Grassamen-Vermehrung ist etwas für Spezialisten

Alternative vor allem in Mittelgebirgslagen – strikte Feldhygiene beachten

Grassamen können in der landwirtschaftlichen Praxis auf sehr unterschiedliche Art und Weise erfolgreich erzeugt werden. Dr. Johann Junk vom Dienstleistungszentrum ländlicher Raum (DLR), Bitburg, stellt im Folgenden zwei rheinland-pfälzische Betriebe vor, die in ihren Betrieben Grassaatgut erzeugen.

Im Betrieb von Jürgen Heck (im Bild) wird Welsches Weidelgras vermehrt. Kompetente Anbauberatung ist für ihn sehr wichtig. Die Anbauberater von Barenbrug geben ihm nach eigener Aussage oft wertvolle Tipps für aktuell erforderliche Bestandsmaßnahmen.

Foto: Junk

Sauberes, einwandfreies Saatgut – diese selbstverständliche Forderung der Praxis an das Saatgut kann nur erfüllt werden, wenn Produktion und Aufbereitung des Saatgutes – hier des Grassamens – mit der notwendigen Sorgfalt durchgeführt wird. Fremdsamen im Saatgut kommt immer wieder einmal vor.

Oft unerwünschte Zumischungen bei billigem Saatgut

Größere Anteile von Fremdsamen sind eher von so genannten fliegenden Händlern zu befürchten, die einmal erscheinen und meist besonders „billiges“ Saatgut anpreisen und oft genug auch verkaufen und dann nie mehr in Erscheinung treten. So kann beispielsweise begranntes, nicht ausdauerndes Weidelgras durch Entgrannung dem von Natur aus unbegrannten Deutschen Weidelgras zugemischt werden, ohne dass der Landwirt dies direkt merken kann. Unerwünschte Zumischungen gibt es auch zu den bekannten Grünlandmischungen. Sauber erzeugtes, aufbereitetes und von namhaften Firmen vertriebenes Saatgut weist solche Mängel in aller Regel nicht auf, da die „Saatzuchtfirmen“ auf lange Sicht mit den Kunden in gutem Kontakt, das heißt im Geschäft bleiben wollen. In der Eifel und hier insbesondere in der Westeifel (Eifelkreis Bitburg-Prüm) „beherrschen“ etliche Bauern das Geschäft der Grassamenerzeugung sehr gut. An Hand von zwei Betrieben wird beispielhaft gezeigt „wie es geht“.

Zwei Betriebe, die langjährig erfolgreich Grassamen erzeugen

In Reipeldingen, im äußersten Westen des Eifelkreises Bitburg-Prüm liegt im Dreiländereck zu Belgien und Luxemburg der Betrieb von Alexander Audrit. Im Betrieb Audrit wird bereits seit 1920 Grassamen produziert. Über lange Jahre war es ausschließlich Wiesenlieschgras (daneben aber auch Rotklee). In 450 bis 550 Metern Höhenhlage und etwa 800 mm Niederschlag auf häufig flachgründigen oder staunassen Schieferverwitterungsböden befindet man sich in den Grenzertragslagen des Ackerbaues. Grünland und Milchviehhaltung wären da schon eher angebracht.

Die Audrits entschieden sich jedoch entgegen dem allgemeinen Trend in dieser Region nicht zur Michviehhaltung, sondern dehnten kontinuierlich die Grassamenproduktion aus. Heute werden rund 90 ha Ackerland zur Grassamenerzeugung bewirtschaftet. Daneben werden noch Hybridraps, Futtererbsen, Hybridroggen, Winterweizen und Sommertriticale vermehrt. Schließlich wird auf 2 ha Acker noch Buchweizen angebaut, und 7 ha Grünland werden gebraucht für Pferdeheu.

In Gilzem, im südlichen Teil des Eifelkreises Bitburg-Prüm, an der Grenze zum Kreis Trier-Saarburg, liegt der Siedlungsbetrieb von Jürgen Heck. Im Betrieb Heck ist die Grassamenvermehrung seit über 15 Jahren fester Bestandteil des Betriebsgeschehens. Auf 400 m Höhenlage, bei 700 bis 750 mm Niederschlag, im so genannten Bitburger Gutland gelegen, wirtschaftet der Betrieb auf mittelschweren, relativ fruchtbaren, aber auch steinreichen Böden (sandiger Lehm). Die Standortbedingungen lassen sowohl Ackerbau als auch Grünlandbewirtschaftung zu, wobei für Grünland höhere Niederschläge von Vorteil wären.

Welsches Weidelgras im Betrieb Heck vermehrt

Der recht standfeste Rotschwingel (im Bild in Erntereife) eignet sich besonders gut für den Standdrusch.

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Die Hecks entschieden sich für „sowohl als auch“. Von den 78 ha LF sind 42 ha Grünland; auf dem Acker stehen 17 ha Winterweizen, 9,5 ha Winterraps und 9,5 ha Grassamenvermehrung. An Gras wird im Betrieb Heck ausschließlich Welsches Weidelgras vermehrt. Die 65 Milchkühe im Betrieb werden mit Gras und Pressschnitzeln gefüttert und erreichen im Durchschnitt eine Leistung von knapp 10 000 Liter Milch. Im Betrieb wird kein Mais erzeugt, „da er in der Produktion zu teuer ist“, erläutert Heck. Neben den Kühen sind noch rund 80 weibliche Tiere im Betrieb (für die Nachzucht und den Verkauf).

Die Väter der beiden Betriebsleiter, die die Betriebe wesentlich aufgebaut haben, Wilhelm Audrit und Felix Heck arbeiten noch in den Betrieben mit.

Im Betrieb Audrit mit dem Betriebsschwerpunkt „Gräservermehrung“ muss die Familie hinter der Entscheidung stehen, da bei der Fremdgräserbeseitigung aus dem Bestand vieles über Handarbeit läuft. Im Hinblick auf den Arten- und Sortenwechsel sowie auf die Abstandsproblematik ist eine konsequente, mehrjährige Fruchtfolgeplanung durchzuführen und auf Feldhygiene vor der Aussaat unter Berücksichtigung der Folgekultur zu achten. Fremdgräser würden rasch den Erfolg in Frage stellen, denn es könnte passieren, dass der Bestand keine Anerkennung erfahren würde.

Im Betrieb Heck ist die Gefahr durch Fremdgräser nicht so hoch, da nur Welsches Weidelgras vermehrt wird. Auch die Gefahr, dass sich Samen aus dem Grünland im Vermehrungsgras breit machen könnte, ist auszuschließen, da zum einen durch frühe Nutzung des Grünlandes Qualitätsfutter für die Hochleistungskühe geerntet wird und zum anderen das Welsche Weidelgras alle Gräser, die stören könnten, problemlos unterdrückt.

Für Audrit und Heck steht außer Frage, dass ein verlässlicher Partner mit kompetenter Anbauberatung zwingend notwendig ist. Beide haben nach eigenen Angaben auch solche Berater zur Verfügung: von der DSV bei Audrit und von Barenbrug im Betrieb Heck. Beide Betriebsleiter berichten, dass die Anbauberater auch öfter unangekündigt auf den Flächen und in den Betrieben auftreten und wertvolle Tipps geben für aktuell erforderliche Maßnahmen. Kein Wunder also, dass beide von „ihren“ Anbauberatern schwärmen und mit deren Arbeit bestens zufrieden sind.

Die vorbereitenden Bodenbearbeitungsmaßnahmen ähneln sich teilweise, denn beide Betriebe sind „steinreich“, und die Steine sollten die Arbeitsabläufe möglichst nicht behindern.

Auf den ersten Blick betrachtet, hat Audrit mehr Zeit für den gesamten Ackerbau, muss doch bei Heck auch noch das Vieh versorgt werden, mit allem was dazu gehört: Futteranbau und -bergung, Fütterung und Melken.

Beide Betriebe sind erfolgreich

Wegen des knappen Produktionsfaktors „Wasser“ und wegen des Problems „Steine“ arbeitet der Betrieb Heck pfluglos und setzt stattdessen flach arbeitende Geräte wie Scheibenegge und Kreiselegge mit Sämaschine ein. Vor der Saat wird schwach mit Gülle gedüngt, dann mit der Drillmaschine sehr flach gesät, danach gewalzt und nach dem Walzen nochmals gegüllt.

Die Aussaatzeit ist vor dem 25. September. Die Fruchtfolge im Betrieb: Raps, Weizen, Grassamen. Der erste Aufwuchs wird als Futter genutzt, dann wird einjährig der Samen produziert. Die zweijährige Samenproduktion entfällt wegen deutlich nachlassender Samenerträge. Stattdessen werden 4 bis 5 kg/ha Rotklee und 10 bis 15 kg/ha Weidelgras nachgesät. So wird viel qualitativ hochwertiges Futter fürs Milchvieh erzeugt. Dazu kommt ein außerordentlich wichtiger und interessanter Nebeneffekt: der im Bitburger Land weit verbreitete Ackerfuchsschwanz ist im Betrieb Heck kein Problem mehr. „Es gibt keinen Ackerfuchsschwanz mehr auf allen meinen Flächen“, sagt Heck, also braucht er auch nicht mehr chemisch bekämpft zu werden. Eine uralte Empfehlung der Offizialberatung findet in der Praxis ihre Bestätigung.

Humusnachlieferung im Betrieb Audrit von besonderer Bedeutung

Auch im Betrieb Audrit erfolgt die Grasernte von Fall zu Fall im Schwaddrusch. Der Großteil wird jedoch aus dem Stand gedroschen.

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Im Betrieb Audrit fällt keine Gülle an, hier ist der Humusgehalt des Bodens und damit die „Humusnachlieferung“ von besonderer Bedeutung, ansonsten wird die Bodenstruktur schlechter und damit die gesamte Produktion schwieriger oder im Laufe der Zeit sogar unwirtschaftlich, weil sich vor allem die Auflaufbedingungen für die Feinsaaten verschlechtern. Die eher gegenteilige Humusentwicklung im Betrieb Audrit, also die Humusmehrung, hilft also die wirtschaftliche Produktion weiter zu verbessern. Durchschnittlich weiter steigende Erträge bestätigen den richtigen Weg. Die verschiedenen Arten im Betrieb beanspruchen die ganze Familie von Frühjahr bis Herbst, denn es stehen immer wieder neue Arbeiten an. Die Formen der Bodenbearbeitung und Saatbettbereitung variieren erheblich, je nach vorhandenen Bedingungen und Voraussetzungen.

Ernte im Schwaddrusch im Betrieb Heck

Im Betrieb Heck erfolgt die Ernte im Schwaddrusch durch einen Lohnunternehmer, der spezielle Kenntnisse hat. „Ein doppelter Satz an Ährenhebern ist unerlässlich“, sagt Heck. Das Erntegut wird dann sofort zur Aufbereitung und Trocknung zur Partnerfirma gebracht.

Ein Großteil der Vermehrungsflächen bei Audrit wird aus dem Stand gedroschen, von Fall zu Fall gibt es auch Schwaddrusch. Der recht standfeste Rotschwingel eignet sich besonders gut für den Standdrusch.

Die Grassamenvermehrung ist in den letzten zehn Jahren bei den Audrits zum Hauptstandbein des Betriebes geworden. Dafür waren Investitionen in eine 78 m² Kistentrocknung, ein Containerdrehsystem, zwei Lagerhallen, davon eine mit Unterflurbelüftung, sowie diverse Maschinen und Geräte notwendig. „Neben der Trocknung und Lagerung unserer eigenen Ernte sind wir noch Annahmestelle und Lohntrockner für andere Vermehrerbetriebe der Deutschen Saatveredelung AG. Je nach Bedarf trocknen wir auch Konsumgetreide oder Raps für Landwirte aus der Umgebung.“, beschreibt der Betriebsleiter weitere Aufgabengebiete.

Fazit: so unterschiedlich der Grassamenanbau auch in den beiden Betrieben ist, der Erfolg gibt beiden Recht, den beschrittenen Weg konsequent weiter zu gehen, denn es lohnt sich für beide im wahrsten Sinne des Wortes.

Welche Standorte sind geeignet?

So wie es im Getreidebau für die verschiedenen Arten unterschiedlich geeignete Standorte gibt, gilt das Gleiche für die verschiedenen Grasarten mit einer Ausnahme: Der Rotschwingel kann durchaus auf Grenzstandorten erfolgreich angebaut werden, wo Getreidearten eher nicht mehr hin gehören, wie beispielsweise in Sandböden oder in den besonders flachgründigen Böden (Bodentyp: Ranker). Auch saure Böden (aber nicht zu sauer) sind für den Rotschwingel geeignet. Sehr saure Böden sollten in keiner landwirtschaftlich genutzten Fläche mehr auftreten, da dort eine ordnungsgemäße Produktion nicht möglich ist. Junk

 

Wer kann in die Vermehrung von Grassamen einsteigen?

Zunächst muss ein Vermehrungsvertrag mit einer „Saatzuchtfirma“ abgeschlossen werden. Nur die Bauern, die den Ackerbau gut beherrschen, können auch erfolgreiche Vermehrer sein oder werden. Für eine wirtschaftlich erfolgreiche Vermehrung – und das ist eine Produktion mit hohen Erträgen bei gleichzeitig sehr guten Qualitäten – bedarf es besten ackerbaulichen Könnens. Unter dieser Voraussetzung kommen Erzeuger und Vermarkter gemeinsam am leichtesten und schnellsten zueinander, denn so haben beide wirtschaftliche Erfolge und die „Chemie“ zwischen den beiden Partnern stimmt.

Langjährige Produktion angestrebt

Von besonderer Bedeutung ist auch, dass der Anbauer auf möglichst lange Sicht in der Grassamenvermehrung bleibt, damit er im Laufe der Jahre die Produktion Schritt für Schritt weiter optimieren kann. „Springer“ sind im Allgemeinen unerwünscht, weil diese unzuverlässige Partner sind und die Produktion nie richtig lernen. Die Wirtschaftlichkeit der Grassamen- Erzeugung muss mindestens so hoch sein wie im konkurrierenden Getreidebau. Genau das ist in den besten Ackerbaugebieten oft kaum erreichbar, sehr wohl aber in vielen Mittelgebirgsstandorten wie zum Beispiel in der Eifel. Neben einer hervorragenden Beratung in allen Anbaufragen durch die firmeneigenen Berater, ist es der eiserne Wille der erfolgreichen Vermehrer, möglichst gut in der Produktion und damit auch in der Wirtschaftlichkeit zu sein. Ein guter Vermehrer muss sich mit der Grassamenproduktion identifizieren. Junk