„EuGH wird eine harte Nuss zu knacken haben“
Klagen wegen Veröffentlichungen im Internet zunächst erfolgreich
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hält die Veröffentlichung der Daten von Agrarbeihilfe-Empfängern für unzulässig. Rechtsanwalt Rainer Seimetz hat zwei hessische Landwirte mit Unterstützung des Hessischen Bauernverbandes bei ihrer Klage vor dem Gericht vertreten.
Rainer Seimetz: Die Klage fußt im Wesentlichen auf zwei Argumentationslinien. Zum einen stellt sich die Frage, ob der mit der EU-Verordnung angestrebte Zweck der Schaffung von Transparenz in die Förderung der Landwirtschaft mit einer personenbezogenen Veröffentlichung von nackten Zahlen ohne weitere Kommentierung dieser Zahlen erreicht werden kann. Mit diesen Zahlen kann kein EU-Steuerbürger irgend etwas Konkretes anfangen. Er hat weder einen unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung der Zahlungen, noch lässt sich mit der Veröffentlichung eine konkrete Verwendung der Mittel erfassen. Zum anderen steht natürlich auch die Frage des Datenschutzes im Raum. Die Beihilfezahlungen sind ganz ohne Zweifel personenbezogene Daten. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sollen die Zahlungen nach zwei Jahren aus dem Internet wieder gelöscht werden. Im Laufe des Verfahrens hat sich herausgestellt, dass es technisch überhaupt nicht möglich ist, die Daten so zu löschen, dass keine Spuren mehr irgendwo in der weiten Welt des Internets mehr zu finden sind. Die Bestimmungen sehen daher etwas vor, was technisch überhaupt nicht machbar ist. Zudem ist der gesamte Komplex der Übertragung der Zahlstellenfunktion vom Ministerium weg auf die Investitionsbank Hessen ab 2009 unter dem Gesichtspunkt des hessischen Datenschutzes offenbar nicht hinreichend umgesetzt.
LW: Inwieweit ist das Gericht Ihrer Argumentation gefolgt?
Seimetz: Im Laufe der mündlichen Verhandlung stand eindeutig die Frage des Datenschutzes und der Datensicherheit im Vordergrund. Es war also zu erwarten, dass auch eine Entscheidung schwerpunktmäßig auf diesen Fragen basiert. In der jetzt vorliegenden schriftlichen Entscheidung greift das Gericht aber neben den Ausführungen zum Datenschutz auch unseren Vortrag zur Eignung des Mittels der Veröffentlichung zum angestrebten Zweck der Transparenz auf. In diesem Bereich lag ja auch der Schwerpunkt der berufsständischen Argumentation. Diese ist also durchaus berücksichtigt worden.
LW: Wie verläuft der weitere juristische Weg und wie schätzen Sie die Chancen für die Klage ein?
Seimetz: Zunächst einmal sind die beiden Verfahren nur ausgesetzt. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hält für seine Entscheidung bestimmte Fragen für erheblich. Diese Fragen hat es dem Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens zur Beantwortung vorgelegt. Ich halte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden für sehr gut begründet. Ich denke, es hat mit den Fragen und seinen Erläuterungen dazu dem EuGH eine harte Nuss zu knacken gegeben. Wie lange es dauert, bis die Nuss geknackt ist, kann ich nicht beurteilen.
LW: Gibt es dabei einen Unterschied zwischen der Veröffentlichung von Leistungen im Rahmen der ELER-Verordnung, die schon veröffentlicht sind, und den Betriebsprämienzahlungen, die ja demnächst ins Internet gestellt werden sollen?
Seimetz: Die Veröffentlichung der ELER-, also Säule 2-, und EGFL-, also Säule 1-Mittel basiert auf denselben Rechtsvorschriften. Es gibt daher erst einmal keinen Unterscheid für diese beiden Bereiche, bis auf die Tatsache, dass die ELER-Zahlungen für das Jahr 2007 bereits seit dem 17. Dezember 2008 veröffentlicht sind, und die EGFL-Mittel am 30. April 2009 für das Jahr 2008 zur Veröffentlichung anstehen.
LW: Die Veröffentlichung der Daten im Internet wird nur von den klagenden Landwirten eingestellt. Was empfehlen Sie den anderen Landwirten, deren Daten nach wie vor im Internet stehen?
Seimetz: Richtig ist, dass das jetzige Verfahren nur die beiden klagenden Landwirte, einer aus dem Main-Kinzig-Kreis und einer aus dem Vogelsbergkreis, betrifft. Es gibt keine Vereinbarung mit dem Land Hessen als Beklagten, diese beiden Verfahren als Musterverfahren zu betrachten. Im Vorfeld ist über die Kreisbauernverbände versucht worden, weitere Landwirte für den Verfahrensweg zu finden. Das ist leider gescheitert. Bemerkenswert ist auch, dass außer unseren beiden hessischen Landwirten nicht ein einziger Landwirt aus einem anderen Bundesland den Verfahrensweg beschritten hat. Einen konkreten Rat an die anderen Landwirte gibt es jetzt erst einmal nicht, allenfalls den, jetzt keine eigenen Verfahren anzustrengen. Das halte ich für kontraproduktiv. Im Übrigen stünde es dem Land Hessen sehr gut an, diese Entscheidung eines seiner eigenen Gerichte anzuerkennen und von sich aus bis auf weiteres auf die Veröffentlichungen zu verzichten. Dies der neuen politischen Leitung des Ministeriums in Wiesbaden nahe zu bringen, ist Aufgabe des Hessischen Bauernverbandes. Die Fragen stellte Cornelius Mohr
Rainer Seimetz ist Rechtsanwalt bei der GenoRecht Rechtanwaltsgesellschaft mbH, Niederlassung Friedrichsdorf, die vorrangig Landwirte in allen Rechtsgebieten vor Gericht vertritt. Weitere Informationen unter www.genorechtanwaelte.de. |