Hessischer Ziegentag

Ãœber Klauenpflege, Ultraschall, Zickelgesundheit informiert

180 Besucher kamen kürzlich zum dritten Hessischen Ziegentag, der diesmal an der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere (KGGA) der Universität Gießen stattfand. Marlene Sickinger, Tierärztin an der Klinik für Wiederkäuer der Uni Gießen, sprach über Klauengesundheit und Klauenbehandlung bei Ziegen.

Henrik Wagner (r.) hat den Ziegentag in Gießen mit dem Zuchtverband organisiert.

Foto: Michael Schlag

„Gesunde Klauen sind Grundvoraussetzung für Weidehaltung und lange Nutzungsdauer“, sagt Sickinger, Lahmheiten in der Herde wirkten sich negativ auf die gesamte Haltung aus: Lämmer haben geringere Tageszunahmen, die Futterkosten steigen, die Schlachtergebnisse verschlechtern sich. Klauenkrankheiten führten in der Decksaison auch zu schlechteren Befruchtungsraten. „Spermaqualität und -menge der Böcke werden heruntergefahren“, sagt die Tierärztin, brünstige Ziegen würden den Deckakt wegen schmerzender Klauen häufiger unterbrechen. Die Folgen kranker und schmerzender Klauen ziehen sich bis zur Geburt: Mit schmerzenden Klauen bewegen sich die Tiere weniger, aber „durch Bewegung wird das Lamm in die richtige Austragsposition gebracht.“ Das durchschnittliche Wachstum des Klauenhorns beträgt zwei bis sechs Millimeter pro Monat. Ein bis drei Mal pro Jahr sollten die Klauen bei den Ziegen geschnitten werden, empfiehlt Tierärztin Sickinger. Würden die Ziegen nicht nur im Auslauf, sondern auch im Stall gehalten – wie bei den meisten Hobbyhaltern – sei noch öfter zu schneiden. „Es ist sinnvoller und wirtschaftlicher, häufig nach den Klauen zu sehen, als später eine längere Behandlungsdauer zu haben.“ Wächst das Horn wegen mangelnder Abnutzung und Pflege zu stark, wächst es stärker nach vorne. Das führt zu höherer Belastung der Ballen und schließlich zu Fehlstellungen der Beine mit Streckung und Belastung der Beugesehne. Mit einmaligem Klauenschneiden sei dieses Problem dann nicht mehr zu beheben. Schrittweises Nachschneiden mit langsamem Nachstellen des Klauenwinkels könnten dann drei Monate dauern.

Henrik Wagner, der den Ziegentag an der Uni Gießen gemeinsam mit dem Ziegenzuchtverband organisiert hatte, sprach in seinem Fachvortrag über „Wichtige Erkrankungen der Zickel“. Dazu zählt der „Hypothermie-Hypoglykämie-Komplex“, die Unterkühlung und Unterzuckerung der Zickel, „eine Erfahrung, mit der wir hier täglich zu tun haben,“ so Wagner. Die Symptome träten meist bis zum vierten Lebenstag auf: absinkende Körpertemperatur, schwächer werdender Saugreflex, Seitenlage der Zickel. Eine der Ursachen ist das Umgebungsklima nach der Geburt. „Wenn die Umgebung feucht und kalt ist, habe ich schon eine schlechte Ausgangsposition.“ Eine andere Ursache kann Kolostrummangel sein. „Hören Sie nicht nur auf das Schmatzgeräusch“ bei der Kontrolle, ob das Zickel trinkt, rät Wagner, denn „es kann sein, dass es nur die Zitze sucht.“ Besser sei, das Zickel anzurüsten, „auch um zu prüfen, ob der Zitzenkanal offen ist.“ Auch eine Mehrlingsgeburt kann Ursache von Unterkühlung sein, wenn das erste Zickel noch von der Mutter trocken geleckt wird, das zweite oder dritte Zickel aber feucht bleibt und Verdunstungskälte erleidet. Die Mittel dagegen sind „erst Glucose, dann Rotlicht“, in dieser Reihenfolge, betont Wagner. „Wenn die Tiere in der Klinik ankommen, kriegen sie erstmal eine Glucose-Infusion,“ die über mehrere Stunden langsam eingetropft wird. Dann folgt die Wärmezufuhr von außen, bis der Saugreflex wieder einsetzt. Träten die Symptome häufiger auf, dann sei der Betrieb gefordert, sein Geburtsmanagement zu überarbeiten. Bei den Zickelkrankheiten mahnte Wagner: „Was man nicht unterschätzen darf, sind die nicht-infektiösen Ursachen, wir müssen da auch nach eigenen Fehlern suchen.“

Ãœber Clostridien berichtet

Clostridien gehören zu den besonders gefährlichen bakteriellen Infektionen. Der Tierarzt rät drin­gend, bei Verdacht sehr früh eine Laboruntersuchung machen zu lassen, die an der Klinik in Gießen auch angeboten wird. Es gebe viele unterschiedliche Typen von Clostridien, eine gezielte Behandlung sei aber erst möglich, wenn feststeht, welche Clostridiumart genau die Ursache ist. Die frühe Probenabgabe kann für die Behandlung entscheidend sein, denn „es dauert sieben Tage, bis die Bakterien angewachsen sind“, sagt Wagner, „und ich kann die Labordiagnostik nicht beschleunigen“. Es könne fatal sein, darauf zu hoffen, dass die Infektion von alleine wieder verschwindet, wenn erst ein oder zwei Zickel gestorben sind. „Aus einem toten Zickel können urplötzlich 30 oder 40 werden“ warnt der Tierarzt. Dann aber „liegen jeden Morgen tote Zickel im Stall und ich kann die Behandlung nicht beginnen, weil die Diagnostik noch nicht vorliegt.“ Die Clostridien-Diagnose koste in der Klinik 60 bis 70 Euro, und selbst wenn sie negativ ausfalle, liefere sie dem Tierhalter zumindest Gewissheit.

Trächtigkeit ab 30. Tag feststellbar

Eine Ultraschall-Demonstration an der Ziege mit Proejktion an der Wand.

Foto: Michael Schlag

Wagner demonstrierte auf dem Ziegentag die Anwendung von Ultraschall zur Trächtigkeitsuntersuchung der Ziege. „Ab dem 30. Tag kann man damit feststellen, ob die Ziege tragend ist,“ ab dem 60. Tag ließe sich bereits erkennen, ob eine Zwillingsträchtigkeit vorliegt. Ein Vorteil: Der Tierhalter bekommt eine genaue Vorschau, wann er mit der Geburt der Zickel zu rechnen hat. Ultraschall bei Ziegen sei im Ãœbrigen einfacher als bei Schafen, weil man bei Ziegen nicht vorher die Wolle rasieren müsse. Ultraschall anzuwenden sei einfach und schnell, sagt Wagner, er habe schon innerhalb von fünf Stunden eine Herde von 450 Schafen zur Trächtigkeitsuntersuchung „geschallt.“ Ein Ultraschallgerät gehört auch zur Ausstattung des Wagens der Tierambulanz der Universität Gießen. Tierärztliche Klauenpflege demonstrierte auf dem Ziegentag schließlich Marlene Sickinger. Wie auch die Ultraschall-Bilder wurden die Nahaufnahmen der Behandlung auf die Leinwald des Hörsaals in der Tierklinik übertragen. Für die Klauenpflege speziell der kleinen Wiederkäuer erhielt die Tierambulanz der Uni Gießen einen Behandlungskoffer von Rüdiger Müller aus Homberg (Ohm), einem der Sponsoren des Ziegentages. Die Tierklinik plant demnächst auch einen Klauenpflegelehrgang für Ziegenhalter mit maximal 40 Teilnehmern. Interessenten werden gebeten, sich beim Hessischen Ziegenzuchtverband zu melden. Henrik Wagner stellte schließlich den Kooperationsvertrag der Gießener Klinik (KGGA) mit dem Hessischen Ziegenzuchtverband vor. Er eröffnet Mitgliedern die Möglichkeit, enger mit der Klinik zusammenzuarbeiten, außerdem soll die Kooperation die Ausbildung von Tierärzten an den kleinen Wiederkäuern fördern. „Als Student hat man nicht viel Kontakt zu Schafen und Ziegen“, sagt Wagner, bei den Fachtierärzten, die sich mit Schafen und Ziegen auskennen, werde es „immer dünner“. Die Kooperation versucht aufseiten der Universität, Studenten stärker an die Behandlungspraxis der kleinen Wiederkäuer heranzuführen. „Wir kommen mit den Studenten raus“, sagt Wagner und der ambulante Dienst stehe täglich 24 Stunden zur Verfügung. Der Ziegenverband zahlt dafür einen Beitrag von 350 Euro pro Jahr an die Klinik. Den Ziegenhalter kostet der Hofbesuch mit Studenten 50 Euro plus Fahrtkosten, den Service kann er zu diesem Preis zwei Mal pro Jahr in Anspruch nehmen. Ein Mal pro Jahr steht den Mitgliedern des Ziegenverbandes zudem auch ein kostenloses telefonisches Beratungsgespräch zu und bis zu 20 Laborproben pro Bestand und Jahr werden nur zum Materialpreis abgerechnet. Der Vertrag gilt zunächst bis Ende 2011 und steht nur Mitgliedern des Ziegenzuchtverbandes offen.

Hermann Fehrenz, Vorsitzender des Hessischen Ziegenzuchtverbandes, informierte über eine Neuerung bei der Hessischen Tierseuchenkasse: Die Ziegenhalter müssen ab dem kommenden Jahr einen Beitrag von 1,30 Euro für jedes Tier bezahlen. Fehrenz erinnerte, dass die hessischen Ziegenzüchter zum letzten Mal 1963 Beiträge zur Tierseuchenkasse gezahlt hätten. Bis 1995 hätte die Ziegenkasse erheblich Rücklagen gebildet, daraus habe man sogar Darlehen an andere Tierkassen geben können. Jetzt aber seien diese Rücklagen auch wegen der Blauzungenkrankheit aufgebraucht, ab dem kommenden Jahr würden deshalb wieder Tierseuchenbeiträge für Ziegenhalter erhoben. Schlag