Georg Scheu – der Rebenflüsterer

Scheurebe-Tag – viel mehr als „nur“ Wein

Die Scheurebe wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Aus diesem Anlass hatten Rheinhessenwein, das DLR RNH Oppenheim und das Weingut Dr. Eva Vollmer aus Mainz-Ebersheim alle Scheurebe-Fans zu einem Scheurebe-Tag eingeladen.Das Programm begann mit Vorträgen der Experten am DLR zu Weinbau und Kellerwirtschaft, setzte sich fort mit zwei Degustations-Workshops und fand seinen Abschluss mit einem grandio­sen Scheurebe-Geburtstags-Fest.

Von links: Die Pfälzer Weinkönigin Julia Kren, deutsche Weinkönigin Josephine Schlumberger, Rheinhessenwein-Vorsitzender Thomas Schätzel, Weinkritiker Stuart Pigott und die rheinhessische Weinkönigin Sabrina Becker feierten im Weingut Dr. Eva Vollmer in Mainz 100 Jahre Scheurebe.

Foto: Torsten Zimmermann/Rheinhessenwein

Anlässlich des Jubiläums wurde ein Scheurebe-Tag veranstaltet, um sich ausführlich mit dieser interessanten Rebsorte zu befassen, die zurzeit ein Comeback erlebt und oftmals kellerwirtschaftlich und sensorisch neu interpretiert wird. Otto Schätzel betonte: „Es geht nicht um die Jubiläumsfeier, sondern um die Frage, wie wir in Zukunft mit dem Thema Scheu umgehen werden. Die Hälfte der Scheurebenfläche liegt in Rheinhessen und hat damit das Zeug zum Alleinstellungsmerkmal der Re-gion. Diskutiert werden sollen Anbauempfehlungen, zeitgemäße Interpretationen der Weine und Marketingkonzepte.“

100 Jahre Scheurebe – wissen, schmecken, feiern

Bernd Kern, Geschäftsführer von Rheinhessenwein, wies darauf hin, dass die Scheurebe genau genommen in Worms-Pfeddersheim gezüchtet wurde und dann erst nach Alzey kam.

Die Experten befassen sich mit den Herausforderungen dieser Rebsorte im Weinberg und im Keller. Arno Becker, DLR Oppenheim, zeigte die große Lebensleistung von Georg Scheu auf, der die Drahtrahmenerziehung propagierte und damals revolu­tionäre Reihenabstände von 1,20 m forderte. Üblich war die Einzelstockerziehung 90 cm x 90 cm. In Vorträgen sprach er sich damals schon für 2 m Reihenabstand aus und einen Halbbogen. „Stell mich frei – ich trag für zwei“, ist ein überliefertes Zitat von Scheu. Für seine Neuzüchtungen hat er Pioniere gefunden, die die Sorten auf verschiedenen Böden testeten. Scheu war nicht nur Rebenzüchter, sondern darüber hinaus ein voraus schauender Weinbauberater. Scheu verteidigte vehement den Anbau von Müller-Thurgau. Er war in vieler Hinsicht ein Vorkämpfer des modernen Weinbaus. Scheu beschrieb die Blattrollkrankheit und rottete sie durch konsequente Selektion nahezu aus. Viele seiner Theorien konnten später bewiesen werden. Was er in Vorträgen erklärte, ist heute noch aktuell: „Wir müssen anbauen, was die Verbraucher wünschen.“ Scheu war überzeugt davon, dass der Qualitätsgedanke im Mittelpunkt stehen müsse: „Die Quali-tätsfrage ist die Lebensfrage des deutschen Weinbaus.“

Kein Rezept, aber viel Fingerspitzengefühl

Gastgeberin Dr. Eva Vollmer (links) und Weinkritiker Stuart Pigott (rechts) lockerten in einer unterhaltsamenTalkrunde mit den Scheurebe-Winzern Matthias Runkel aus dem Weingut Bischel in Appenheim und Werner Pitthan aus Zotzenheim den Abend auf.

Foto: Bettina Siée

Dr. Dietrich Marbé-Sans erläuterte die Scheurebe aus kellerwirtschaftlicher Sicht, aber es gebe kein allgemeingültiges Rezept. Entblättern mache Sinn, um die Trauben gesund zu erhalten, sei aber nicht förderlich für das Aroma. Das typische Aroma werde erst während der Gärung gebildet. Hier wiedersprachen Praktiker. Marbé-Sans warnte davor die Trauben zu stark der Sonne auszusetzen. Die Rebe dürfe keinen Stress haben, sagten die Praktiker. Auch über Maischestandzeit entbrannte eine fachliche Diskussion. Reduktiver Ausbau sei wichtig, war man sich einig. „Der Ausbau von Scheurebe-Wein geht nicht nach Lehrbuch, sondern mit Herz und Verstand, mit Bauchgefühl und mit viel Liebe“, erklärte Scheupreisgewinner Ben Rothmeier.

Bernd Wechsler, Kompetenzzentrum Weinmarkt und Weinmarketing, berichtete von einem klaren Trend zu aromatischen Weißweinen und sieht Scheurebe-Weine in einer Nische, die ausbaufähig sei. Es fehle bislang eine Marketingstrategie. Die Branche müsse sich Gedanken machen und auf ein Profil einigen – trocken oder lieblich. Wechsler regt an, einen passenden Namen zu suchen und erklärte dazu die Marketingstrategie vom Veltliner, der als „Pfefferl“ vermarktet werde.

Auch Christian Frens von Sommelier-Consult glaubt, dass die Marktnische noch besser besetzt werden könne. „Scheu ist als Speisebegleiter eine Granate“, schwärmte Frens, aber ohne aktive Empfehlung gehe es nicht. Junge Weintrinker spricht Scheu an, weil die Aromen zu erkennen sind. Die von Christine Balais, Sommelière Köln, zelebrierte Weinprobe zeigte das Potenzial dieser Sorte. Es wurden Weine des 1. Internationalen Scheurebe-Wettbewerbs vorgestellt. Welche Geschmackserlebnisse Scheurebe-Weine bieten und wie man mit diesen Weinen große Feste feiern kann – das alles zeigte der Scheurebe-Tag.

Der Tag endete mit einem lauwarmen Sommerabend im Weingut Dr. Eva Vollmer. Hier fand ein unvergessliches Geburtstagsfest statt, mit einem Scheurebe-Dinner und passenden Scheurebe-Weinen, dazu ein lockerer Bühnentalk mit Scheurebe-Winzern und dem international bekannten Weinkritiker Stuart Pigott.

bs – LW 37/2016