Getreideernte startet mit leichter Verspätung

Landwirte fordern bessere Preise

„Die Getreideernte hat in den Frühdruschgebieten Südhessens etwa eine Woche später als in den Vorjahren begonnen. Zu den Erträgen und Qualitä­ten liegen derzeit noch keine gesicherten Ergebnisse vor.“ Das teilte der Prä­sident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), Friedhelm Schneider, der Presse in dieser Woche zum Beginn der Getreideernte 2010 mit.

HBV-Präsident Friedhelm Schneider

Aus Frankreich höre man von enttäuschenden Gersteerträgen. In Hessen werden in diesem Jahr rund 305 000 Hektar Getreide angebaut, darunter etwa 75 000 Hektar Wintergerste, die jetzt in den südlichen Gebieten Hessens erntereif ist. Neben der Hauptver­wendung als Futtergrundlage in der Schweinehaltung werden spezielle Wintergersten-Sorten in den letzten Jahren auch als Brau­gerste eingesetzt.

Die Anbauflächenverhältnisse bei Getreide haben sich weiter leicht verschoben. Während Wei­zen unverändert mit rund 160 000 Hektar die Hauptgetreideart in Hessen ist, hat die Gerste, insbesondere Sommergerste, in den letzten beiden Jahren Anbaufläche eingebüßt, hauptsächlich zugunsten von Raps und Silomais. Die niedrigen Erzeuger­preise schwächen die Wettbewerbsfähigkeit.

Noch vor kurzem seien die Landwirte davon ausgegangen, dass sich der Beginn der Getreideernte gegenüber den Vorjahren um mehr als zehn Tage verzögern werde. Die Hitzewelle der letzten Woche habe diesen Rückstand wieder verkürzt. „Durch Temperaturen über 30 Grad reift das Getreide schneller ab als den Bauern lieb ist. Es wird notreif, das führt zu kräftigen Ertragseinbußen“, so HBV-Präsident Schneider. Nach Tiefstpreisen Anfang des Jahres 2010 erhole sich der Getreidemarkt ganz langsam. Von Kostendeckung beziehungsweise Gewinnerzielung könne noch lange keine Rede sein. Die auf den Be­trieben vermuteten Vorräte aus der Ernte 2009 seien deutlich geringer als erwartet und der gegenüber den Vorjahren verspätete Erntebeginn verzögere die Anschlussversorgung der Mühlen und Mischfutterindustrie. Dadurch hätten die Preise für alterntige Ware im Juni weiter angezogen.

Steigende Preise erwartet

Die Landwirte erwarteten, dass sich dieser positive Trend auch in der Vermarktungssaison der neuen Ernte 2010 verstärke. Gestützt werde diese Hoffnung durch die aktuelle Wetterlage, denn die Sorge um die europäischen Weizenbestände vor Ertragseinbußen aufgrund der Hitzewelle halte an. Die Weizenpreise an der für die EU bedeutenden Warenterminbörse in Paris hätten weiter zugelegt. Damit sei erstmals wieder annähernd das Preisniveau vor dem krisenbedingten Preiseinbruch erreicht worden.

„Bei der Getreidevermarktung sind auch die hessischen Bauern im Weltmarkt angekommen, denn für sie gelten die gleichen Marktbedingungen, wie für Landwirte in den USA, Kanada oder in Australien. Allerdings wirtschaften die heimischen Landwirte aufgrund der hohen Umwelt- und Sozialstandards in Deutschland mit deutlich höheren Produktionskosten als ihre Kollegen in Ãœbersee“, beton­te Schneider. Bei der Vermarktung von Brotgetreide seien die Verar­beiter vor Ort, wie zum Beispiel die in Hessen noch vorhandenen mittelständischen Mühlenbetrie­be, wichtige Partner für die hessischen Landwirte wegen der nachvollziehbaren Herkunft des Getreides aus der Region. Knapp die Hälfte der Getreideernte werde als hochwertiges Futtermittel verwendet.

In Deutschland werde mit einer Getreideernte von unter 45 Mio. Tonnen gerechnet. Dies seien knapp 5 Mio. Tonnen oder 10 Prozent weniger als im Jahr 2009. „Auch in der europäischen Union wird eine geringere Erntemenge gegenüber dem Vorjahr erwartet. Die Schätzungen gehen hier von etwa drei Prozent Rückgang aus. Weltweit wird derzeit mit einer Weizenernte von 664 Mio. Tonnen gerechnet, die damit zwei Prozent unter der Ernte des Jahres 2009 liegen würde und berechtigten Anlass zu höheren Preisen gibt“, so HBV-Präsident Schneider. hbv