GHV Darmstadt – seit 110 Jahren für die Landwirte da

Gemeinnützige Haftpflichtversicherung feiert Jubiläum

Am Dienstag vergangener Woche lud die Gemeinnützige Haftpflicht-Versicherungsanstalt Darmstadt (GHV) zu einem besonderen Anlass ein: Sie kann auf 110 Jahre Firmengeschichte zurückblicken. Für eine Versicherung ein bibliches Alter in der heutigen, schnelllebigen Zeit, wie André Schellenberg, Stadtkämmerer der Stadt Darmstadt, sagte.

Feierten das Jubiläum der GHV Darmstadt (v.l.): Thomas Kunz, Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes; Hildegard Schuster, Präsidentin des Landfrauenverbandes Hessen; Dr. Volker Wolfram, alternierender Vorsitzender des GHV-Verwaltungsrates; Wilhelm Kins, Vorstandsvorsitzender der GHV Darmstadt; Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes; Evelyn Moscherosch, ehemalige Präsidentin des Landfrauenverbandes Hessen; Friedhelm Schneider, ehemaliger Präsident des Hessischen Bauernverbandes und alternierender Vorsitzender des GHV-Verwaltungsrates und Wilhelm Dietzel, ehemaliger Landwirtschaftsminister.

Foto: Krämer

Friedhelm Schneider, alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates der GHV und ehemaliger Präsident des Hessischen Bauernverbandes, begrüßte die zahlreichen Gäste. Dr. Volker Wolfram, alternierender Vorsitzender des GHV-Verwaltungsrates, verabschiedete im Rahmen der Feier einige Mitglieder der Vertreterversammlung und des Verwaltungsrates.

Zwei Weltkriege, zweimaliger Währungsverfall, der Wegfall der Rechtsgrundlage in der Reichsversicherungsordnung, die Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung mit dem erforderlichen Rechtsträgerwechsel und mehr konnten der GHV in diesen 110 Jahren nichts anhaben, sagte der Vorstandsvorsitzende der GHV Darmstadt, Wilhelm Kins. „Der Verwaltungsrat und die Vertreterversammlung der GHV agieren schon immer in großer Übereinstimmung. Diese Geschlossenheit ist eine der Stärken des Unternehmens und hat es die zahlreichen Tiefen und Rückschläge überstehen lassen“, so Kins. Trotz der kompletten Veränderung der Versicherungsstruktur und einer immer weiter sinkenden Zahl an Betrieben sei die GHV immer eigenständig geblieben und konnte mit ihrem stabilen Geschäftsmodell ihre Kunden, die vor allem aus der Landwirtschaft kommen, an sich binden, so Marc Weinmeister, Staatssekretär für Europa. „Das ist vor allem der guten Selbstverwaltung geschuldet, die bei der GHV besonders gelebt wird.“ Weinmeister betonte die Wichtigkeit der ehrenamtlichen Mitglieder und lobte die passgenauen Angebote für die Landwirte, die daraus resultierten, dass viele Vertreter und Vorstandsmitglieder aus der Landwirtschaft kommen und deshalb wüssten, was die Landwirte brauchen.

Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes, zeigte anhand von Zahlen der diesjährigen Getreideernte, was die Landwirte in der Region, trotz widriger Wetterbedingungen in diesem Jahr, leisten. So gehe man für Hessen von einer Getreideernte von 2 Mio. t aus, das seien 5 Prozent mehr als im Vorjahr, wobei die Qualität aktuell nicht an 2016 herankomme. Neben der engen Verzahnung mit der Land- und Forstwirtschaft und dem vorhandenen Expertenwissen in diesen Bereichen hob Schmal den mit Landwirten und Sachverständigen besetzten Entschädigungsausschuss hervor, aus dem viele Kulanzregelungen für die Versicherer resultieren. „Die GHV gewährt Teilnehmern von Fahrsicherheitstrainings für Schlepper einen Beitragsrabatt in der Haftpflichtversicherung. Das ist eine vorbildliche Initiative, die der Vorbeugung von Unfällen dient“, so Schmal.

Landwirte forderten eine Haftpflichtversicherung

Auf die geschichtlichen Hintergründe in den vergangenen 110 Jahren ging die Historikerin Susanne Döring ein. Bereits im Februar 1907 begannen die Verantwortlichen der Berufsgenossenschaft, Werbung für eine geplante Haftpflichtversicherungsanstalt zu machen. Innerhalb kürzester Zeit bekundeten über 2 000 Unternehmer ihren Willen zur Beitrittserklärung, woraus die Berufsgenossenschaft das wirklich vorhandene Bedürfnis nach einer solchen Versicherung ableitete. „Die zuvor geschaffene landwirtschaftliche Unfallversicherung reichte nicht mehr aus, um Unternehmer vor dem Ruin durch in der Unfallversicherung nicht abgedeckte Schäden zu schützen“, sagte Döring.

Am 17. April 1907 stimmten dann die Genossenschaftsvertreter einstimmig für die Einrichtung einer Haftpflichtversicherungsanstalt. Anfang Mai 1907 zählte das Unternehmen bereits 8 000 Neuanmeldungen von Landwirten und weitere 1 000 Anmeldungen von Unternehmen, die zu ihnen wechseln wollten. In den nächsten Jahren beschlossen laut Döring immer mehr Genossenschaftsversammlungen die Gründung von Haftpflichtversicherungsanstalten. Diese regionale Vielfalt sei den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge gewesen, sodass es bald Bestrebungen gab, diese zu zentralisieren. Doch dem Leiter der damals noch unter dem Namen Land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Darmstadt agierenden Haftpflichtversicherungsanstalt, Rober Freiherr Löw von und zu Steinfurth, gelang es, die regionale Eigenständigkeit im Sinne der Landwirte zu bewahren. Nach dem verheerenden Bombenangriff im Jahr 1944, bei dem das Gebäude in der Bismarckstraße komplett zerstört wurde, war er es auch, der sich für den Wiederaufbau des Gebäudes einsetzte.

„Die wohl größte Veränderung in der Struktur der GHV Darmstadt gestaltete jedoch der heutige Vorsitzende, Wilhelm Kins“, so Döring. Er löste die GHV aus der jahrzehntelangen Verbundenheit mit der Berufsgenossenschaft heraus und bewahrte ihr mit der Überführung in eine Stiftung den Charakter der öffentlich-rechtlichen Einrichtung. Die Geschäftsfelder und der Zuständigkeitsbereich weiteten sich aus, sodass die GHV nun bundesweit tätig und für alle geöffnet ist. „Gleichzeitig blieb die GHV das, was sie immer gewesen ist: ein Spezialversicherer für die Belange der Landwirtschaft“, so Döring.

jk – LW 36/2017