Hohe Leistungen auch bei Weidehaltung möglich
Internationale Weidetagung in Kiel
Alle zwei Jahre treffen sich deutschsprachige Berater, Wissenschaftler und Landwirte zur internationalen Weidetagung. Die diesjährige Tagung fand im Raum Kiel in Schleswig-Holstein statt. Neben der Vorstellung neuester Projekte wurden Weidebetriebe in der Region besichtigt. Eine Auswahl des Programms stellt Angela Mögel vom LLH Griesheim vor.

Foto: Mögel
Die Frage der ökoeffizienten Weidemilcherzeugung beschäftigt den Öko-Versuchsbetrieb Lindhof der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel. Bis 2001 hielt dieser Betrieb 500 männliche Rinder zur Bullenmast. 2014 wurde ein Zweiraumstall mit Tiefstreu für Kühe gebaut und der Bullenmaststall angeschleppt mit einem Liegebereich für das weibliche Jungvieh. Die 2014 gekaufte Jersey-Jungrinderherde kalbte im folgenden Jahr.
Das in 2016 gestartete Projekt hat zum Ziel, die Milchleistung aus Weidefutter zu maximieren bei einem minimalen Konzentrateinsatz von nur 4 dt pro Kuh und Jahr. Das soll mit dem intensiven Umtriebsweide-System nach irischem Vorbild realisiert werden. Der Lindhof verfügt über 130 ha arrondierte landwirtschaftliche Nutzfläche. Die 95 Jerseykühe kalben im Block in den Monaten Februar und März. Als Weide wird das zweijährige Ackerkleegras (55 ha) genutzt, welches sich in der fünfgliedrigen Fruchtfolge befindet und mit der letzten Frucht (Hafer) als Untersaat angelegt wird. Der Abkalbeblock endet in der dritten Aprilwoche. Die frischmelkende Herde beweidet innerhalb von 1 bis 2 Tagen eins der 21 Paddocks im Dreiblattstadium der Gräser. Die Aufwuchshöhe liegt bei 10 bis 12 cm. Es erfolgt mindestens ein Silageschnitt in der Vegetationsphase auf diesen Flächen und eine 8 bis 9-malige Beweidung jeder Fläche pro Jahr. Geilstellen müssen ein- bis zweimal pro Jahr ausgemäht werden.
Energiekonzentration von 7,1 MJ NEL/kg TM im Weidefutter
An jedem Paddock befindet sich eine Tränke mit oberirdisch verlegten Wasserleitungen. Ein befestigter Triebweg, an den sich die Paddocks rechts und links anschließen, ist notwendig. 2017 erreichte das Kleegras ohne zusätzliche N-Düngung einen Ertrag von 122 dt Trockenmasse (TM) pro Hektar. Als Weiderest verblieben 34 dt Trockenmasse. Das durchschnittlich aufgenommene Weidefutter hatte eine Energiekonzentration von 7,1 MJ NEL/kg TM. In der Laktationsspitze erfolgte eine Zufütterung von 2 bis 3 kg selbstgemischtem Schrot aus Getreide und Ackerbohnen. Die Kühe werden in der Besamungsphase mit gesextem Sperma besamt. In der zweiten Hälfte des Besamungszeitraumes deckt ein Angusbulle die restlichen Kühe. Die Kreuzungstiere werden als Weidemastrinder auf dem Dauergrünland auf Kurzrasenweide gehalten. Die Trockenstehphase beginnt im Dezember. Nach einmonatiger Melkpause kalben die ersten Kühe Ende Januar.
Ackerbaulich bietet das zweijährige Kleegras mehrere Vorteile. Zum einen unterdrückt es Wurzelunkräuter, wie die Ackerkratzdistel. Die intensive Beweidung verdrängt Problemungräser wie die Gemeine Quecke. Zum anderen hinterlässt es ein Vielfaches an humusbildenden Substanzen, als es selbst zehrt. Der aufgebaute Stickstoffvorrat wird von den Folgefrüchten genutzt. Mit diesem System ermolken die Jerseys im Jahresabschluss 2016/17 5 905 kg ECM pro Kuh. Verglichen mit einer 700 kg schweren Holstein-Friesian-Kuh wären das 9 841 kg. Die Jerseys erreichten eine Grobfutterleistung von 4 026 kg. Die Gesamtfutterkosten lagen mit diesem System bei 14,3 Cent/kg ECM. Im konventionellen Betrieb mit Stallhaltung liegen diese in Schleswig-Holstein um 7 Cent/kg ECM höher. Mit dieser Fruchtfolge liegt der Einsatz an mineralischem Stickstoff pro Hektar Hauptfutterfläche bei 0 kg.
Dieses System zeigt die Möglichkeit, die Milchproduktion in die Fruchtfolge des Ackerbaus einzubinden. Zudem entfällt die gesamte Stallarbeit in der Vollweidesaison. Weitere Vorteile des Systems zeigen sich in dem geringeren Gülleanfall im Stall während der Weideperiode. Beim Stallneubau wurde außerdem auf ein Fahrsilo verzichtet, da die Kühe im Winter oder in Trockenphasen mit Silageballen gefüttert werden. Mit der Blockabkalbung beschränkt sich die Arbeit des Kälbertränkens auf die Abkalbezeit.
Hohe Einzeltierleistung und Weide auf dem Grünhof
Der konventionell wirtschaftende Weidebetrieb Grünhof liegt 10 km südlich von Kiel mit sandigen Lehmböden und kompletter Drainage aller Flächen. Die 95 HF-Milchkühe melken 10 000 bis 10 300 kg pro Kuh und Jahr bei durchschnittlich 3,64 Prozent Fett und 3,3 Prozent Eiweiß. Diese Leistung wird mit konsequenter Blockabkalbung von September bis Ende Januar und Vollweide von April bis September realisiert. Im Sommer befindet sich mit diesem System außer zu den Melkzeiten kein Tier im Stall. Die niedrige Zwischenkalbezeit von 380 Tagen ergibt sich aus dem konsequenten Fruchtbarkeitsmanagement. Nach dem 16. Juli werden keine Kühe mehr besamt. Die letzten 30 Kühe erhalten Fleischrindersperma. Alle ab Ende Dezember geborenen Kälber werden als Kreuzungskälber verkauft. „Ich kann die Uhr danach stellen, ab dem 23. Dezember beginnt der Kälberdurchfall“, so die Erfahrung von Betriebsleiter Riecken. Kühe ohne erfolgreiche Besamung zu diesem Zeitpunkt werden verkauft. Damit erfolgt eine indirekte Selektion auf Fruchtbarkeit. Für den Erfolg dieses Systems sprechen die Fruchtbarkeitskennzahlen, wie der Besamungsindex von 1,4 bei den Kühen. Der Erstbesamungserfolg liegt bei 60 bis 70 Prozent. „Während der Kalbezeit haben wir innerhalb weniger Monate 115 Kalbungen von Kühen und Färsen. Das muss man berücksichtigen. Der Arbeits- und Platzaufwand ist in dieser Zeit vergleichbar mit dem eines 200-Kuh-Betriebes.“ Dafür hat der Betrieb in den Sommermonaten eine Zeit ohne Kalbungen und Besamungen.
Die Kühe starten im April mit 200 Melktagen in die Weidesaison. Bis zum ersten Schnitt erhalten sie zusätzlich die Winterration im Stall. Bis Mitte Juni wird Maissilage zu den Melkzeiten vorgelegt. Die 65 Hektar arrondierte Grünlandfläche teilt der Betriebsleiter in Koppeln ein. Diese sind durch drei Treibwege erreichbar. Nach jeder Melkzeit erhalten die Kühe neues Weidefutter. Die Aufwuchshöhe wird mit einem digitalen Aufwuchsmesser (Rising-Plate-Meter) gemessen und liegt bei Auftrieb bei 10 cm. Die Kühe fressen den Aufwuchs auf 6 cm ab und erhalten die nächste Parzelle nach der Melkzeit. Die Größe einer Parzelle liegt bei 1,4 ha und wird auf dreimal zugeteilt. Ein Tränkebecken befindet sich an jeder Parzelle. Der Vorteil bei diesem System ist die hohe Trockenmasseaufnahme und Energiedichte. Der Nachteil ist der hohe Management- (Aufwuchsmessung) und Pflegeaufwand (Nachmahd, Zaunbau, Nachsaat).
Für die Zukunft möchte der Betriebsleiter einen neuen Stall für 130 Milchkühe bauen. Der Stall soll mit drei AMS und Vollweide inmitten der Weideflächen errichtet werden. Von der Weide und der Blockabkalbung ist der junge Betriebsleiter und Familienvater überzeugt. „Mit diesem System hat man nicht jeden Tag dieselben Tätigkeiten, wie Kälbertränken, Besamung und Milchfieberprophylaxe. Ab Juni kann man auch mal in den Urlaub fahren oder hat Zeit zum Bauen.“ In diesem Jahr hat die Trockenheit auch diesen Betrieb nicht verschont. Die Milchkühe erhielten Kraftfutter und Stroh, um die Silagevorräte bis in den Winter zu erhalten. Die Leistung ist von 10 300 kg auf 9 800 kg abgerutscht.
– LW 41/2018