Frühe Früchtchen mit Biogas
Ernte für Erdbeeren aus der Wetterau hat begonnen
Bei kaum einem anderen Obst legt der Verbraucher solch einen Wert auf Regionalität wie bei den Erdbeeren. Bisher beherrschen im Frühjahr noch die Erdbeerimporte aus Spanien den deutschen Markt. Für den ErdbeeranÂbauer Maximilian Reuhl aus Münzenberg/Gambach sind sie jedoch keine Konkurrenz mehr. Seit Anfang April erntet Reuhl mit einem neuartigen Anbaukonzept die ersten hessischen Erdbeeren aus dem Folientunnel – eine Biogasanlage macht es möglich.

Foto: Tonia Hysky
Seit Anfang Januar wird das Wachstum der Erdbeeren durch die Abwärme aus der Anlage unterstützt, damit erreicht Maximilian Reuhl eine Ernteverfrühung von acht Wochen – lange vor der Haupternte im Juni ist er mit vollreifen Früchten auf dem Markt. „Die Heizung läuft auch jetzt noch mit, sodass die Pflanzen immer ein optimales Klima bekommen“, so der 26-Jährige. Wärmer als 25 Grad soll es aber nicht werden, sonst stellen die Erdbeeren ihr Wachstum ein. Die Idee, Biogas und Erdbeeren zu verbinden, entstand spontan während eines Skiurlaubs mit seinem Freund und Kollegen Jan Winter (26). Dieser suchte einen Weg, die Abwärme seiner Biogasanlage besser zu nutzen (Die Anlage ist nach EEG 2009 gebaut, sie hat damit Anspruch auf den KWK-Bonus). „Warum produzieren wir nicht Erdbeeren mit der Wärme?“, erinnert sich Maximilian Reuhl. Nach der Rückkehr entwarf ein Heizungsingenieur aus der Verwandtschaft das Leitungssystem. 170 000 EuÂro wurden in den Aufbau der Tunnel investiert plus Eigenleistung. Einschließlich der Heizung für Wohnhaus und Stall erreicht die Biogasanlage – bis auf die Sommermonate Juli und August – heute eine Wärmenutzung von fast 100 Prozent.
Im Winter haben die Erdbeeren Präferenz: Gibt es ein Frostproblem, schaltet die Software auf die Tunnel um, damit die Erdbeeren heil über den Winter kommen. Eine weitere BesonderÂheit des Systems: Die Erdbeeren wachsen nicht auf dem Boden, sondern auf 1,20 m hohen Stellagen in Pflückhöhe. „Die Höhe schafft für die Pflücker gute Arbeitsbedingungen und auch eine höhere Pflückleistung, 50 Prozent des Preises sind Pflückkosten“, sagt Reuhl, „Es bringt auch eine bessere Qualität, das ist eigentlich das Entscheidende“. Hängend und trocken wachsend ist der Pilzbefall gering, chemischer Pflanzenschutz kaum nötig. Bestäubt übrigens wird mit Hummeln, denn sie sind bereits bei 12 Grad im Februar aktiv, Bienen erst ab 17 Grad.Verkauft werden die Erdbeeren ab jetzt in eigenen Verkaufsständen und über die Organisation „Landmarkt“ im örtlichen Einzelhandel unter dem Label „Wetterauer Früchtchen“. Der Preis für die 250-Gramm Schale beträgt 2,70 Euro. Und die Konkurrenz aus Spanien, die es auch schon beim Discounter gibt? „Mit denen haben wir eigentlich nichts zu tun“, sagte Reuhl. Das sei ein ganz anderer Markt. „Wer unsere Erdbeeren möchte, der kauft auch unsere Erdbeeren“.
Am vergangenen Wochenende wurde das Projekt „Erdbeeren und Biogas“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Gambacher Erdbeerkönigin Angelika I. eröffnete damit zugleich die diesjährige Erdbeersaison in Hessen auf dem Lindenhof. Herwig Marloff, Vorsitzender des Regionalbauernverbandes Wetterau-Frankfurt zeigte sich begeistert über das Projekt der Junglandwirte: „Hier wächst alles und wir können auch alles. Und was wir nicht können, lernen wir.“ Auch Wolfgang Patzak, Wetterauer Kreisbeigeordneter für Landwirtschaft und Butzbachs Erster Stadtrat Manfred Schütz, kamen zur Eröffnung nach Nieder-Weisel und freuten sich über die ersten hessischen Erdbeeren der diesjährigen Saison.
Hysky – LW 16/2015