Freuden und Mühen der Landwirtschaft selbst erackern

Solidarische Landwirtschaft vermittelt Einsichten

Sich gesund ernähren, ernten und essen, was man selbst gesät und gepflanzt hat. Es sind solche idealistischen Gedanken, die Menschen zur solidarischen Landwirtschaft (SoLawi) bringen. Wer sich allerdings ernsthaft mit Ackerbau beschäftigt, lernt sehr schnell auch Probleme kennen.

Der Gedanke, wie schön es ist, Gemüse in einer Menge anzubauen, dass es zum Leben reicht, wird durch die praktische Erfahrung ergänzt, dass Mäuse großzügig mitessen oder Krähen die Bewässerungsschläuche zerhacken und so zu Plastikmüll werden lassen. Da kommt manches Glaubensdogma ins Wanken.

Foto: Potenkowski

Besser und intensiver schmecke das selbst angebaute Obst und Gemüse, loben die Anhänger der SoLawi bei einem Treffen der derzeit fünf örtlichen Gruppen im Wetteraukreis (Friedberg-Dorheim, Wölfersheim, Bingenheim Büdingen, Nidda-Wallernhausen). Doch nicht nur sie wissen die leckeren Feldfrüchte zu schätzen.

Wohlgenährte Mäuse und Krähen auch am Futtertisch

Obwohl die Teilnehmer des Treffens nur wenige Meter entfernt sitzen, flitzen sichtlich wohlgenährte Mäuse durch die Ackerfurchen am Ortsrand von Wölfersheim. Dabei sind die Nager noch die kleinere Sorge der im Februar 2020 gegründeten SoLawi Guter Grund Wölfersheim, der auch viele Mitglieder aus dem Rhein-Main-Gebiet angehören.

Yvonne Kretschmar, die als Gärtnerin den Acker betreut, zeigt den Mitgliedern Löcher in den Bewässerungsschläuchen. An manchen Stellen sprühen Fontänen in den Himmel. Wo die Löcher größer sind, läuft das Wasser in kleinen Bächen hangabwärts. Sie berichtet von Krähen, die in Schwärmen auf dem Feld einfallen und Löcher in die Schläuche hacken. Auch auf Kohlrabi, Mais und Blumenkohl haben es die Rabenvögel abgesehen.

Kunststoffschläuche zu Plastikmüll verarbeitet

Rund 500 Euro haben die Kunststoffschläuche zur Feldbewässerung gekostet. Fast mehr als den finanziellen Schaden bedauern die SoLawi-Mitglieder, dass die Schläuche jetzt ein Beitrag zum großen Müllberg sind. Selbst die Veganer unter ihnen sind überzeugt: „Die Krähen müssen weg.“ Ãœber das Wie sind sie sich jedoch nicht einig. „Man könnte Krähen- mit Mäuseragout machen“, scherzen manche. Andere sind dagegen nicht sicher, ob man wegen der Nahrungskonkurrenz Tiere töten dürfe.

Denn neben dem Wunsch, sicher sein zu können, gesunde Lebensmittel zu essen, steht hinter der Idee der solidarischen Landwirtschaft auch das Ideal einer besseren, gerechten Welt, soziale, ökonomische und ökologische Aspekte wieder in eine Balance bringen, wie Wolfgang Kring es ausdrückt. „Wie wir hier leben und uns ernähren, macht uns krank, Menschen in anderen Regionen hungrig und die Umwelt kaputt“, stellt er fest. Der Unternehmensberater kommt aus der Landwirtschaft. „Ich habe gemerkt, dass man sein Geld leichter verdienen kann.

Beiträge in Geld oder auch in Arbeitsleistung

Ein Weg zu dieser sozialen Balance ist, dass viele SoLawis unterschiedlich hohe Beiträge abhängig vom Einkommen der Mitglieder erheben. Manche überlassen den Mitgliedern selbst, wie viel sie bezahlen. Andere ermöglichen einen Teil des Beitrags in Arbeitsleistung abzugelten. So vielfältig wie die Strukturen und Herkunft der Mitglieder sind offenbar auch die Organisationsmodelle. Gerrit Jansen berät die SoLawis im Auftrag des Bundesverbandes nicht nur über solche Rechtsfragen, sondern auch über den richtigen Anbau.

Wobei viele SoLawis Gärtner fest eingestellt haben. Denn so sehr sie wieder eine direktere Beziehung zu ihren Lebensmitteln bekommen wollen, so weit hatten sich bei vielen die Lebensverhältnisse von den praktischen Fragen des Anbaus entfernt. 2015 hätten sie sich in ersten Diskussionen „Gedanken gemacht, wie schön es ist, Gemüse in einer Menge, dass es zum Leben reicht, anzubauen“, berichtet Christiane Rehahn von der SoLawi Bunter Acker in Wallernhausen. „Wir wollen das wieder lernen und den Kindern zeigen, wie schön arbeiten im Garten ist.“

Wie in Wallernhausen arbeitet auch die SoLawi in Wölfersheim, der viele Mitglieder aus dem Rhein-Main-Gebiet angehören, eng mit einem Landwirt zusammen. Jens Diefenbach hat der SoLawi nicht nur einen Acker verpachtet. Auch das Wasser für den Anbau pumpt er aus einem selbst gebohrten Brunnen auf das Feld. Als Ökolandwirt unterstützt er das Projekt auch inhaltlich. Dabei sei es nicht immer leicht, zu einer gesunden Landwirtschaft zu stehen, erklärt er. „Die Politik sagt immer, mach Bio, aber niemand will die Produkte“, klagt er, dass die Verbraucher nicht bereit seien, entsprechende Preise zu zahlen. Zumal nicht alles, wo Bio draufstehe unter fairen Bedingungen produziert werde.

„Das ist wichtig, dass das für den Bauern, der das Land zur Verfügung stellt, eine Win-Win-Situation ist“, mahnt Jansen. Konkret bedeutet das, dass der Landwirt nicht nur Pachteinnahmen hat, sondern auch für die Unterstützung bei Bewässerung oder Bodenbearbeitung bezahlt wird. „Es muss sich für den Jens auf jeden Fall lohnen. Er lebt davon.“ Jansen schlägt einen Pauschalbetrag vor. „Es ist doch mehr Arbeit, wie ich gedacht habe“, merkt Diefenbach an. „Es wird sich aber auch mit der Zeit einspielen“, hofft Monika Brenninger von der SoLawi Guter Grund.

Es ist diese Mischung aus realen Problemen und dem Stolz auf die Früchte des eigenen Engagements und zum Teil auch der eigenen Arbeit, die die Gespräche der Mitglieder prägt. „Unglaublich, alles grün – vor zweieinhalb Monaten war das ein brauner Acker“, staunt der Gärtner Tom Loose.

Sehnsucht nach einer besseren Welt

Und dann ist da noch die Sehnsucht nach einer besseren Welt. „Es ist mir wichtig, eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen“, erklärt Annette Wolf. Sie habe miterlebt, wie ihr Vater die Landwirtschaft aufgeben musste. „Es ist einfach traurig zu sehen, wie jemand etwas, das er mit Herzblut macht, aufgeben muss“, erinnert sie sich.

In den SoLawis entdecken jetzt auch Menschen aus gut bezahlten Berufen die Landwirtschaft neu. „Wie können wir diese Idee, dieses Herzblut verbreiten“, überlegt Jansen. Denn er wünscht sich für jeden Ort eine solidarische Landwirtschaft.

Potenkowski – LW 36/2020