Für Kreativität und Wagnisse aufgeschlossen sein

Weinzirkel am Dreikönigstag in Ludwigshöhe

Das Jahresthema der Weinbruderschaft Rheinhessen lautet „Zeitenwende – Weine, Werte, Wagnis“ und so befasste sich der Weinzirkel am Dreikönigstag mit Weinen und Wagnis. Alkoholfreie, alkoholreduzierte, unfiltrierte Weine – es war eine bunte Weinprobe. Die Winzer wagen neue Produkte, um der Nachfrage gerecht zu werden.

Kellermeister Pascal Balzhäußer (links) und Weinbruder Bernd Wechsler (rechts), Leiter des Kompetenzzentrums Weinmarkt und Weinmarketing am DLR in Oppenheim, moderierten gemeinsam eine lehrreiche Weinverkostung beim traditionellen Weinzirkel am Dreikönigstag der Weinbruderschaft Rheinhessen, dieses Jahr in Ludwigshöhe.

Foto: Norbert Krupp

Die Folgen des Klimawandels und das veränderte Konsumverhalten junger Menschen veranlassen etliche Winzer in ihren Weinbergen und -kellern andere Wege einzuschlagen und neue Produkte auf den Markt zu bringen. Diese Entwicklung verdeutlichten Bernd Wechsler, Leiter des Kompetenzzentrums Weinmarkt und Weinmarketing am DLR in Oppenheim, und Kellermeister Pascal Balzhäußer beim traditio­nellen Weinzirkel am Dreikönigstag der Weinbruderschaft Rheinhessen.

Als Begrüßungsschluck konnten die 80 Teilnehmer einen alkoholfreien Secco „Rosé pur“ der Sektmanufaktur Strauch in Osthofen verkosten. Dieser diente mit drei weite­ren innovativen Produkten als Beleg für den Trend zu Roséweinen. Auf fast 7 500 ha, also 31 Prozent der rheinhessischen Rebfläche, werden rote Rebsorten angebaut, mit denen 2022 rund 20,7 Mio. l Roséweine erzeugt wurden, mehr als doppelt so viel wie vor 25 Jahren.

Der Rotweinanteil liege bei 60 Prozent und sinke, während der Roséanteil 40 Prozent erreicht habe und steige, berichtete Wechsler: „Das ist ein großer Wachstumsmarkt mit vielen Varianten.“

Wagnisse würden bei der Erzeugung von Naturweinen eingegangen, die biologisch oder biodynamisch hergestellt, handgelesen und spontanvergoren werden, leitete Wechsler den zweiten Probenblock ein. Die Erzeugung von Naturweinen sei etwas risikobehafteter als die konventionelle Weinbereitung. Im Keller werde auf Filtration und Weinbehandlungs- sowie Schönungsmittel verzichtet. Deshalb erfüllen diese Weine nicht das Kriterium der Klarheit, das bei der Qualitätsweinprüfung vorausgesetzt werde. Zum Marketing der Naturweine würden Nischen genutzt, die für Winzer durchaus attraktiv seien, meint Wechsler. Besonders in Skandinavien gibt es eine Nachfrage. Es gebe weniger Konkurrenz in solchen Nischen und die Betriebe könnten für ihre Weine höhere Preise aufrufen.

Im dritten Probenblock wurden zwei Chardonnays vorgestellt, einer vom Weingut Muth in Alsheim. Muth hatte 1984 Chardonnayreben aus Frankreich mitgebracht und als Versuchsanbau gepflanzt – vermutlich die ältesten Reben dieser Sorte in Rheinhessen oder gar in Deutschland.

Der klimatische Wandel habe dazu beigetragen, dass viele der in den letzten Jahren geernteten Chardonnays „super-interessant“ seien, attestierte Wechsler. Der Chardonnay mit seinen dickschaligen Beeren sei relativ robust und komme gut mit trockenen, heißen Sommern zurecht. In Rheinhessen steht Chardonnay inzwischen auf 955 ha Rebfläche, nach 2 150 ha Grauburgunder und 1 554 ha Weißburgunder. „Diese Rebsorten sind in den letzten Jahren gut nachgefragt“, stellte der Referent fest.

Weinbruder Rainer Richter stellte die erst 200 Jahre alte Gemeinde Ludwigshöhe vor, die nach mehrfacher Überflutung des Ortes Rudelsheims auf Anweisung von Großherzog Ludwig auf die Rheinhöhe umgesiedelt wurde.

Brudermeister Prof. Dr. Axel Poweleit zitierte aus dem Buch „Die Leitweine Hessens“ 1927, dass damals in Ludwigshöhe 80 Prozent Österreicher, zehn Prozent Riesling sowie Frühburgunder und Portugieser in Drahterziehung angebaut wurden. Zur Qualität der Weine stand dort zu lesen: „Sie werden gerne gekauft.“

Norbert Krupp – LW 3/2023