Handel reagiert sensibler als die Agrarproduktion

Vortrag in Frankfurt über Konsequenzen aus der Eurokrise

Auch wir als aktive Landwirte sind in das Gesamtgeflecht Euro eingebunden. Zu fragen sei deshalb, was dessen gegenwärtige Krise für unsere Betriebe bringen wird. So der Vorsitzende des Frankfurter Landwirtschaftlichen Vereins (FLV), Karlheinz Gritsch, bei der Eröffnung der Vortragsveranstaltung zum Thema „Konsequenzen der Eurokrise für die Landwirtschaft“. Als Referenten begrüßte er Professor Dr. Michael Schmitz, Institut für Agrarpolitik und Marktforschung der Universität Gießen.

Prof. Dr. Michael Schmitz sprach beim FLV über die Folgen der Eurokrise für die Landwirte.

Foto: Jörg Rühlemann

„Zurzeit boomen die Weltmärkte für Nahrungsmittel. Deshalb können die Landwirte eigentlich etwas gelassener sein“, so Schmitz. Deutschland liege unter den Top Ten des internationalen Agrarhandels an dritter Stelle, bei den Exporten 2010 nach den USA und den Niederlanden, bei den Importen nach USA und China. Die Ausfuhren an Erzeugnissen der deutschen Ernährungsindustrie stiegen seit 1998 von rund 20 auf 2011 fast 50 Mrd. Euro, die Einfuhren von 23 auf 43 Mrd. Euro.

Der Auslandsanteil der Umsät­ze der Ernährungsindustrie stieg im gleichen Zeitraum von 17 auf 30 Pro­zent. An dieser „bemerkenswerten Erfolgsstory“ seien Fleisch und Fleischprodukte sowie Milch und Milchprodukte mit 21,0 und 16,9 Prozent Anteil am Gesamtexportwert 2011 der deutschen Ernährungsindustrie „unsere beiden Flaggschiffe“.

Handel sensibler als Produtkion

Der Welthandel reagiere generell auf wirtschaftliche und finanzielle Probleme sensibler als die Weltproduktion. Das sei auch als Folge der Finanzkrise 2009 für Deutschland ein besonderes Problem gewesen, so der Referent. Zu diesem Zeitpunkt habe die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers die Finanzkrise ausgelöst. Folgen seien für die Finanzwirtschaft vor allem Vertrauensverlust sowie Einschränkung und Risikoaufschläge bei der Kreditvergabe gewesen. Für die Realwirt­schaft bedeute die Finanzkrise Kreditklemme, Investitionszurückhaltung, Auftragseinbruch, Kurzarbeit und schrumpfenden Handel.

Die am Konjunkturbarometer des Deutschen Bauernverbandes erkennbare schlechte Stimmung 2008 bis Anfang 2010 auch in der deutschen Landwirtschaft sei aber inzwischen überwunden. Auch das Konjunktur- und Investitionsbarometer Agrar zeige eine deutlich verbesserte Beurteilung der zukünftigen wirtschaftlichen Situation seitens der Landwirte. Ebenso seien danach die Investitionsplanungen angestiegen sowie das Investitionsvolumen, insbesondere bei Wirtschaftsgebäuden und Maschinen. Bei erneuerbaren Energien dagegen seien die Investitionsabsichten gesunken.

„Hochgeschossen“ sind parallel zur Ausweitung der Finanzkrise die Agrarrohstoffpreise. Seien die Ursachen dafür nach Meinung der Wissenschaft vielfältig und nicht eindeutig der Entwicklung zuzuordnen, so stehe aber fest: Volatile, also stark schwankende Agrarrohstoffpreise auf den Weltmärkten sind nicht neu. Sie hätten sogar seit 1957, so eine neue OECD/FAO-Untersuchung von 2011, trendmäßig nicht zugenommen. Man wisse zwar, wohin das Niveau gehe, und zwar nach oben, aber nicht, wie sich die Preisschwankungen bei den Hauptfrüchten Weizen, Mais, Reis und Sojabohnen im Einzelnen entwickeln. Hierin sieht Schmitz eine „steigende Anforderung an unsere Betriebsleiter“. Er stellte er fest:

  • Die Weltkonjunktur schwächt sich ab.
  • Eine Rezession ist aber nicht zu erwarten.
  • Die Vergemeinschaftung von Schulden muss ein Ende haben.
  • Der Euro sollte als Einheitswährung erhalten bleiben.

Die Landwirtschaft selbst scheint von der Schulden- und Eurokrise direkt weniger betroffen zu sein. Indirekt könnte aber über die Ernährungswirtschaft und deren Handelsaktivitäten ein belastender Einfluss entstehen. Zudem stehen auch, wenn, wie aktuell erfahrbar in Brüssel, gespart werden muss, die Direktzahlungen und andere Hilfen unter Druck. „Statt grüner und damit kostenträchtiger“ sollte die Landwirtschaft deshalb wettbewerbsfähiger werden, um auch bei begrenzten Staatshilfen an internationalen Märkten bestehen zu können. Zu letzterem gehöre es aber auch – dies wurde in der vom FLV-Vorsitzenden geleiteten Diskussion mehrfach betont – durch mehr Öffentlichkeitsarbeit „das Bild der Landwirtschaft zurechtzurücken“. Auch gegen überzogene Einflussnahme der Politik müsse sich die Landwirtschaft wehren und ungerechtfertigten Vorwürfen seitens selbsternannten Umweltschützern und NGO (Nichtstaatlichen Umwelt- und anderen Orga­nisationen) begegnen.

Rühlemann – LW 48/2012