Gemüsebauern sehen keine Perspektive

Julia Klöckner mit Erzeugern im Gespräch

Der Gemüsebau in der Vorderpfalz steht vor enormen Herausforderungen. Vor allem die Verschärfung der Düngeverordnung, aber auch der Arbeitskräftemangel und die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels beschäftigen die Erzeuger. Am Freitag besuchte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Pfalzmarkt in Mutterstadt und sprach mit den Gemüseerzeugern über die aktuellen Themen.

Auf Einladung des MdB Torbjörn Kartes (links) und BWV-Präsident Eberhard Hartelt (rechts) sprach Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner am Freitag mit Gemüsebauerzeugern aus der Pfalz. Links neben ihr steht Hermann Reber.

Foto: Brammert-Schröder

Der Gemüseanbau stand am vergangenen Freitag im Fokus, als Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf Einladung von BWV-Präsident Eberhard Hartelt und dem Bundestagsabgeordneten Torbjörn Kartes (CDU), der seinen Wahlkreis in Ludwigshafen und dem Rheinpfalzkreis hat, zum Pfalzmarkt nach Mutterstadt kam. „In der Branche fällt oft der Begriff Perspektivlosigkeit“, sagte Hartelt in seiner Begrüßung. Der Strukturwandel sei groß, die jungen Betriebsleiter häufig nicht bereit, die Betriebe unter diesen Voraussetzungen zu übernehmen. Die Wertschätzung der Landwirtschaft sinkt stetig, der Druck des Marktes ist enorm, sowohl in Deutschland als auch mit ausländischen Konkurrenten, die billiger produzieren können, weil niedrigere Mindestlöhne und Sozialstandards existierten. „Der Gemüseanbau ist so etwas wie das Fieberthermometer der Landwirtschaft. Er ist unser großes Sorgenkind“, verdeutlichte Hartelt. Hinzu komme der Wegfall wichtiger Wirkstoffe im Pflanzenschutz, die Einschränkungen bei der Düngung sowie die Forderungen zu Arten- und Naturschutz. „Und das alles bei sinkenden Nahrungsmittelpreisen. Diese Maßnahmen greifen in die Betriebswirtschaft der Betriebe ein. Die Kosten werden sich deutlich erhöhen“, sagte Hartelt mit Blick auf die Verschärfung der Düngeverordnung. Kein Wunder also, dass sich unter den Erzeugern eine Perspektivlosigkeit breitmacht.

Erzeuger müssen Preiskampf ausbaden

Hartelt forderte eine preisliche Unterstützung durch den Handel, damit die Erzeuger die Anforderungen in Sachen Natur-, Arten- und Umweltschutz stemmen können. Der Handel müsse Verantwortung übernehmen und nicht nur mit Skandalpreisen auf Kosten der Bauern werben. Bei dieser Forderung hatte der BWV-Präsident die volle Unterstützung der Ministerin: „Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern, in den auch der Handel mit einbezogen wird“, forderte Julia Klöckner. Die Gesellschaft sei oft zwiegespalten. Auf der einen Seite hätten die Verbraucher die gefühlte Gewissheit, dass die Bauern die Umwelt vergiften. „Wir haben 80 Mio. Hobbyagrarwissenschaftler in Deutschland, die genau wissen, wie Landwirtschaft sein soll“, sagte die Ministerin. Auf der anderen Seite seien die Verbraucher häufig aber nicht bereit, mehr für Nahrungsmittel auszugeben. „Es ist auch unverschämt, die Angebote im Supermarkt zu kaufen, wenn beispielsweise Hähnchenfleisch für 15 Cent pro 100 g angeboten wird“, so Klöckner. Die Lockangebote des Handels für Obst und Gemüse würden den Verbraucher dazu erziehen, dass Lebensmittel nichts wert sind. „Wir brauchen einen handelsübergreifenden Vertrag, um das zu ändern. Denn die Letzten beißen die Hunde – und das sind diejenigen, die das Gemüse auf dem Acker produzieren, nämlich die Bauern.“

Unlautere Handelspraktiken EU-weit verboten

Auch das Thema unfaire Handelspraktiken sprach die Ministerin an. Immer wieder komme es vor, dass die Aufträge für Obst und Gemüse vom Handel kurzfristig storniert werden oder die Zahlungsziele zu lang sind. Es gab Runde Tische zwischen Bauern und der Lebensmittelbranche, die nach Aussage von Klöckner für Dialog und auch für mehr gegenseitiges Verständnis gesorgt haben. Inzwischen gilt seit dem 30. April die EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken, die die Erzeuger auch in Deutschland vor unfairen Handelspraktiken schützen soll. „Diese EU-Richtlinie muss nun in nationales Recht umgesetzt werden“, erklärte die Ministerin. In der EU-Richtlinie seien zehn unlautere Handelspraktiken aufgeführt, die nicht erlaubt sind. Weitere Praktiken dürfen nur angewendet werden, wenn beide Vertragsparteien zustimmen. Klöckner forderte die Erzeuger auf, ihr Verstöße bei den Handelspraktiken zu melden. Gerne würde sie konkrete Fälle an die Handelsunternehmen weitergeben. Doch bisher ist kein Erzeuger bereit gewesen, konkrete Verstöße unter seinem Namen zu nennen. Zu groß ist die Angst, von den Unternehmen ausgelistet zu werden. „Doch ich kann Ihnen nur helfen, wenn ich bei solchen Runden Tischen auch Ross und Reiter nennen und die Vorgänge belegen kann“, sagte Klöckner. Ihr sei versichert worden, dass es zu keinen Auslistungen kommen werde. „Sollte das doch der Fall sein, freue ich mich jetzt schon auf das Telefongespräch mit dem Unternehmenschef. Das wird kein Spaß für ihn.“

Bei dem Thema Düngeverordnung machte Klöckner den Gemüsebauern keine Hoffnung auf Ausnahmen. „Die Gemüsebauern in den roten Gebieten werden durch die geplanten Änderungen der Düngeverordnung stark betroffen sein“, räumte sie ein. Der Düngebedarf müsse dort um 20 Prozent im Betriebsdurchschnitt gesenkt werden, da führe kein Weg dran vorbei. „Davon sind laut dem Leibnitz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau vor allem Betriebe betroffen, die sich auf den Anbau von Kohl, Brokkoli, Spinat, Salat, Bundzwiebeln und Radieschen spezialisiert haben“, führte die Ministerin aus. Kulturen, die in der Pfalz eine große Bedeutung haben. „Doch wir alle müssen eine Tatsache zur Kenntnis nehmen. Gerade in Gemüseanbaugebieten ist das Grundwasser häufig mit Nitrat belastet.“ Die Messstelle mit den höchsten Nitratwerten im Grundwasser liege in Gönnheim in der Vorderpfalz. „Auch das gehört zu den Fakten dazu“, machte Klöckner deutlich.

Neue Strategien im Gemüsebau werden getestet

Gegen Deutschland ist von Seiten der EU-Kommission ein Zweitverfahren wegen der Nichteinhaltung der EG-Nitratrichtlinie eingeleitet worden. Die Kommission verlange von Deutschland erneut weitere Anpassungen, insbesondere für die Düngung in belasteten Gebieten, so Klöckner. „Wir müssen da rangehen, auch, weil wir sonst keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr haben.“ Sonst drohten Deutschland Strafzahlungen von über 850 000 Euro am Tag. Die Bundesregierung habe nun einen Monat Zeit, gemeinsam mit den Ländern eine Einigung über die Maßnahmen zu erzielen. „Es wird dabei bleiben: Die Düngung muss in den belasteten Gebieten in Deutschland reduziert werden und wir müssen die Stickstoffeffizienz deutlich verbessern“, so die Ministerin. Es gehe jetzt darum, eine praxistaugliche und zugleich schonende Regelung für die Betriebe zu erreichen. Düngung habe ihre Berechtigung, um Sicherheitserträge zu garantieren. Das gelte sowohl für den konventionellen als auch für den Bioanbau. Wie ein zukunftsfähiger Gemüsebau aussehen kann, wird derzeit im Modell- und Demonstrationsvorhaben „Optimierung der Stickstoffdüngung im Freilandgemüsebau“ erprobt. Ausgewählte Betriebe setzen laut Klöckner neue gemüsebauliche Strategien in die Praxis um, die geringere Stickstoffverluste erwarten lassen. Auch ein Gemüsebaubetrieb in der Pfalz ist dabei.

Klöckner suchte ausdrücklich den Dialog mit den Gemüseerzeugern. Der alte Versteigerungssaal im Pfalzmarkt war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Dinge, die die Erzeuger umtreiben, sind vielfältig: die Situation bei den Pflanzenschutzmittel-Zulassungen, die verhindert, dass neue Wirkstoffe auf den Markt kommen, die dringend gebraucht werden, um Resistenzen zu vermeiden. Die Mindestlöhne, die voll zu Lasten der Erzeuger gehen, weil der Handel nicht bereit ist, mehr für deutsche Produkte zu zahlen. Aber vor allem die Umsetzung der Düngeverordnung und die Diskussion um die Nitratbelastungen des Grundwassers beschäftigen die Gemüsebauern. Hier geht es um ihre Existenz. „Bei meinen Kollegen macht sich Resignation breit. Die Erfolgsstory Gemüsebau in der Pfalz war einmal“, sagte Hermann Reber, Vorsitzender der BWV-Fachgruppe Gemüsebau. Er gab zu bedenken, dass die ganze Region vom Gemüsebau lebt.

Gewässerschonende Bewirtschaftung fördern

Hartelt ging nochmal auf die Aussage ein, dass der Brunnen mit den höchsten Nitratwerten in Gönnheim angesiedelt ist. „Es hat System, dass die Nitratwerte der Brunnen so zusammengestellt werden, wie es gerade passt.“ Häufig würden in den Untersuchungen verschiedene Betrachtungszeiträume miteinander verglichen, so dass die Aussagen nicht stimmen würden. „Wir wissen noch nicht einmal, wo der Brunnen oder die Messstelle in Gönnheim ist“, fügte ein Landwirt hinzu. Die Nachforschungen hätten bisher keinen genauen Standort ergeben. „Die Frage der Messstellen ist Ländersache“, erklärte Klöckner. So auch die Umsetzung von Gewässerkooperationen von Land und Wasserwerken, wie sie beispielsweise in Baden-Württemberg schon seit vielen Jahren erfolgreich betrieben werden. Die Landwirte erhalten dort Ausgleichzahlungen für die gewässerschonende Bewirtschaftung. „Das hängt immer am Budget der Landesregierung, und auch die Trinkwasserverbände halten sich hier zurück“, so Klöckner. Sie schlug vor, in Rheinland-Pfalz einen kleinen Runden Tisch mit Vertretern aus Baden-Württemberg einzurichten, um sich über die Möglichkeiten einer ähnlichen Verordnung wie der Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO) zu beraten. Diese gilt im Nachbarland seit 1988 zum Schutz des Grundwassers in Wasserschutzgebieten. Leider sei es bisher nicht möglich, die Betriebe, die im Rahmen von Vereinbarungen mit Wasserwerken, wie es auch in Südhessen der Fall ist, von den Einschränkungen durch die Düngeverordnung auszunehmen, so Klöckner.

Ibs – LW 34/2019