High und Low Input in der Ökomilch-Erzeugung

Neuer Forschungsstall auf dem Gladbacherhof

Erst vor zwei Wochen sind die Milchkühe des Gladbacherhofs in einen europaweit einzigartigen Forschungsstall für die ökologische Milchviehhaltung umgezogen (siehe Videos unter https://oeko-feldtage.de/). Wissenschaftler untersuchen im Projekt Green Dairy – Integrierte Tier-Pflanze-Agrarökosysteme – die komplexen Wirkungen von ökologischer High und Low-Input-Milchproduktion auf Tier, Pflanze und Umwelt. Im Fokus steht die Verzahnung von Pflanzenbau und Tierhaltung, das schafft enorme Potenziale hinsichtlich der Ertragsstabilität, Risikominimierung und dem Ressourcenschutz. Wir sprachen mit den Projektverantwortlichen Dr. Deise Aline Knob und Dr. Christian Lambertz von der Justus Liebig-Universität Gießen.

Auf den Öko-Feldtagen von Dienstag, 28. bis Donnerstag, 30. Juni, finden täglich Vorträge über die Hintergründe des Forschungsvorhabens High und Low Input in der Ökomilcherzeugung statt (jeweils von 11 Uhr bis 11.45 Uhr). Im Anschluss daran wird jeweils eine Führung durch den neuen Forschungsstall angeboten (11.45 Uhr bis 12.30 Uhr).

Foto: Konrad Steinhauer, Lukas Weber

Im neuen Forschungsstall werden zwei Herden getrennt voneinander aufgestallt, um verschiedene Fütterungssysteme zu vergleichen. Welche sind das?

Lambertz: Aktuell wird auf dem ökologisch bewirtschafteten Betrieb eine Holstein Friesian-Milchviehherde mit etwa 90 Tieren gehalten. Diese Herde stocken wir für das Projekt in den nächsten Monaten noch mit eigener Nachzucht weiter auf. Für das Experiment teilen wir die Tiere anhand ihrer Zuchtwerte in zwei Gruppen mit jeweils 64 Kühen auf. So bekommen wir zwei Herden, die von ihrem genetischen Potenzial identisch sind. Wir füttern die eine dann mit High Input, die andere mit Low Input. Durch Einstellung der Fütterungsintensität in Bezug auf die Aufnahme an Energie und nutzbarem Rohprotein wird die High-Input-Gruppe für eine Jahresmilchleistung von circa 9 000 Kilogramm (kg) gefüttert und die Low-Input-Gruppe etwa 20 Prozent niedriger für circa 7 200 kg. Der Hauptunterschied in der Ration ist der Anteil an Maissilage und Kraftfutter. Mittelfristig sollen die Low Input -Tiere gar keinen Mais mehr erhalten. Die beiden Gruppen werden dabei entsprechend ihres Laktationszeitpunktes mit einer hochlaktierenden und einer niederlaktierenden Futterration leistungsangepasst gefüttert.

Zum einen untersuchen wir den Einfluss der Fütterungsintensität auf den Stoffwechsel der Milchkühe in der Trächtigkeitsphase und auf ihre Nachkommen. Außerdem gibt es Untersuchungen zu Genotyp-Emissions- und Genotyp-Fütterungs-Interaktionen hinsichtlich Tiergesundheit, funktionale Merkmale und Leistung. Und schließlich bewerten wir den Einfluss der Fütterungsintensität auf das kurz- und langfristige Tierwohl der Milchkühe und deren Nachkommen.

Neueste digitale Technik erfasst im Stall vielfältige Parameter zur Bewertung von Treibhausgasemissionen und Schadgasen, aber auch Tiergesundheit und Tierwohl. Was wird wie gemessen?

Lambertz: Jede Herde hat Zugang zu einem Melkroboter, der individuell Milchmenge und verschiedene Milchinhaltsstoffe und sogar das Kuhgewicht erfasst. Die Milch lagern wir herdenspezifisch bis zur Abholung in separaten Tanks. Die Futterrobotik ermöglicht uns eine exakte Futterzuteilung und die genaue Messung der Futteraufnahmen der Herden. Neben der Stallfütterung morgens und abends erhalten die Kühe in der Weidesaison täglichen Zugang zu den Weideflächen. Dabei kann mittels Sensortechnik die Zuteilung der Futterflächen nach Gruppenzugehörigkeit gesteuert werden. Im Stall wird zudem eine herdenspezifische Erfassung der Exkremente durch separate Güllelager im Außenbereich ermöglicht.

Im Fokus Ihrer Untersuchungen stehen die Umweltwirkungen. Wie messen Sie diese?

Knob: Der Melkroboter misst bei jedem Melkvorgang den Ausstoß der klimawirksamen Gase CO2 und Methan. Im Stall messen wir zudem kontinuierlich Temperatur, Luftfeuchte und Luftbewegung sowie den Ammoniak-Gehalt und die Staubbelastung. Gerade sind wir dabei, verschiedene Methoden im Stall zu testen, die auch in der Stallluft Methan, CO2 und N2O messen. Und auch den Wirtschaftsdünger nehmen wir uns vor und messen Treibhausgas- und Ammoniak-Emissionen und zwar nicht nur im Güllelager, sondern auch nach der Ausbringung auf dem Grünland und Acker.

Wie werden am Ende alle diese komplexen Datensätze zusammengeführt, um neben den Wirkungen auf Tier, Pflanze und Umwelt auch die Akzeptanz dieser Systeme in der Gesellschaft bewerten zu können?

Knob: Neben den beschriebenen Untersuchungen im Stall und im Pflanzenbau bewerten wir:

  • die gesellschaftliche Akzeptanz innovativer Verfahren im ökologischen Landbau
  • die ökonomische Nachhaltigkeit nach dem Konzept der wahren Kosten (true cost accounting).

Die umfassende Nachhaltigkeitsbewertung der zwei verschiedenen Fütterungssysteme zielt darauf ab, die gewonnenen Einzelergebnisse in Form verschiedener Indizes und Kennzahlen zusammenzufassen. Daraus soll die Basis für künftige Bewertungsschemata für unterschiedliche Anbau- und Haltungssysteme in der Landwirtschaft entstehen.

Die Fragen stellte Hella Hansen – LW 24/2022