Gib Deinem Bauern die Hand

Online bestellen und zahlen – Warenübergabe einmal die Woche

Es war ein besonderer Moment für die zwölf Erzeuger am Mittwochabend im Chausseehaus in Mainz-Marienborn. Dort wohnt Familie Fritz Mossel. Sie sind Gastgeber der ersten Marktschwärmerei in Rheinland-Pfalz, in der sich erstmals Erzeuger und Verbraucher in einem eigens dafür renovierten Raum zur Warenübergabe trafen.

Die Familie Stein aus Mainz vermarktet über die Marktschwärmerei frische Kräuter, essbare Blüten, Salate, Gemüse und Salatdressings.

Foto: Setzepfand

Übergeben wurden Obst, Gemüse, Kartoffeln, Wurstwaren von Ziege, Schwein und Rind, Milchprodukte, Wein, Eier, Brot, Nudeln, SauerkirschLikör, Marmeladen, Kräuter und vieles mehr. Das wird nun laut Fritz Mossel, Gastgeber und einer der Erzeuger, jeden Mittwochabend von 17.30 bis 19 Uhr so sein.

Seine Frau, Katja Mossel, die sich im Vorstand des Verbandes der Direktvermarkter Rheinland-Pfalz (VDRLP) engagiert, und Dr. Elisabeth Seemer von der Abteilung Einkommensalternativen der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, haben die Marktschwärmer­idee nach Mainz-Marienborn gebracht. Das Prinzip ist einfach: Endverbraucher melden sich kostenfrei im Online-Portal unter www.marktschwaermer.de an, bestellen und bezahlen dort ihre Ware von Freitag bis Montag 24 Uhr und holen diese dann mittwochabends in der Marktschwärmerei, in Mainz im Chausseehaus der Familie Mossel ab. Hier treffen dann Erzeuger und Endverbraucher aufeinander. Es können Fragen zum Anbau beantworten werden, Empfehlungen und Rezepte gegeben werden – im Grunde das Bauernmarkterlebnis nachempfunden werden. Nur, dass nicht Berge von Obst und Gemüse zur Auslage liegen, sondern jeder Erzeuger fertig gerichtete Pakete schnürt, die dem Kunden, der mit dem ausgedruckten Bestellschein kommt, übergeben werden. Kein Bargeld, doch Zeit zum Erklären.

Die Verbraucher zahlen einen angemessenen Preis

Ursprünglich stammt das Konzept aus Frankreich. Dort wurden mittlerweile 838 Marktschwärmereien aufgemacht. Die Idee der zwei jungen Gründer ist, ein nachhaltigeres Konsumverhalten zu unterstützen durch Regionalität und Fairness.

Wie Marc-David Choukroun, einer der Gründer auf der Internetplattform schreibt, soll der Handel von Lebensmitteln und die Herstellung wieder an die Region gebunden werden. Nur so könne sich jeder Einzelne am Erhalt der biologischen Vielfalt, regionaler und gesunder Esskultur beteiligen. Aus der Firma Equanum SAS in Frankreich hat sich inzwischen das Tochterunternehmen Equanum GmbH in Berlin entwickelt.

In Deutschland gibt es derzeit rund 30 offene Marktschwärmereien, vor allem rund um Berlin, Köln und nun auch die erste Marktschwärmerei in Rheinland-Pfalz. In Hessen sind Marktschwärmereien in Gießen, Marburg und Wiesbaden geplant.

Auch gibt es ein europäisches Netzwerk: So existieren 170 Marktschwärmereien in Italien, 124 in Spanien, 100 in Belgien und je 14 in der Schweiz und Dänemark. Tendenz steigend.

Erzeuger liefern beste Ware und Transparenz

Dr. Elisabeth Seemer (l.), die Leiterin der Abteilung Einkommensalternativen bei der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, begrüßte Erzeuger und Verbraucher in der ersten rheinland-pfälzischen Marktschwärmerei im Chausseehaus in Mainz-Marienborn.

Foto: Setzepfand

Für die Erzeuger gibt es erstmal Arbeit. Sie müssen Produktbeschreibungen und Fotos für das Internetportal liefern sowie ein Betriebsportrait. Die Erzeuger in Rheinland-Pfalz wurden dabei von der Landwirtschaftskammer unterstützt, um alle lebensmitteltechnischen und rechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Aus 213 verschiedenen Produkten der zwölf rheinland-pfälzischen Erzeuger konnten die Verbraucher bei der ersten Mainzer Aktion wählen. Die Preise bestimmen die Erzeuger selbst.

Damit sich das System trägt, führen die Erzeuger 16,7 Prozent des Nettopreises ab. Davon werden 8,35 Prozent an Marktschwärmer Deutschland für die Verwaltung und die Öffentlichkeitsarbeit abgeführt. Die andere Hälfte an die Gastgeber, die für die Sortimentszusammenstellung und die Räumlichkeiten verantwortlich sind. Damit bleiben dem Erzeuger 83,3 Prozent des Verkaufspreises, im Lebensmitteleinzelhandel sind es nur 20 bis 35 Prozent, das ist nicht fair, steht auf der Homepage der Marktschwärmer.

Björn Hochhaus vom gleichnamigen Obsthof in Mainz-Finthen ist einer der Erzeuger. Er sieht diese neue Art der Vermarktung als Absatzchance, die Sicherheit gibt, auch für den Erzeuger. „Ich habe Zeit, die Bestellung vorzubereiten und ich muss mir keine Gedanken machen, was mit der nicht verkauften Ware geschieht. Denn dieses Problem gibt es nicht. Ein großer Vorteil.“

Sicherheit für Verbraucher und Erzeuger

Fritz Mossel, auch Erzeuger von Amorella Sauerkirschen-Produkten aus 3 ha Plantagen, ergänzte: „Das Absatzsystem gibt dem Erzeuger und dem Verbraucher Sicherheit. Der Verbraucher kann sich darauf verlassen, dass die hochwertige Ware nur für ihn aus der Region geerntet wurde. So wird auch kein Geflügel geschlachtet, das nicht bezahlt ist. Nachhaltiger geht es nicht mehr.“

Und Klaus Kussel, ein weiterer Landwirt aus Rommersheim bei Wörrstadt sagte: „Wir haben eine Hofmetzgerei und machen hier mit, um das Image der Landwirtschaft zu verbessern. Das ist Öffentlichkeitsarbeit.“

Das Image der Landwirtschaft in der Gesellschaft verbessern

Seemer erklärte, dass diese Absatz­idee den Bedürfnissen vieler kritischer und genussorientierter Menschen entspreche. Man sei bedacht, dass die Erzeuger möglichst kurze Anfahrtswege haben und sich in den Sortimenten nicht zu sehr überschneiden. Die Erzeuger der Marktschwärmerei Mainz-Finthen haben einen durchschnittlichen Anfahrtsweg von 23 km.

Laut Fritz Mossel müssen zur Eröffnung einer Marktschwärmerei mindestens 120 bis 200 Endverbraucher im Portal registriert sein. Die Gastgeber werden über Webinare von der Berliner Zentrale geschult und informiert. In Berlin sei man damit beschäftigt nun eine Facebookseite aufzubauen, um noch gezielter Werbung machen zu können. In Mainz haben sich zum ersten Verteiltag mehr als 250 Mitglieder, das sind potenzielle Kunden, auf der Internetplattform angemeldet, das war bundesweit ein Rekordwert, freute sich Katja Mossel. „Wir treffen hier einen Nerv der Zeit“, sagt Anja Weil, die Vorsitzende des Verbandes der Direktvermarkter Rheinland-Pfalz. Wie Katja Mossel und Seemer wünschen sie sich weitere Marktschwärmereien in Rheinland-Pfalz.

Ilse Wambsganß, die in Vertretung für Kammerpräsident Norbert Schindler nach Mainz-Marienborn gekommen war, lobte den Slogan „Gib Deinem Bauern die Hand“. Er stehe für Nähe und Vertrauen.

Ob sich dieser Absatzweg für jeden der zwölf Erzeuger lohnen wird, das bleibt abzuwarten. Anja Weil zeigte sich optimistisch für Mainz: „Wir haben hier viele Studenten, junge Leute, die werden das mit der Zeit annehmen, denn es passt in ihren Alltag. Wenn hier nicht, wo dann?“

Wer als Erzeuger Interesse hat und mehr wissen möchte, kann mit der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, dem Team Einkommensalternativen Kontakt aufnehmen unter 0671/793-1153 oder per E-Mail: ea@lwk-rlp.de.

zep – LW 21/2017