Gute Aussichten für den Gemüsebau

Strategien für den Gemüsebau im Jahr 2020

Wie gut ist der Pfälzer Gemüsebau für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet? Auf dem Pfälzer Gemüsebautag in Mutterstadt wagten die Referenten einen Blick in die Zukunft. Die Chancen stehen gut, die Erfolgsgeschichte des Gemüseanbaus in der Pfalz mit seiner dynamischen Entwicklung fortzuschreiben. Doch auf die Betriebe kommen neue Herausforderungen zu, und es gilt, den Markt genau im Auge zu behalten.

Der Pfälzer Gemüsebautag ist nicht nur Ideenbörse, sondern bietet auch den Austausch unter Berufskollegen.

Foto: Brammert-Schröder

Strategien für den Gemüsebau im Jahr 2020 – das war das Thema des diesjährigen Pfälzer Gemüsebautages. Das Themenfeld war weit gesteckt, angefangen bei der Analyse der Wettbewerbssituation über die Vermarktung bis hin zu Präzisionsgemüsebau und Pflanzenschutzmaßnahmen.

Dr. Günter Hoos, Leiter des DLR in Neustadt, gab einen Rückblick auf das Gemüsebaujahr 2012: „Es war zum Glück ein Jahr ohne Skandale wie EHEC oder Kreuzkraut“, sage er den zahlreich erschienen Gemüseerzeugern. Mit Blick auf einzelne Lebensmitteleinzelhändler, die sich seit einiger Zeit zum „fairen Handel“ bekennen, sagte Hoos: „Das muss aber auch bedeuten, dass die Erzeugerbetriebe ebenfalls faire Preise erzielen.“ Das sei aber nicht immer der Fall. Vielmehr stoßen nach seinen Worten viele Betriebe an ihre Grenzen, sowohl ökonomisch als auch arbeitswirtschaftlich. Die Folge sei, so Hoos, dass es schwierig sei, Nachwuchs für den Gemüsebau zu begeistern. „Wir müssen die Bereitschaft junger Menschen wach halten“, forderte Hoos. Dazu gehöre auch, die Lebensfähigkeit der Betriebe zu unterstützen, etwa durch eine gute Ausbildung der Betriebsnachfolger. „Auch die politischen Rahmenbedingungen müssen stimmen“, rief Hoos Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken zu.

Unabhängiges Versuchs- und Beratungswesen erhalten

Höfken versprach alles für die Erhaltung des Versuchs- und Beratungswesens zu tun, trotz der Sparzwän­ge. „Wir müssen bis 2020 etwa 1,9 Mio Euro einsparen, dem kann sich das Landwirtschaftsministerium nicht entziehen. Aber wir werden genau gucken, wo wir sparen können. Am Versuchs- und Beratungswesen dürfen wir nicht rütteln, denn es vermittelt den Betriebsnachfolgern das nötige Rüstzeug, um professionell arbeiten zu können. Für die Anwender ist es wichtig, unabhängig entscheiden zu können, deshalb brauchen wir weiterhin eine unabhängige Beratung“, fügte die Ministerin hinzu und verteidigte diesen Haushaltsposten, den der Landesrechnungshof bemängelt.

Sie wisse sehr wohl, dass der Gemüse­bau für die Region große Bedeutung habe, sagte Höfken. Sie mahnte die konsequente Einhaltung der guten fachlichen Praxis an, auch im Hinblick auf die Pflanzenschutz-Gesetzgebung, die seit diesem Jahr Anwendung findet. Die Landwirtschaftsministerin sprach den Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz an, der das umsetzen soll, was der Gesetzesrahmen vorgibt. Der integrierte Pflanzenschutz werde dabei in den Vordergrund gestellt, die Landwirte sollten vermehrt nicht-chemi­schen Pflanzenschutz betreiben, indem sie mit Kulturschutznetzen, pilzresis­tenten Sorten oder der mechanischen Unkrautbekämpfung arbeiten.

Die Ministerin sprach in Mutterstadt auch das Thema Grundwasserschutz an. Viele Grundwasserkörper wiesen eine hohe Nitratbelastung auf. „Speziell dem Gemüsebau ist es hervorragend gelungen auf die Probleme einzugehen, ohne wirtschaftliche Einbußen hinzunehmen“, lobte Höfken und verwies auf die Düngeversuche, die belegen, dass Düngereinsparungen von 30 Prozent ohne wirtschaftliche Einbußen möglich sind. Man werde den Wassercent, der ab 2013 erhoben wird, nutzen, um die Situation des Grundwassers zu verbessern. So sollen etwa wasserschonende Anbauverfahren unterstützt werden.

Lohnkosten belasten die Gemüsebaubetriebe

Dr. Ludwig von Heyl, Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbandes, verwies darauf, wie wichtig es ist, eine Strategie für die Zukunft zu entwickeln: „Wir wollen die Pfälzer Erfolgsgeschichte im Gemüsebau fortschreiben, und die hängt eng zusammen mit dem strategisch gut durchdachten Beregnungskonzept, ohne das der Gemüsebau nicht möglich wäre.“ Er ermutigte seine Berufskollegen, die wichtigen Produktionsmittel Wasser und Dünger gezielter und verantwortungsvoll einsetzen. Von Heyl sprach auch die gemeinsame Agrarpolitk an: „Ich hoffe auf eine schnelle Einigung, die gut für unsere Betriebe ist, auch wenn es danach im Moment nicht aussieht. Bei uns in der Vorderpfalz stehen wir Landwirte mit der Industrie, Bauvorhaben und der Energiegewinnung im Wettbewerb um die landwirtschaftlichen Flächen, da wäre das geplante Greening eine Katas­trophe“, so von Heyl.

Franz Löffler, Verein Ehemaliger Gartenbauschüler aus Neustadt, blickte eher sorgenvoll in die Zukunft. „Die Erzeugerpreise sind nicht hoch genug, auch wenn die Vermarktung über den Pfalzmarkt auf einem guten Weg ist“, so Löffler. Die Discounter fänden immer Wege, die Preise zu drücken. Außerdem drohen seiner Meinung nach höhere Kosten für die Saison-Arbeitskräfte, denn die Tarifverträge laufen aus, und neue Lösungen seien nicht in Sicht, so Löffler. „Dann drohen uns im Gemüsebau Mindestlöhne, und die liegen bei 8,50 Euro, das ist bei den Erzeugerpreisen nicht zu stemmen.“

Nachholbedarf bei Kräutern und Eissalat

Joachim Ziegler und Werner Riedel vom DLR Neustadt gaben einen Rückblick auf die Erfolgsgeschichte des Pfälzer Gemüsebaus und wagten einen Ausblick für die nächsten Jahre. Der Gemüseanbau in der Pfalz hat sich von gut 5 300 ha in 1980 auf heute 19 000 ha vervierfacht. Joachim Ziegler analysierte die Entwicklung mit deutlichen Worten. „In den Boomjahren von 1995 bis 2000 betrugen die Zuwachsraten jährlich 800 ha. Die Wachstumsraten haben sich jetzt abgeflacht.“ Dennoch liegen, so Ziegler, die flächenmäßigen Zuwächse in Rheinland-Pfalz mit 15 Prozent deutlich über denen in anderen Teilen Deutschlands. Auch seien die Gemüseanbauflächen in der EU leicht rückläufig. „Das ist positiv für den Pfälzer Gemüsebau“, erklärte Ziegler.

Er zeigte aber auch einige Schwachpunkte auf: So sei der geschützte Anbau unter Glas mit vier Prozent sehr gering, in Baden-Württemberg betrage er 34 Prozent. Stark nachgefragte Salatarten Eissalat und Romanasalat produzierten die Pfälzer Gemüsebauern zu wenig. „Sie sollten darüber nachdenken, mehr davon anzubauen, vor allem in Zusammenhang mit dem Thema Regionalität“, sage Ziegler. Mit neuen Sorten und verbesserten Anbaustrategien sei eine Qualitätserzeugung auch in der Pfalz, in der das Klima nicht optimal für diese Salate ist, möglich. Eine Schwachstelle machte Ziegler im geringen Anteil der Frischkräuter am ansonsten breit gefächerten Produktangebot der Pfalz aus. Während es bei Dill und Petersilie gut aussehe, sei das Ange­bot bei Schnittlauch verschwindend gering.

Kulturschutznetze sind für Verbraucher noch gewöhnungsbedürftig, können aber den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel reduzieren.

Foto: Brammert-Schröder

Die GPS-Technik ermöglicht es, alle Maßnahmen im Gemüsebau, angefangen bei der Bodenbearbeitung bis zur Pflanzung, am Computer zu planen und auf dem Acker exakt auszuführen.

Foto: Brammert-Schröder

Ziegler ging auch auf die Vermarktung ein. Das DLR schätzt den Produktionswert des erzeugten Gemüses in Rheinland-Pfalz über alle Vermarktungsformen hinweg auf über 350 Millionen Euro. Wenige große Betriebe und viele mittlere Gemüseerzeuger bieten ein breites Produktportfolio an. Der Pfalzmarkt spielt eine wichtige Rolle bei der Vermarktung. Allerdings stünden die Betriebe unter einem enor­men Kostendruck, weil Löhne und Betriebsmittel stetig gestiegen sind, die Erzeugerpreise aber nicht im selben Maße. „Man sollte dringend darüber nachdenken, ob man nicht neue Organisationsformen speziell für mittlere Betriebe unterstützt, die Ernteplanung, -verfahren und Pro­duk­tions­arbeiten weit mehr als bisher koordinieren und mit optimaler Verfahrenstechnik und Erntetrupps auf Prämienlohnbasis durch­führen“, schlug Ziegler vor. Ein gutes Beispiel, dass so etwas funktioniert, sei die auf Kohl spezialisierte Old Leake Growers Association in Ostengland.

Arbeitsproduktivität entscheidet über Erfolg

Passend zum Vorschlag von Joachim Ziegler verdeutlichte Werner Riedel, dass die Arbeitsproduktivität das entscheidende Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes ist. Der Arbeitsertrag gibt die Wertschöpfung der eingesetzten Arbeitskräfte wieder. „Wenn man sich die Betriebe näher anschaut, lässt sich erkennen, dass bei den erfolgreichen Betriebe, sie machen ein Drittel aus, der Arbeitsertrag erheblich über dem jeweiligen Lohnaufwand liegt. Diese Betriebe zahlen in der Regel höhere Löhne. Bei den weniger erfolgreichen Betrieben liegt der Arbeitsertrag bis zu 30 Prozent unter dem jeweiligen Lohnaufwand“, so Riedel. „Viele Erzeuger arbeiten an ihrer Leis­tungsgrenze, das ist auch ein Grund dafür, dass die nachfolgende Generation nicht in den Betrieb einsteigen will.“

Deshalb sieht Riedel die Ausbildung des Berufsnachwuchses als wichtige Zukunftsaufgabe an. „Die Ausbildung junger Leute ist eine langfristige Inves­ti­tion, wir müssen die Managementfähigkeiten des Nachwuchses weiter ausbauen.“ Für mittelgroße Betriebe kann nach Aussage von Riedel auch eine Kooperation das Ãœberleben sichern.

Dr. Hans-Christoph Bähr von der AMI in Bonn beleuchtete die Vermarktungsstrategien und die Nachfrageentwicklung von Frischgemüse. Er stellte fest, dass die Einkaufsmengen an Frisch­gemüse im letzten Jahrzehnt jährlich fast um ein Prozent zurückgegangen sind. Kohlgemüse und unbearbeitet Blattgemüse wurden weniger gekauft, wohingegen der Einkauf von küchenfertigem Frischgemüse, Pilzen und Kräutern gestiegen sei. „Diese Produkte werden vor allem von jüngeren Kunden gekauft, Kohlgemüse eher von den älteren. Das Kaufverhalten der jüngeren Kunden hängt davon ab, wie sie das Gemüseessen gelernt haben.“

Junge Kunden kaufen Gemüse anders

Bähr zeigte zwei Entwicklungen des Kaufverhaltens bei den jüngeren Kunden auf: Zum einen steige die Convenience-Neigung nicht weiter, die Bereitschaft, Frischeprodukte zu kaufen, nehme zu. Die Verbraucherausgaben für Gemüse sind laut Bährs um ein Prozent gestiegen, der Anteil deutscher Ware habe in den letzten Jahren zugenommen. „Die Präferenz für deutsche Ware ist produktabhängig“, sagte der Marktforscher. Die Verbraucher zahlen für deutsche Rispentomaten einen Mehrpreis. Das Thema Convenience spiele eine große Rolle, ergänzt um den Trend „Snack-Gemüse“.

„Das Thema Regionalität wird durch den Handel immer mehr beworben. Ebenso kommunizieren alle Handelsketten das Thema Nachhaltigkeit im Internet. Fast alle Ketten bieten Regio­nalmarken an, auch Discounter“, so Bähr. „Trotzdem stammt die breite Angebotsmasse nicht aus regio­na­­­ler Er­zeugung, daran wird sich so schnell nichts ändern.“ Dabei komme es bei wachsendem regionalen Angebot zu einem Angebotsdruck, was sich negativ auf den Preis auswirken könne. Auch das Thema Bio werde durch den Handel weiter verfolgt, aber nicht mehr so stark nach vorn gestellt.

Imke Brammert-Schröder – LW 49/2012