Handel steht auf Produkte mit regionalem Bezug

Für Verbraucher Sinnbild der Nachhaltigkeit

Die regionale Herkunft von Lebensmitteln spielt im Handel eine zunehmende Rolle. Die Bereitschaft der Verbraucher, mehr Geld dafür auszugeben, ist laut Umfragen bei der Hälfte der Verbraucher vorhanden, beim tatsächlichen Kaufverhalten sieht es etwas anders aus. Darüber hinaus spielt die Regionalität je nach Produkt eine unterschiedliche Rolle, wie Dr. Hans-Christoph Behr von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft ami vergangene Woche auf der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen in Gernsheim darstellte.

Dr. Hans-Christoph Behr, Marktexperte der ami, insbesondere für die Obst- und Gemüsemärkte.

Foto: Mohr

Auf jeden Fall ist das Kriterium Regionalität bei der Kaufentscheidung wichtiger als die Kriterien „besonderer Tierschutz“, „zertifizierte Nachhaltigkeit“, „geringer Preis“ und „biologische Produktion“, wie Behr anhand von Umfragen aufzeigte. Besonders viel Wert auf regionale Herkunft legen die Verbraucher bei Fleisch und frischem Obst und Gemüse, es folgen Eier, Milch und Wurstwaren.

Zwischen Umfrageergebnissen und dem tatsächlichen Verkauf gibt es jedoch generell einen beträchtlichen Unterschied. Deutlich wird das beim Beispiel Biolebensmittel, wie der Marktexperte erläuterte. Zwischen der Selbsteinschätzung („ich kaufe häufig Biolebensmittel“) und dem gemessenen Kauf beispielsweise von Eiern war die Diskrepanz besonders groß (60 Prozent Selbsteinschätzung, 35 Prozent tatsächlicher Einkauf), ebenso auch bei Biokartoffeln (56 und 27 Prozent). Bei Frischgemüse allerdings war der Anteil der Verbraucher, die tatsächlich Bio kauften, höher als die Selbsteinschätzung.

Erzeugernahe Vermarktung stagniert

Was den Absatz anbelangt, so verharren die klassischen Vermarktungswege regionaler Produkte über den Wochenmarkt und in der Direktvermarktung auf gleichbleibendem bis sinkendem Niveau. Behr bezifferte den Umsatz in der erzeugernahen Vermarktung von frischen Lebensmitteln in Deutschland auf 1,5 Mrd. Euro (Wochenmarkt) beziehungsweise 1,3 Mrd. Euro (ab Hof), insgesamt also auf 2,8 Mrd. Euro. Das Problem der klassischen Direktvermarktung sei, dass das Durchschnittsalter der Stammkundschaft weiter ansteige.

Lebensmittel bleiben günstig

Die Preise für Nahrungsmittel in Deutschland sind laut Angaben des Statistischen Bundesamtes zuletzt stärker gestiegen als diejenigen für alle Waren und Dienstleistungen. Gleichwohl seien die Lebensmittel noch immer günstig zu erstehen. Gerade einmal jeder zehnte Euro des verfügbaren Haushaltseinkommens werde noch für Nahrungsmittel ausgegeben. Im Jahr 1970 habe noch fast ein Fünftel dafür aufgewendet werden müssen, vor 100 Jahren sogar die Hälfte des Einkommens.

LW

Ein bedeutender Trend ist der zunehmende Außer-Haus-Verzehr von Nahrungsmitteln in Gaststätten und in der Gemeinschaftsverpflegung (Kantinen, Mensen). Gleichzeitig nimmt die Anzahl der Mahlzeiten, die zu Hause eingenommen werden, ab. Allein das (gemeinsame) Abendessen zu Hause ist stabil. Der Einkauf im Lebensmittelhandel nimmt durch diese Tendenzen insgesamt ab, zeigte der Marktexperte der ami auf.

Einfluss der Kaufkraft auf die Direktvermarktung

In der Direktvermarktung spielen derweil Gemüse mit einem Ausgabenanteil der privaten Haushalte von 22 Prozent die größte Rolle, vor Obst mit 17 Prozent und Eier mit 15Prozent, gefolgt von Fleisch mit 13 und Kartoffeln mit 8 Prozent. Betrachtet man die Umsätze bei der Direktvermarktung, so liegen anteilsmäßig Eier und Kartoffeln ganz vorne, nämlich bei jeweils über 9 Prozent. Wie Behr darstellte, hat die Direktvermarktung vor allem im Westen und Südwesten Deutschlands eine große Bedeutung im Vergleich zu den neuen Ländern. Bei frischen Lebensmitteln liegen hier die Verkaufsanteile bei rund 3 Prozent, dort bei rund einem Prozent. Das liegt nach seiner Einschätzung an der unterschiedlichen Kaufkraft in Ost und West.

Deutsche Herkunft steht hoch im Kurs

Mit heimischen Waren und insbesondere mit der deutschen Herkunft lassen sich höhere Preise erzielen, wie der Marktexperte weiter ausführte. Das gilt insbesondere für Erdbeeren und für Tomaten. Gerade deutsche Tomaten haben einen besonders guten Ruf gegenüber Importware. Wie Behr aufzeigte, hat der Lebensmittel­einzelhandel die Bewerbung regionaler Herkünfte deutlich gesteigert. Besonders gilt das bei Tomaten, Äpfeln und Karotten. Letztere sind fast das ganze Jahr aus heimischer Produktion verfügbar. Relativ stark zugenommen hat nach Beobachtung der ami die Nachfrage nach heimischen Strauchbeeren.

Bei Spargel zeigt sich ein spezifisches Bild. Es ist zwar ein regionales Produkt par excellence, die Handelsketten tun sich aber mit der regionalen Ausflaggung (Branding) schwer, weil hier der Einkauf ab Hof noch eine sehr große Rolle spielt und 30 bis 40 Prozent beträgt und weil die meist selbstständigen Kaufleute innerhalb der großen Ketten wie Rewe oder Edeka oftmals selbst vor Ort einkaufen.

LEH setzt auf seine eigenen Marken

Nach Einschätzung von Behr bleibt der Regionaltrend bestehen. Für die Verbraucher sei Regionalität das Sinnbild der Nachhaltigkeit. Der Handel bewirbt nach Beobachtung der ami die Produkte, für die eine hohe Zahlungsbereitschaft und ein großes Angebot vorhanden sind. Dabei setzt der LEH vor allem auf eigene Marken. Bei Gemüse, dass der LEH mit regionalem Bezug beworben hat, entfallen beispielsweise 80 Prozent auf Eigenmarken. Allerdings geht Behr auch davon aus, dass bei steigendem Anteil von Waren mit Regionalbezug, Mehrpreise weniger durchsetzbar sind, auch wegen der bereits relativ hohen Preise der inländischen Ware ohne Regionalbezug.

CM – LW 6/2017