Scheinheilige Diskussion

Die landwirtschaftliche Erzeugung von Rohstoffen und Energie wird zurzeit wegen gestie­ge­ner Lebensmittelpreise kontrovers diskutiert. Vor allem der Hunger in vielen Ländern rückt den NaWaRo-Boom scheinbar in ein neues Licht.
Die weltweit knappen Lagerbestände sind aber nicht durch beispielsweise Biosprit entstanden, sondern waren schon vorher absehbar und in Folge dessen wurden die Preisanstiege teilweise durch Spekulanten verursacht. Die neue Preissituation hat aber auch dazu geführt, dass zum Beispiel in der EU die Zwangsstilllegung gefallen ist und die Landwirtschaft wieder mehr produziert – weil es sich wieder lohnt.
Was passiert, wenn man versucht, die Agrarpreise künstlich niedrig zu halten, zeigt das aktuelle Beispiel Argentinien: Dort hat man die Ausfuhrzölle erhöht, damit die Landwirte ihre Waren billig im Inland verkaufen. Doch die Bauern schränkten die unrentable Produktion stark ein; leere Supermarktregale führten zu Protesten der Bevölkerung.
Noch vor kurzem wurden die von der EU-Intervention gestützten „Billiglebensmittel“ ange­prangert. Diese hätten in vielen Ländern die eigene Produktion kaputt gemacht, und jetzt könnte die Bevölkerung sich die teureren Agrarprodukte nicht mehr leisten; hier liegt das eigentliche Übel, nämlich die Armut. Hunger ist ein Verteilungspro­blem und tritt meist dort auf, wo totalitäre Regime sich vor allem um das eigene Wohl sorgen.
Wenn man nun der Nahrungsmittelproduktion einen unbedingten Vorrang vor der Energieerzeugung einräumen wollte, wäre es ja geradezu grotesk, mit Erdöl Auto zu fahren oder zu heizen; es müsste eigentlich vollends zur Herstellung von Stickstoffdüngern verwendet werden, um die landwirtschaftlichen Erträge zu steigern.
Interessantes zum Thema landwirtschaftliche Ener­gie­er­zeu­gung, die – nicht zu vergessen – dem Klimawandel entgegen wirkt, finden Sie in unserem Schwerpunkt ab Seite 18.
Karsten Becker