenden Tariflöhne in den grünen Berufen zugrunde, so erhält man eine Spanne für in der Landwirtschaft Beschäftigte von 9,35 Euro Mindestlohn für ungelernte Arbeiter (Lohngruppe 1a) bis 16,73 Euro für Meister und Agraringenieure mit Personalverantwortung (Lohngruppe 8). Diese Tariflöhne sind Untergrenzen, oft muss für gute Arbeitskräfte noch eine Zugabe erfolgen. Der Markt für landwirtschaftliche Fachkräfte ist ein Nachfragemarkt, es fehlt bundesweit an Personal. Es gibt zu wenige Leute, die diesen beruflichen Weg einschlagen.

Der Tariflohn plus möglicher Zugabe ist der vereinbarte Bruttolohn für den Arbeitnehmer. Für den Arbeitgeber kommen noch zusätzliche Kosten wie Anteile für Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung hinzu.

In Summe sind das rund 20 Prozent zum vereinbarten Lohn als Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherungen. Damit ist es noch nicht getan. Als weitere Kosten für den Arbeitgeber sind Berufsgenossenschaft, Verwaltungskostenanteil, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Lohnzuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit und anderes zu stemmen.

Die Kosten des Arbeitgebers für eine tatsächlich gearbeitete Fremdarbeitskraftstunde sind letztlich noch höher. Denn der Arbeitgeber muss auch Arbeitszeiten bezahlen, in denen der Arbeitnehmer nicht anwesend ist. Das betrifft die Lohnfortzahlung für Urlaub, Krankheit, Wochenfeiertage und sonstige Verhinderungen. Geht man von einer jährlichen Gesamtarbeitszeit in der Landwirtschaft von 2200 Stunden aus, so werden im Schnitt 400 Stunden von der jährlich bezahlten Gesamtarbeitszeit wegen oben genannter Gegebenheiten nicht gearbeitet, weil die Fremdarbeitskraft in dieser Zeit nicht verfügbar ist.

Würde ein Landwirt eine Fremdarbeitskraft einstellen wollen und würde sich beispielsweise für einen Arbeitnehmer mit Abschlussprüfung in einem landwirtschaftlichen oder vergleichbaren Ausbildungsberuf, der unter eigener Verantwortung seine Arbeiten selbstständig ausführen kann, entscheiden, so wäre eine solche Arbeitskraft in der Lohngruppe 5 eingruppiert. Für die Lohngruppe 5 wird ein Tariflohn von 13,54 Euro angegeben. Unter Berücksichtigung der Zusatzkosten für den Arbeitgeber würden die tatsächlichen Kosten für jede geleistete Arbeitsstunde einer solchen Arbeitskraft den Arbeitgeber 21,91 Euro kosten. Daraus folgt, dass unter Berücksichtigung aller Zusatzkosten ein Arbeitgeber rund 60 Prozent auf den vereinbarten Bruttolohn aufschlagen kann, um auf die tatsächlichen Kosten einer geleisteten Arbeitsstunde in der Landwirtschaft zu kommen.

Stundenverwertung von mindestens 20 Euro

Aus diesen Berechnungen folgt, so Dr. Wolfram: „Wer nicht mindestens 20 Euro pro Stunde im landwirtschaftlichen Betrieb erwirtschaften kann, sollte die Finger von Fremdarbeitskräften lassen, denn sonst geht dies zu Lasten des eigenen Einkommens.“ Schaut man sich die Buchführungsstatistiken an, so kommen die Betriebe im Mittel auf eine Stundenverwertung von 13 bis 16 Euro. Angemessene Einkommen werden oft nur erwirtschaftet, weil von Familienarbeitskräften mit einem Arbeitsstundenumfang von 2 500 bis 3 000 Stunden im Jahr erheblich mehr gearbeitet wird, als in einem Lohnarbeitsverhältnis mit rund 1 700 Stunden. Wie bekannt zeigen die Einkommen in der Landwirtschaft eine erhebliche Spannweite und für die erfolgreichen Agrarunternehmer ist die Einstellung von Fremdarbeitskräften durchaus ein guter Weg.

Im zweiten Teil seines Vortrags ging Dr. Wolfram auf die Regelungen im Arbeitszeitgesetz ein. Im Besonderen erläuterte er die speziellen Regelungen zu Arbeitszeitkonten, insbesondere unter dem Aspekt des sehr unterschiedlichen Arbeitsanfalls in landwirtschaftlichen Betrieben und den dazugehörigen Vergütungsfragen, gemäß neuem Landarbeiter-Manteltarifvertrag für Hessen von 2019. Zu diesen Themen und den ergänzenden Steuerfragen wurde bereits in der Wochenblattausgabe LW 2/2020 berichtet.

Dr. Günther Lißmann, Kassel – LW 5/2020