Landwirte brauchen in der Politik verlässliche Partner

Vertreterversammlung des RBV Wetterau-Frankfurt

„Die Bauernhofidylle aus Bilderbüchern hat es nie gegeben“, sagte Dr. Hans-Joachim Herrmann, Fachberater für Tierhaltung vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen. Er sprach zum Thema Tierwohl während der Vertreterversammlung des Regionalbauernverbandes Wetterau-Frankfurt am vergangenen Freitag in Ranstadt.

Walter König (l.) erhielt vom Vorsitzenden des Regionalbauernverbandes Wetterau Frankfurt, Herwig Marloff, die Silberne Ehrennadel des Hessischen Bauernverbandes und ein Präsent des RBV.

Foto: Ines Dauernheim

RBV-Vorsitzender Herwig Marloff eröffnete die Versammlung und blickte auf ein durchschnittliches Ernte-Jahr zurück. „Die Zuckerrübe toppte alles, sie ist hier heimisch und bringt Spitzen-Erträge.“ Ein Dilemma sei, dass zukünftig die Landwirte die Frachtkosten zur Fabrik selbst zahlen müssten, die Zuckermarktordnung wegfällt, daher sei es gut, dass die Planungen für den Bau einer hauptsächlich mit Zuckerrüben betriebenen Biogasanlage in Florstadt voran schreiten. Wichtig sei es für die Landwirte, in der Politik zuverlässige Partner zu haben. Mit Blick auf die Bundespolitik kritisierte Marloff die zerklüfteten Zuständigkeiten und sagte „Verbraucherpolitik und Landwirtschaftspolitik gehören zusammen in ein Ministerium.“

Derzeit hätte der Berufsverband Gesprächspartner in fünf verschiedenen Ministerien, da sei es mühsam, die Positionen der Landwirte immer an der richtigen Stelle zu formulieren. Aktuell sorgt sich der Kreislandwirt über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sowie die Chancen mit Klärschlamm zu düngen. „Wir haben in der Wetterau ein erfolgreiches und zertifiziertes Modell entwickelt, das lassen wir uns nicht kaputt reden“, warnte er. „Wir handeln zum Wohl unserer Länder, der Kulturen, wir wissen um unsere Verantwortung als Landwirte, die wir gegenüber der Gesellschaft haben“, sagte Marloff. Daher sei es auch wichtig, bereits Kindern die Abläufe auf den Bauernhöfen vorzustellen“, erklärte Marloff und bedankte sich bei den Landwirten, die am Projekt „Bauernhof als Klassenzimmer“ mitwirken.

Tierhaltung erfolgt nach den modernsten Erkenntnissen

Gastredner Dr. Joachim Herrmann sprach über die Erkenntnisse zum Tierwohl und sagte zum Thema Frischluft in Ställen: „Hier wurden noch vor Jahrzehnten alle Türen aus Angst vor Unterkühlung der Rinder geschlossen, heute leben Kühe in Kaltställen.“ Oder: „Noch vor wenigen Jahrzehnten lebten Menschen mit mehr Bezug zu Nutztieren, sie kannten Hausschlachtungen. Später fand eine Entfremdung von der Landwirtschaft statt“, erklärte Herrmann.

Die Leistungen der Nutztiere seien gestiegen, ebenso wie die Zahl der Menschen, die ein Landwirt ernährt und die Tiermenge, die gehalten wird. Lebten vor 100 Jahren noch durchschnittlich vier Kühe in einem Stall in Hessen, seien es heute 50.

„Für Nutztiere hat sich vieles zum Positiven entwickelt“

„Für die Tiere hat sich eine Menge hin zum Positiven entwickelt, Dank der heutigen Standards“, so Herrmann. Schweinehaltung wirke mitunter steril. „Die Qualität der in der Landwirtschaft erzeugten Lebensmittel hat sich kontinuierlich gesteigert.“

Es gebe Eingriffe bei Tie­ren, die überbewertet werden, sagte Hermann, wie zum Beispiel das Kastrieren und Schwanz­kupieren bei Ferkeln. „Ein Metz­ger auf dem Land wird sich nie Eberfleisch in die Theke legen, fünf bis zehn Prozent des Fleisches riecht, das kann sich kein Metzger leisten.“

Während beim Entfernen der Hornansätze bei Kälbern der Experte zur Narkose rät, sei der Vorgang des Kastrierens und Kupierens ein kurzer Schmerz. Sein Rat: Züchten auf Hornlosigkeit. „Es ist sinnvoll Verbraucher ernst zu nehmen, sie sind Kunden.“ Begriffe wie „Tierproduktion“ soll man meiden, sie seien negativ besetzt und werden nicht dem Gerecht, was Landwirte leisten. „Sprechen Sie in Bildern, nehmen sie Kontakt zu Gemeinden und den lokalen Medien auf“, rät Dr. Herrmann.

„Es ist eine Leistung, wenn Kühe in ihrem Leben 100 000 Liter Milch geben, darüber kann berichtet werden.“ Tierhaltung brauche gesellschaftliche Akzeptanz, sagte der Experte. Dr. Rudolf Müller, Fachdienstleiter Veterinärwesen beim Wetteraukreis unterstützte Hermanns Thesen.

Öffentlichkeitsarbeit im Landwirtschaftsbetrieb

Es sei bedenklich, dass sich Menschen Urteile über Tierhaltung erlauben, die fachli­chen Argumenten gegenüber resistent seien. RBV-Vizevorsitzende Andrea Rahn-Farr informierte darüber, wie in ihrem modernen Betrieb Öffentlichkeitsarbeit betrieben werde und zum Beispiel Schulklassen zum Besuch auf dem Hof eingeladen würden. Applaus gab es für Jan Winters Image-Film über Landwirtschaft, den der Nieder-Weiseler Landwirt drehte und bei einem Wettbewerb den dritten Preis einheimste. Zum Ende der Tagung zeigte Winter sein Werk.

Verbandsregularien und Silberne HBV-Ehrennadel

Einstimmig wurden sechs Beisitzer im Vorstand bestätigt: Hendrik Emich (Bad Nauheim-Schwalheim), Walter König (Ober-Mörlen), Matthias Mäser (Büdingen-Wolf), Claudia Seibold (Frankfurt-Nieder-Eschbach), Günter Stingel (Nidda-Fauerbach) und Rainer Wagner (Florstadt-Stammheim).

Eine besondere Auszeichnung gab es für Walter König aus Ober-Mörlen. Der Landwirt, der sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich im Vorstand des Regionalbauernverbandes engagiert, erhielt die Silberne Ehrennadel des Hessischen Bauernverbandes. „Er hinterfragt, ist kritisch und immer ruhig und gelassen“, lobte Marloff Königs Engagement im Bauernverband.

Dauernheim – LW 12/2014