Hochstammreben und Esca
Bei Befall keine Stammverjüngung möglich
Hochstammreben oder Halbstammreben erfahren bei Pflanzungen eine größer werdende Beliebtheit. Besonders als Nachpflanzreben gelten sie als vorteilhafter im Vergleich zu den kurzen Veredlungen. Da jede einzelne nachgepflanzte Rebe vor schädlichen Einflüssen wie Herbizidabdrift, chemische Ausbrechmittel, Hasenfraß, mechanischer Beschädigung und Unkrautdruck geschützt werden sollte und bodennahe, junge Triebe beim Pflanzenschutz in Ertragsanlagen meist schlechter mit Belag abgedeckt werden, bieten sich Hochstammreben als Nachpflanzreben gut an. In der Praxis zeigt sich diese Entwicklung regional sehr deutlich.
Bei Hochstammreben muss die PflanÂzung sehr sorgfältig erfolgen, bei Trockenheit sind sie im Pflanzjahr empfindlicher, da das Bodenwasser höher zum Trieb transportiert werden muss. Gerade bei Nachpflanzungen ist mehrmaliges Gießen sehr aufwendig. Eine Beigabe von Pflanzerde sorgt für höhere Wasserhaltefähigkeit des Bodens in Trockenperioden.Aber auch in Neuanlagen werden zunehmend die etwa doppelt so teuren Hochstammreben eingesetzt, denn eine maschinelle Pflanzung ist hier ebenso möglich. Die Vorteile liegen vor allem in einer erleichterten Jungfeldpflege, die bei wachsenden Betrieben bei nicht ausreichend verfügbaren Saisonkräften in den Sommermonaten nicht immer pflanzenbaulich optimal durchgeführt werden kann. Die Veredlung liegt bei dieser Pflanzgutkategorie nicht knapp über dem Boden sondern ist durch die verlängerte Unterlage deutlich höher positioniert. Der Stammaufbau ist bereits weitgehend abgeschlossen, denn dieser besteht aus der geblendeten und gewachsten Unterlagenstange. Der PflanzÂguterzeuger hat damit eine Vorleistung der späteren Pflegearbeiten übernommen und hat entsprechend höheren Aufwand in der Rebschule.
Das Ausbrechen am Stamm entfällt komplett
Die längere Unterlage führt zu höheÂren Beschaffungskosten bei Einkauf oder in der Unterlagenerzeugung. Durch sorgfältiges Ausschneiden der Augen am verlängerten UnterÂlaÂgenÂholz treiben im Optimalfall keine Ausschläge mehr aus dem über der Erde stehenden Unterlagenstamm, das Ausbrechen in Bodennähe entfällt während der gesamten Standzeit der Anlage. Bilden sich vereinzelt TrieÂbe, so müssen sie stammÂnah am mehrjährigen Holz entfernt werden, damit sie nicht verholzen können. Eine Verjüngung aus bodenÂnahen Stammtrieben ist bei Hochstammnicht möglich, der Stammaufbau ist bis zur Veredlungsstelle nicht mehr variabel.
Viele Rebveredler bieten zweierlei Längen von Hochstammreben an. Standardlängen sind 80 bis 90 cm und dienen für höhere Erziehungen. So genannte Halbhochstammreben werden auf eine Länge von 50 bis 60 cm erzeugt und sind für niedrigere Flachbogenanlagen geeignet. Auch bei Sorten, deren Stämme sich leicht hochbauen, sind HalbÂhochstammreben geeigneter als längere Hochstammreben. Der Preis einer Hochstammrebe beträgt 3,20 Euro (inklusive MwSt.), Halbhochstammreben sind etwas preisgünstiger (etwa 2,50 Euro).
Die Veredlungsstelle der Hochstammrebe sollte bei der Pflanzung nicht direkt den späteren Kopf darstellen, vielmehr ist eine Fortführung des Stammes aus der Veredlung anzustreben. Dieser Abschnitt sollte 20 cm betragen, damit eine gewisse Variabilität beim Rebschnitt gewahrt wird. Liegt die Veredlung bei der Halbbogenerziehung knapp über dem unteren Biegedraht, der als Stammhaltedraht fungiert, so ist diese Variabilität kaum mehr gegeben. Die Reben bauen sich zu rasch auf, zudem werden viele Schnittwunden um den Pfropfkopf durchgeführt. Solche Wunden stellen ein hohes InfekÂtionsÂpotenzial für holzzerstörende Pilze dar, die einen kurzen Weg bis zur Veredlung haben und die Rebe zum Absterben bringen können. Eine längere wundenfreie Zone zwischen Veredlungsstelle und dem Kopf stellt eine gewisse Barriere dar.
Hochstammreben rechnen sich erst nach 30 Jahren
Hochstammpflanzgut sollte unbedingt in der richtigen Sorten/Unterlagen/Klonkombination und gewünschter Länge bei mindestens 16 Monate Vorlaufzeit vorbestellt werden, damit es in entsprechender Stückzahl vom Rebveredler erzeugt werden kann. Ausnahmen sind kleinere Posten an Nachpflanzreben, wo Unterlage oder auch Klon eher variiert werden können. HauptÂsorten mit gängigen Unterlagen werden in gewissem Umfang auch „auf Verdacht“ als Hochstammreben veredelt.
Aus rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung amortisiert sich das Pflanzgut der Hochstammreben, selbst wenn man in den ersten Jahren höhere Erträge berücksichtigt, erst nach etwa 30 Jahren. Die höheren Kosten beim Pflanzgut werden erst langfristig durch Einsparungen bei der Jungfeldpflege und beim Ausbrechen wettgemacht. Auch die Arbeitszeiteinsparung fällt nicht deutlich ins Gewicht. Möglicherweise ist sogar die potenzielle Standzeit einer Hochstammanlage vermindert, sodass die EinÂspaÂrunÂgen gar nicht zum Tragen kommen.
Stammverjüngung nicht möglich bei Hochstamm
In der Praxis gibt es Situationen, in denen eine Stammverjüngung sinnvoll erscheint, um die Vitalität der Rebe zu erhalten. Gründe sind:
- holzzerstörende Pilze im Stamm, besonders Esca und Eutypa
- durch die Schwarzholzkrankheit (zellwandlose Bakterien) oder Mauke erkrankte Reben, die durch einen starken Rückschnitt bestenfalls geheilt werden können
- partielle oder auch komplette StammÂÂschädigungen durch Frosteinwirkung
- mechanische Stammschädigungen durch Kaninchenfraß, streifende Metallschienen von Anbaugeräten, aggressive Ausbrechbürsten, Mähfaden des Freischneiders, abgerissene Reben durch Vollernter oder Unfallschäden
- hochgebaute Stämme, die einer starken Verjüngung bedürfen, besonders bei Portugieser und Kerner mit schlechter Austriebsbereitschaft aus dem mehrjährigen Holz
Vor allem bei Schädigung durch Winterfröste im Stammbereich muss ein Stammneuaufbau erfolgen, sofern der Weinberg nicht komplett gerodet werden soll. Oftmals wird aus arbeitswirtschaftlichen Gründen auch bei herkömÂmlichen Reben eine Stammverjüngung gescheut, da sie schlecht ins betriebliche Konzept passt, etwa wenn Ausbrechbürsten eingesetzt werden oder chemische Stammtriebentfernung (Shark, Quick down) bei den dafür zugelassenen Sorten erfolgt. Beim chemischen Ausbrechen ist ein Schutz einzelner Reben, die aus Bodentrieben zu erneuern sind, unumgänglich.
Eine Alternative zur Stammverjüngung sind Nachpflanzungen abgegangener oder Esca geschädigter Reben. Auch eine Fehlstellenüberbrückung durch längeren Anschnitt der Nachbarstöcke (verlängerter Kordonarm) ist möglich. Vor allem bei Esca erkrankten Reben wird oft nachgepflanzt statt einen Neuaufbau des Stammes zu wagen. Werden Anlagen komplett mit Hochstammreben bepflanzt, so muss von vornherein auf diese Möglichkeiten der Stocksanierung mittels Bodentriebe verzichtet werden. Es stellt sich die Frage, ob die Vitalität der Reben ohne die Möglichkeit einer Stammverjüngung mit zunehmendem Alter nachlässt, Stockausfälle überproportional zunehmen und damit erhöhter Aufwand durch Nachpflanzungen entsteht. Folge kann eine verminderte Standzeit der Anlage sein oder durch zunehmende Fehlstellen bedingte Ertragseinbußen.
Heute ist vielfach nicht mehr das Unterstützungsmaterial oder die zu engen Gassenbreiten der begrenzende Faktor der Anlagenstandzeit, sondern zunehmend der Stockausfall durch holzzerstörende Pilze. Standzeiten von 40 Jahren und mehr sind durchaus zu realiÂsieren und rechnen sich aus betriebswirtschaftlicher und qualitativer Sicht, falls der Stockausfall überschaubar bleibt. Betriebe, die aus qualitativen Gründen reduzierte Erträge anstreben und mit den qualitativen Vorzügen von Wein aus alten Reben werben, streben noch höhere Umtriebszeiten an. Dass in diesen Fällen Hochstammreben nicht die bevorzugte Wahl sind, ist naheliegend.
Hochstammreben scheiden in Lagen mit regelmäßiger Winterfrostgefährdung aus. Zudem kann bei Extremtemperaturen das Edelreis auch komplett abfrieren und der Stock ebenfalls absterben, auch wenn die verlängerte Unterlage keinen Schaden erleiden sollte. Dies sollte auch beim Nachpflanzen mit Hochstammreben in gefährdeten Lagen bedacht werden.
Gerd Götz, DLR Rheinpfalz – LW 22/2013