Gemeinsam den richtigen Weg einschlagen

Feldhasen, Rebhühner und Fasane schützen

Das LJV-Niederwildsymposium am 29. August in Alzey war ein voller Erfolg. Rund 200 Interessierte kamen zusammen, um zu erfahren, wie sich der Artenschwund im Offenland aufhalten lässt.

Ergebnis der Podiumsdiskussion mit (v.l.) Dr. Dieter Reinecke, Matthias Schneider, Dr. Peter Keller, BWV-Präsident Eberhard Hartelt, LJV-Vizepräsident Gundolf Bartmann, Frank Ridderbusch, LJV-Präsident Kurt Alexander Michael und Prof. Dr. Klaus Hackländer ist die Schaffung eines Beratungszentrums, wo Landwirte und Jäger professionelle Beratung finden.

Foto: ljv

„Es gibt keine einfache Lösungen für komplexe Probleme“; so die Erfahrung von Prof. Dr. Klaus Hackländer, Universität für Bodenkultur Wien, während seines Vortrages auf dem LJV-Niederwildsymposium in Alzey. Diese simple Aussage traf den Kern der Veranstaltung, an der neben Prof. Dr. Hackländer auch Dr. Eckhard Gottschalk, Abteilung Naturschutzbiologie der Universität Göttingen, Ludwig Simon, Referatsleiter biologische Vielfalt und Artenschutz, Landesamt für Umweltschutz, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht, Regierungsdirektor Norbert Müller, Leiter Prüfdienst Agrarförderung Rheinland-Pfalz, Dr. Heinrich Spittler, Vorsitzender des Stifterverbandes für Jagdwissenschaften sowie Wildmeister und akademischer Jagdwirt Christoph Hildebrandt, Leiter der Landesjagdschule LJV, als Referenten teilnahmen. Das Symposium war geprägt von konstruktiven Vorträgen und dem gemeinsamen Willen, dem drohenden Verlust der Biodiversität im Offenland Einhalt zu gebieten. Denn die dramatische Entwicklung beim Niederwild und anderen Offenlandarten ist kein lokales Problem, sondern ein europäisches, wie Studien zeigen. Die Ursachen für den negativen Trend bei der Artenvielfalt sind vielfältig und komplex. Dazu zählen der Einfluss der Beutegreifer, menschliche Faktoren sowie das Klima und Krankheiten; die Intensivierung der Landwirtschaft bezeichnet Hackländer dabei als „Superfaktor“, der die Wirkung der anderen Faktoren verstärkt.

Zu viele Feinde für das Niederwild

In seinem Vortrag zum Rebhuhnschutzprojekt Göttingen zeigte Dr. Eckhard Gottschalk, dass Prädatoren den größten Einfluss auf die Mortalität der Rebhühner im Untersuchungsgebiet hatten. In der Mehrzahl der dokumentierten Fälle, in denen der verantwortliche Beutegreifer zugeordnet werden konnte, zeichneten dabei Raubsäuger – sprich Fuchs, Marder oder Dachs – für den Tod der Hühner verantwortlich. Vor allem hohe Fuchsbestände stellen für die Arten der Offenlandschaft eine enorme Bedrohung dar.

Dies war auch für Wildmeister Christoph Hildebrandt eine wesentliche Erkenntnis, die er aus dem Niederwildprojekt „Das Mögliche tun“ (2001 bis 2007) ziehen konnte. Ganz entscheidend ist darüber hinaus für ihn jedoch der Zeitpunkt der Erlegung. Bis Ende Juni müssen 75 Prozent der jährlichen Fuchstrecke erfüllt sein, so seine Kernaussage. Solange adulte Füchse ein Geheck versorgen, nimmt deren Beutetrieb nicht ab – und damit der Druck auf die Jungen seiner bevorzugten Beutetiere. Ein frühzeitiger Beginn der (Jung)-Fuchsbejagung sei damit unumgänglich.

Füchse früher und intensiver bejagen

Noch besser, das Geheck kommt erst gar nicht zustande, so die Ansicht von Dr. Heinrich Spittler, der gleichfalls in der Prädation den wesentlichen Faktor für die Verschlechterung der Situation erkennt.

Sowohl Wildmeister Hildebrandt als auch Dr. Spittler wiesen jedoch darauf hin, dass auch die Rabenvögel einen erheblichen Einfluss auf das Niederwild haben. Gelegetests zeigen eindrucksvoll, dass ganze Gelege von Bodenbrütern innerhalb von 24 Stunden von Rabenkrähen ausgelöscht werden.

Doch warum haben Prädatoren so leichtes Spiel in der heutigen Offenlandschaft? Sowohl für die Wissenschaftler als auch für den Praktiker liegt der Hauptgrund hierfür in der fehlenden Deckung.

Ludwig Simon, Landesamt für Umweltschutz, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht, legte dar, dass die intensive landwirtschaftliche Nutzung von Flächen als Ursache für den Rückgang an Deckungsmöglichkeiten und damit für Artenschwund mitverantwortlich ist. Die Vergrößerung der Schläge mit einhergehender Artenverarmung auf großer Fläche, intensivere Anbaumethoden und der Wegfall der EU-Stilllegungspflicht gelten als Gründe.

Die Schuld für diese Entwicklung jedoch allein bei den Landwirten zu suchen ist falsch – da waren sich alle Experten einig. Denn biotopverbessernde Maßnahmen müssen sich für die Bauern lohnen, schließlich stellt die Produktion von landwirtschaftlichen Produkten ihre Lebensgrundlage dar.

Die existierenden Umweltprogramme EULLa und Greening sollen zwar den Landwirten helfen, Einnahmeverluste durch die Schaffung von ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) zu kompensieren, doch die Anlage solcher Flächen stellt ein wirtschaftliches Risiko für sie dar, wie Regierungsdirektor Norbert Müller schildert. Vor allem das Greening bezeichnete er als ein Damoklesschwert, weil schon kleine Fehler bei der Schaffung von ÖVF zum Verlust der Prämien führen können. Dazu kämen hoher bürokratischer und produktionstechnischer Aufwand.

Daher hätten Landwirte gerade in diesem ersten Jahr der Umsetzung der Greening-Vorgaben diejenigen Maßnahmen gewählt, die in den bislang bekannten und etablierten Betriebsablauf passten und aus diesem Betriebsablauf heraus bekannt sind.

Dies trifft auf die Anlage von Brachen zu, gefolgt von Zwischenfrucht- und Leguminoseanbau. Andere Maßnahmen, wie die Anlage von Pufferstreifen oder Landschaftselemente spielten dagegen bislang kaum eine Rolle. Was ist also zu tun, um den freien Fall der Biodiversität im Offenland aufzuhalten?

Mehr Flexibilität für Landwirte ermöglichen

Dr. Gottschalk ist überzeugt, dass die bestehenden Agrarumweltmaßnahmen erfolgreich umgesetzt werden können – das zeigen die positiven Ergebnisse des Göttinger Rebhuhnschutzprojekts. Auch Regierungsdirektor Müller sieht entsprechende Chancen – trotz der Schwächen der Programme. Denn die EU-Kommission hat bereits im Sommer 2015 Einsicht gezeigt und erste Änderungen auf den Weg gebracht, die für mehr Flexibilität sorgen sollen.

Zudem existieren neben den Fördermöglichkeiten aus dem Greeningprogramm weitere Möglichkeiten über zusätzliche Umweltprämien. Schließlich sorge der Einsatz für mehr Artenvielfalt durch die Bauern für ein positives Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit. Ein wesentlicher Punkt zur Verbesserung der Akzeptanz dieser politischen Vorgaben, insbesondere bei den Landwirten, werde nur über die Schaffung verbesserter Lebensbedingungen erreicht, dessen war sich Prof. Dr. Hackländer sicher.

Nur großräumige Konzepte versprechen Erfolg

Einigkeit bestand auch im Lösungsansatz: nur großräumig umsetzbare und umgesetzte Konzepte können für mehr Artenvielfalt im Offenland sorgen. Es gelte, gemeinsam revierübergreifende biotopverbessende Maßnahmen und Prädatorenmanagement anzugehen und zu realisieren.

Dabei könne auch über die Schaffung von Niederwildhegegemeinschaften nachgedacht werden. Landwirte und Jäger müssen enger miteinander Arbeiten und gemeinsam Hegemaßnahmen frühzeitig planen, die wirtschaftlichen Risiken für Landwirte müssen verringert und die Agrarumweltprogramme vereinfacht werden. Dazu muss eine bessere und praxisorientiertere Beratung für Landwirte und Jäger etabliert werden, die vor Ort geeignete Lösungen und Konzepte anbietet.

Hierzu legte der LJV bereits am diesjährigen Landesjägertag in Altenkirchen das „Wildschutzprogramm Feld und Wiese“ (WFW) vor, das alle nötigen und möglichen Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität im Offenland zusammenfasst und dem nun eine herausragende Bedeutung zukommen könnte. Denn nur der richtige Mix aller bereits vorhandenen Instrumente ist in der Lage, das Offenland in einen Lebensraum zu verwandeln, der es auch wert ist, Lebensraum für Niederwild genannt zu werden.

Günther D. Klein, LJV – LW 37/2015