Hippologische Rundreise des Fördervereins FRPS 2022

Pferdezucht und Pferdesport im Nordosten begutachtet

Die diesjährige Fahrt des Fördervereins für Pferdezucht und Pferdesport in Rheinland-Pfalz-Saar (FRPS) führte Mitte September zu einigen Pferdezuchtbetrieben in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Auch Kulturelles wurde in das Programm eingebunden. 39 Personen umfasste die Reisegruppe, zum großen Teil langjährige Teilnehmer an diesen interessanten Rundreisen.

Ganz der Pferdezucht und dem Pferdesport widmeten sich die Teilnehmer auf ihrer Reise durch den Nordosten der Republik. In zahlreichen Ställen erhielten sie Einblick.

© FRFS

Die erste Besichtigung fand auf dem züchterisch sehr erfolgreichen Betrieb von Frank Timmreck in Hohenberg-Krusemark in den Altmärker Elbauen statt. Frank Timmreck stellte den Betrieb und die von ihm gezogenen Topsportler per Video vor. Alljährlich werden DSP-Fohlen aus seiner Zucht zu Spitzenpreisen auf den süddeutschen Fohlenauktionen verkauft. Zehn bis 12 Fohlen erblicken jährlich bei Timmreck´s in dieser, von Grünland geprägten Zuchthochburg in Sachsen-Anhalt, das Licht der Welt. Aushängeschild dieser Zuchtstätte ist DSP Cashmoaker, ein Sohn des Calido I, mit dem Denis Nielsen vor einigen Jahren die Deutsche Meisterschaft der Springreiter gewinnen konnte. Er hat bisher eine Lebensgewinnsumme von mehr als 300 000 Euro. Neben Frank ist sein Sohn Hauke und dessen Ehefrau mit im Geschäft, die beide im gehobenen Springsport mit eigenen Zuchtprodukten unterwegs sind. Auch diese Vermarktungsschiene wird erfolgreich bedient. Der Betrieb ist ein Beispiel für einen passionierten und erfolgreichen Neuanfang aus dem Nichts nach der Wende, denn zu DDR Zeiten war private Pferdezucht kaum möglich.

Grünland auf Sand – optimal für Pferdezucht

In der Altmark entstanden vor mehr als 150 Jahren die ersten Zuchtorganisationen in der Rinder- und Pferdezucht, da das natürliche Grünland durch den hohen Grundwasserstand vorgegeben war und andererseits die sandigen Böden einem ertragreichen Ackerbau im Wege standen. Diese züchterische Tradition trägt noch heute Früchte: Neben vielen anderen, sind die Weltmeisterin DSP Alice (Simone Blum) und die Europameisterin DSP Chakaria (Andre Thieme) in dieser Region zur Welt gekommen.

Landgestüt Redefin erstrahlt in neuem Glanz

Das Landgestüt Redefin wurde 1812 gegründet. Die unglaublich großzügige Anlage zeigt sich nach den Renovierungen und Investitionen im Glanz früherer Zeiten. Zu den Spitzenzeiten, vor und nach dem ersten Weltkrieg, standen hier 176 Hengste mit 10 000 Bedeckungen. Nach der Vorstellung von einigen jungen Hengsten unter dem Sattel sowohl in der Dressur als auch über Sprünge in der großzügigen neuen Halle, wurde die heutige Philosophie der Anlage bei einer Führung anschaulich dargestellt. Neben 26 Hengsten mit 1 000 Bedeckungen, ist die Landesreit- und -fahrschule auch für externe Interessenten offen. In einem Gästehaus auf der Anlage, stehen für Kursteilnehmer Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung. Bis zu 12 Auszubildende haben hier pro Jahr die Möglichkeit den Beruf des Pferdewirts zu erlernen.

Als nächster Programmpunkt stand der Besuch in dem weithin bekannten Gestüt Ganschow bei Güstrow auf dem Programm. Friedhelm Menke und sein Sohn, der durch die Anlage führte, bewirtschaften diese Anlage mit rund 360 ha. Diese war schon zu DDR Zeiten eine Pferdezuchtanlage. Gezüchtet werden Trakehner und Mecklenburger mit etwa 80 Stuten. Zwischen 60 und 70 Fohlen werden jährlich in den großzügigen Freilaufstallungen aufgezogen.

Zur Vorstellung an der Hand und unter dem Sattel auf dem Paradeplatz kamen bei herrlichem Sonnenschein die aktuellen Hengste des Betriebes und einige ausgewählte Stuten, die remontemäßig vorgestellt wurden. Alle Stuten absolvieren dreijährig die Stutenleistungsprüfung. Auch Pferde aus anderen Zuchtgebieten, besonders aus dem Baltikum, werden angekauft, ausgebildet und dann vermarktet, wobei der Spitzensport nicht im Vordergrund steht. Die alljährliche Stutenparade Anfang Juli lockt stets bis zu 12 000 Zuschauer nach Ganschow. Der Fahrsport spielt eine besondere Rolle.

Friedhelm Menke, der schon als Lehrling auf diesen Betrieb kam, übernahm ohne Eigenkapital das Gestüt 1993 von der deutschen Treuhand. Eine bewundernswerte und mutige Entscheidung. Die aktuellen Investitionen in eine Reithalle 25x70 m und einen dazu gehörigen Pensionsstall soll die Zukunft für die nächsten Generation sichern.Mit einer Kremserfahrt wurde der hochinteressante Besuch abgeschlossen.

Anschließend stand im nahegelegenen Güstrow eine Stadtbesichtigung auf dem Programm. Am ehemaligen Herzogsschloss stehen aktuell Instandsetzungsarbeiten an, so dass das Äußere komplett eingerüstet ist. Durch aufgedruckte Bilder der Gerüstabdeckung ist die großartige Bauweise dieses Renaissanceschlosses zu erahnen. In Güstrow lebte der Künstlers Ernst Barlach, ein Besuch des Domes mit dem Schwebenden ist ein Muss.

Die Werke Ernst Barlach´s galten zur Zeit des Nationalsozialismus als entartete Kunst. Dadurch wurde die Bronze-skulptur eingeschmolzen. Ein Abguss blieb aber in Köln erhalten. Daher war eine originale Nachfertigung möglich.

Der dritte Tag der Reise begann mit einer Stadtführung durch die hanseatische Welterbestadt Wismar. Beeindruckend der Stadtkern mit den erhaltenen Kaufmannshäusern und den mittelalterlichen Sakralbauwerken, die durch die Bombadierung des zweiten Weltkrieges stark beschädigt wurden und zum Teil auch in der Nachkriegszeit durch die kommunistische Staatsführung der DDR gesprengt wurden. Trotzdem hinterlässt diese Stadt einen bleibenden Eindruck. Die wirtschaftliche Blüte zur Zeit der Hanse konnte lebendig erhalten werden.

Reitanlage Plath auf der Insel Poel besucht

Nächster Termin war der Besuch der Reitanlage Plath auf der Ostsee Insel Poel. Ein moderner Ferienreitbetrieb, der sowohl dem Mensch als auch den mitgebrachten Pferden Erholung am Strand der Ostsee bietet. Auf diesem Betrieb ist der Jahrhundertvererber Chacco Blue groß geworden. Der Chef des Hauses Andre Plath war mehrfach auf den vorderen Plätzen im Springderby in Hamburg platziert, gewann Große Preise im In- und Ausland und hat dieses Talent an seine noch jugendliche Tochter weitergegeben, die mit dem Zuchthengst Zidane D von Heartbreaker bereits auf drei Sterne-Niveau unterwegs ist.

Mit modernster Landtechnik, die auch überbetrieblich eingesetzt wird, wird auf 350 ha Ackerbau betrieben und im großen Stil vor allem Stroh an Pferdebetriebe vermarktet.

Mutterkühe und Vollblutzucht in Marlow

Östlich von Rostock, in Marlow, wurde dann ein außergewöhnlicher landwirtschaftlicher Betrieb besucht. Der etwas exzentrische Chef Volker Schleusner und seine Tochter Anna betreiben auf 1 500 ha, davon rund 1 000 ha Weideland, eine Rinderhaltung mit 1 000 Mutter-kühen und eine Vollblutzucht. Die Pferde laufen mit den Mutterkühen auf der Weide bei jedem Wetter, Sommer wie Winter. Das gilt auch für die Rennpferde im Training. Für das Training der Vollblüter, die vielfach nicht reinrassig gezogen sind und somit als Halbblüter firmieren, steht unter Trainerin Anna, eine eigene 1 000 m lange Trainingsbahn mit leicht ansteigendem Geläuf zur Verfügung. Die besondere Passion gilt den Hindernisrennen. Die Lieblingsbahn ist Bad Harzburg. Hier wird beim wichtigsten Jagdrennen auch ein Teich durchquert. Dieses Rennen wurde von Schleusners Butzelmann bereits drei Mal gewonnen. Die Zuchtstrategie mit dem Einsatz zum Teil ungeprüfter Hengste, aber erfolgreichen Nachkommen auf der Bahn, gibt diesem Pferdemann letztlich recht.

Überhaupt sind die Schleusners absolute Autodidakten, sie gehen ihren eigenen Weg und das mit großem Erfolg. Was beim Deutschen Galopp entschieden wird, tangiert ihn meist gar nicht. Der Stalljockey hat gar das Championat des erfolgreichsten Jokeys gewinnen können. Alles in allem herrscht hier bei Mensch und Tier eine Urwüchsigkeit, die nur ganz wenigen in dieser Szene zu eigen ist.

Das Thema Wolf ist in der Region seit Jahren eine bittere Angelegenheit für die Tierhalter. Noch halten sich die Schäden in Grenzen, da noch genügend Wildtiere wie Rehe, vorhanden sind. Die Bestände nehmen aber radikal ab und die Wölfe dementsprechend zu.

Da auch eine Brennerei zum Betrieb gehört und Kaffee und Kuchen reichlich vorbereitet waren, wird dieser Besuch in besonderer Erinnerung bleiben.

Nächste Station waren die Neustädter Gestüte bei Neustadt an der Dosse. Der ehemalige Landstallmeister Uwe Müller hatte sich Zeit genommen und die Gruppe im Hauptgestüt zu einer Führung empfangen. Die 1788 von Friedrich Wilhelm II gegründete, unter Denkmalschutz stehende herrliche Gestütsanlage, beherbergt auch die hochmoderne Besamungsstation und die Stallungen für die Besamungshengste. Heroen der deutschen Reitpferdezucht, wie der selbstgezogene Elitehengst Quaterback, haben hier ihren Ursprung.

Aber auch der Vater von DSP Alice, Askari, und viele andere aktuelle Vererber haben hier ihr zu Hause. Ebenso die Neustädter P-Familie, weltweit bekannt geworden durch die Mutterstute Poesie, die mit Sandro Hit ein Spitzenpferd nach dem anderen brachte. Erinnert sei auch an die unvergessene viermalige Bundeschampionesse Poetin I.

Reitpferdezucht auf höchstem Niveau

Das bronzene Standbild im Park des Landstallmeisterhauses hält die Erinnerung an Poesie und ihre Tochter Poetin für die Nachwelt wach. Mit 40 Stuten und jährlich rund 35 Fohlen wird hier im Hauptgestüt auf allerhöchstem Niveau Reitpferdezucht betrieben, die weit über alle Grenzen hinaus Beachtung findet.

Am Nachmittag stand dann die vierstündige Hengstparade mit spektakulären Schaubildern an, in der die jungen Stuten des Gestüts sowohl unter dem Sattel als auch vor dem Traberwagen einen guten Einblick in die Rittigkeit und Leistungsbereitschaft vermittelten. Hengste, darunter mehrere Körungssieger, zeigten ihre hohe Veranlagung für die klassische Dressur und für den Topsport über Sprünge.

Nach einer Übernachtung in Potsdam, ging die Reise am späten Nachmittag mit der Ankunft im Heimatstall zu Ende. Das harmonische Miteinander und die tiefen Eindrücke die Menschen, Pferde und Landschaften hinterlassen haben, hat Vorfreude auf eine Fahrt in 2023 entstehen lassen.

Karl-Heinz Bange – LW 43/2022