Herdenschutz – Anforderungen an Weidezäune

Weidetierhalter sollen Rechtssetzung beachten

Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) hat kürzlich ein Merkblatt zum Thema „Herdenschutz gegen den Wolf“ herausgebracht. In einer Mitteilung geht der Hessische Bauernverband (HBV) der Frage nach, ob durch diese oder vergleichbare Veröffentlichungen juristisch bindende Vorgaben nach dem erforderlichen Umfang von Herdenschutzmaßnahmen gegen den Wolf beziehungsweise der Qualität von Zäunen insgesamt aufgestellt werden.

Der Stand der Technik in Bezug auf die Anforderungen an Weidezäune ändert sich fortlaufend. Der Hessische Bauernverband geht der Frage nach, welche juristischen Folgen ein Merkblatt der DLG oder andere vergleichbare Veröffentlichungen für die Anforderungen an Weidezäune haben. Das Bild zeigt Weidetierhalter anlässlich der Demonstration gegen die Bedrohung durch den Wolf im Januar in Wiesbaden.

Foto: Dietz

Das Merkblatt bezieht sich im Wesentlichen auf die seit Anfang des Jahres 2020 geltenden Normen DIN VDE 0131: 2020-01; Errichtung und Betrieb von Elektrozaunanlagen für Tiere sowie DIN EN 60335-2-76: 2015-08; Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke – Teil 2-76: Besondere Anforderungen für Elektrozaungeräte.

Begrifflichkeit „Stand der Technik“

Bei der Bewertung, ob durch das Merkblatt oder vergleichbare Veröffentlichungen rechtlich verbindliche Vorgaben aufgestellt werden, ist laut HBV juristisch zwischen verschiedenen Bereichen zu unterscheiden. Die Begrifflichkeit „Stand der Technik“ beschreibt die für einen bestimmten Bereich vorhandene Art und Qualität einer Ausstattung. Ob eine bestimmte Ausstattung dem Stand der Technik entspricht, hängt von verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel der Verbreitung bei vergleichbarer Ausstattung, ab. Bei einer Zaunausstattung wird also zu prüfen sein, wie bei gleicher Tierart und Gefährdungslage (die meisten) Zäune anderer Tierhalter ausgestaltet sind, um die Frage zu klären, ob ein bestimmter Zaun dem Stand der Technik entspricht oder nicht.

Begrifflichkeit „CC-Relevanz im Förderrecht“

Unter dem Punkt Tierhaltung (1.7 Freilandhaltung) der Cross-Compliance-Checkliste 2020 kann nach HBV bei CC-Kontrollen geprüft werden, ob gehaltene Weidetiere erforderlichenfalls vor Raubtieren (Füchsen oder anderen Beutegreifern) geschützt werden. Das OVG Niedersachsen hat dazu allerdings bereits im Jahr 2018 in einem Verfahren zum Aktenzeichen 11 ME 448/172 entschieden, dass eine entsprechende veterinäramtliche Anordnung eines beispielsweise wolfabweisenden Zauns nur dann erforderlich ist, wenn im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Tiere, die durch die Errichtung dieses speziellen Zauns vor bestimmten Beutegreifern geschützt werden sollen, in absehbarer Zeit von eben diesen Beutegreifern angegriffen würden, mithin eine mindestens konkrete Gefahr für die Tiere besteht und die Errichtung des angeordneten Zauns geeignet ist, den Eintritt dieser konkreten Gefahr zu verhindern, so der HBV.

Wann genau eine solche konkrete Gefahr bestehe, sei eine Frage des Einzelfalls. Liege eine Gefahr vor, werde geprüft, ob die Herdenschutzmaßnahmen dem Stand der Technik entsprechen oder nicht. Entspricht der Zaun dem nicht, besteht also kein hinreichender Schutz vor Raubtieren, ist ein CC-Verstoß möglich. Die Höhe dieser Verstöße hängt davon ab, ob bereits weitere Verstöße im betroffenen Betrieb bestehen. Bei einem Erstverstoß können ein Prozent der entsprechenden Prämien gekürzt werden. Diese Zahl erhöht sich bei Wiederholungsverstößen auf 3 oder 5 Prozent und kann, soweit ein vorsätzlicher Verstoß festgestellt wird, bis 100 Prozent der beantragten Prämien betragen.

Mögliche weitere zivilrechtliche Ansprüche

Laut HBV ist denkbar, dass bei einem Wolfsriss beziehungsweise anderen Großbeutegreifern weitere, nicht unmittelbar betroffene Tiere aufgrund von Panik aus der umzäunten Weide ausbrechen und dann beispielsweise auf Straßen laufen beziehungsweise sonstige weitere Schäden anrichten könnten. Hierbei seien vor allem die §§ 833 und 834 BGB zu berücksichtigen. Daneben kommen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen in Betracht. Es wird dann im Einzelfall nachzuweisen sein, dass die Umzäunung den Anforderungen an den Stand der Technik entsprochen hat.

Strafrechtliche Relevanz

Gegebenenfalls komme eine strafrechtliche Verfolgung in Betracht, etwa dann, wenn die ausbrechenden Tiere zu der Körperverletzung einer anderen Person geführt haben. Hier lässt sich aus Erfahrung sagen, dass die Staatsanwaltschaft in einem solchen Fall auch die Qualität und Konstruktion eines Zaunes überprüft. Stelle sie fest, dass der Zaun ordnungsgemäß errichtet wurde, kann sie das Verfahren einstellen.

Die Bundesländer, so auch Hessen, sehen eine Entschädigung für aufgrund von Wolfsrissen getötete Weidetiere vor. Dabei seien die jeweiligen Empfehlungen zu beachten. In Hessen werden Herdenschutzmaßnahmen nur für Schafe und Ziegen, wie etwa der Zaunbau gefördert. Bei einer Prämie von 40 Euro pro Hektar ist dabei eine Kostendeckung nicht zu erreichen. Das HMUKLV verweist in seinem „Leitfaden Wolfsmanagement für Hessen“ insgesamt auf den Stand der Technik. Hierbei sind laut HBV dann die auch im DLG-Merkblatt dargestellten baulichen Ausführungen der Zaunanlagen zu beachten. Die Gewährung einer Entschädigung für Wolfsrisse aus diesen Mitteln bedingt die entsprechende Einrichtung von ausreichenden Schutzmaßnahmen wie etwa anhand der im DLG-Merkblatt beschriebenen Bauart.

Haftung bei Unfällen und Versicherungsleistungen

Die Schäden an und durch Nutztiere sind durch Versicherungen abdeckbar. Die einzelnen Versicherungsunternehmen haben in aller Regel in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen Regelungen vorgeschrieben, die die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers beinhaltet. Dieser muss die Versicherungsgesellschaft bei Abschluss der Versicherung über mögliche Gefahrenquellen informieren. Eine prinzipielle Kontrolle der Zäune wird dies nicht beinhalten. Allerdings ist laut HBV denkbar, dass bei einem besonders baufälligen und im schlechten Zustand befindlichen Zaun die Versicherung eine Regulierung gegebenenfalls ablehnen wird. Dies zumindest dann, wenn der Versicherungsnehmer erkannt hat, dass der Zaun zum Schutz vor Ausbruch der Tiere nicht taugt und dennoch keine Maßnahmen ergriffen hat. Die Pflicht zur Information der Versicherung über Gefahrenumstände ergibt sich auch aus dem Versicherungsvertragsgesetz.

LW – LW 30/2020