Konzept Seehofers für leistungsfähige Milchwirtschaft findet Zustimmung

Diskutierten, wie es mit der deutschen Milcherzeugung weiter gehen soll: Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (l.) und DBV-Präsident Gerd Sonnleitner.

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In dem Konzept werden vier Handlungsfelder aufgeführt:
1. bei den WTO-Verhandlungen soll für den Erhalt eines Außenschutz gekämpft werden. Bei der Gesundheitsüberprüfung der gemeinsamen Agrarpolitik wird sich die Regierung gegen den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Vorratsbeschluss zu weiteren Quotenaufstockungen in den Jahren 2009/10 bis 2013/14 aussprechen. Quotenaufstockungen ohne Rücksicht auf die Marktentwicklung seien nicht zu vertreten. Außerdem wird sich die Regierung in Brüssel für die Einrichtung eines Milchfonds einsetzen, der jährlich mit rund 300 Euro für Deutschland ausgestattet werden soll, um Maßnahmen beim Ausstieg aus der Quote zu flankieren.
2. Der Faktor für die Umrechung der Anlieferungsmilch von Volumen in Gewicht soll von 1,02 auf 1,03 geändert werden. Zum anderen wird eine Änderung der Vorschriften zur Saldierung von Unter- und Überlieferung von Milchquoten gefordert, um hierüber eine größere Quotendisziplin zu erreichen. Die Regierung wird umgehend einen Verordnungsentwurf zur Änderung des Umrechnungsfaktors in den Bundesrat einbringen. Zur Abschaffung der Molkereisaldierung habe Bayern bereits im Juni einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat gebracht. Darüber hinaus wird der Bund ein Konzept zur Abschaffung der Bundesaldierung erarbeiten, die frühestens für das Milchquotenjahr 2009/2010 in Betracht komme.
Die Forderungen des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) nach einer Erhebung einer Überschussabgabe auf überlieferte Milch, einer marktunwirksamen Einstellung von Quotenerhöhungen in die nationale Reserve, sowie nach Erhebung einer Umlage bei den Milcherzeugern zur Finanzierung Markt-entlastender Maßnahmen, berühren unmittelbar EG-Recht. Das Bundes­ministerium werde diesen Themenkreis mit der EU-Kommission besprechen.
3. Zur Stärkung der Markstellung der Anbieterseite verpflichten sich die Markpartner folgende Maßnahmen voranzutreiben: den Ausbau von Erzeugergemeinschaften, die Einrichtung von Verkaufskontoren für einzelne Produkte, die Bildung von Holding-Gesellschaften auch als Zwischenschritt zu Fusionen, die Verschmelzung von Molkereiunternehmen sowie die Neugestaltung und Weiterentwicklung der Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und Milcherzeugern. Die Politik solle dabei sicherstellen, dass die vom Wettbewerbs- und Kartellrecht eröffneten Möglichkeiten ausreichen, um den besondern Gegebenheiten des Milchmarktes Rechnung tragen zu können.
4. Die  Abnehmerseite soll laut Papier für die Sicherung einer leistungsstarken deutschen Ernährungsindustrie eintreten, eine starke heimische Rohstoffbasis erhalten, das Marktsegment heimischer Produkte stärken und ihre gesellschaftliche Verantwortung für die Akteure in der Wertschöpfungskette wahrnehmen.
Durch die Änderung des Liter-Kilogramm-Umrechnungsfaktors von 1,02 auf 1,03 wird eine Reduzierung von Deutschlands Milchmenge um rund 1 Prozent für möglich gehalten. Mit dem Wegfall der Molkereisaldierung soll mit eine Einschränkung der Anlieferungen an die Molkereien in ähnlicher Größenordnung erreicht werden. Noch stärker würde sich wohl die Beseitigung der Bundessaldierung als Möglichkeit zum Ausgleich von Über- und Unterlieferungen auswirken.
Seehofer begründete das Maßnahmenpaket mit dem von Deutschland auf EU-Ebene beim Health Check der Agrarpolitik geforderten Milchfonds. Die Milchquote sei in Deutschland im Wirtschaftsjahr 2007/2008 um 370 000 t überliefert worden. Mit einer Einhaltung der Quote erhöhe sich die Schlagkraft in Brüssel für den Milchfonds. „Erste Priorität“ für diesen Fonds hätten nicht-ausgeschöpfte Agrarmittel aus dem EU-Haushalt, hob Seehofer hervor.

Minister Seehofer ist es mit dem Konzept „eine leistungsfähige Milchwirtschaft in Deutschland sichern“, gelungen, eine gemeinsame Diskussionsplattform aufzustellen. Das Papier, das Seehofer der Runde vorlegte, fand dem Vernehmen nach einhellige Zustimmung.

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Sonnleitner: Molkereiwirtschaft ist jetzt gefordert
Als wichtigstes Vorhaben im Rahmen des Milchgipfels wertete der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, die Zusage der Molkereiwirtschaft, alles zu tun, Strukturverbesserungen auch tatsächlich bald umzusetzen. Nur Molkereien die in der Lage seien, auf gleicher Augenhöhe mit dem konzentrierten Lebensmitteleinzelhandel zu verhandeln, könnten dauerhaft bessere Milcherzeugerpreise absichern. Die Molkereiwirtschaft sei gefordert, umgehend zwei bis drei Leuchtturmprojekte einzubringen, die dann auch durch strukturfördernde Maßnahmen unterstützt werden könnten. Sonnleitner sprach sich mit Blick auf die von Seehofer angestrebten Maßnahmen zu Saldierung und Umrechnungsfaktor dafür aus, Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen. Es dürfe keinesfalls zu einseitigen Beschränkungen am Milchstandort Deutschland kommen.

Signal zur Verringerung der Milchmenge
BDM-Präsident Romuald Schaber bezeichnete den Gipfel als wichtigen Teilerfolg. Es sei ein Signal zur Verringerung der Milchproduktion gesetzt worden. Schaber rief zu engerer Abstimmung zwischen Erzeugern und Vermarktern in den Molkereien auf und plädierte für eine Mengensteuerung auch nach 2015.
Die von Seehofer beim Milchgipfel in Aussicht gestellten Maßnahmen zur Angebotsdrosselung, die von maßgeblichen Bundesländern unterstützt werden, dürften frühestens mit Beginn des nächsten Milchquotenjahres im April 2009 gelten. Das gilt für eine Änderung des Umrechnungsfaktors ebenso wie für die Abschaffung der Molkereisaldierung. Noch nicht ausgemacht ist, wie sich die Anpassung des Umrechnungsfaktors tatsächlich auf die deutsche Milchquote auswirkt (siehe LW Nr. 30, S. 34). Nicht ausgeschlossen ist laut Einschätzung von Branchenbeob­achtern, dass die nationale Garantiemenge entsprechend angehoben wird, wodurch sich ein Nullsummenspiel ergäbe.
Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Manfred Nüssel, erklärte, es gehe darum, die Kapazitäten den Herausforderungen anzupassen. „Wir haben noch einige Molkereien zu viel in Deutschland und wissen, dass wir nicht noch einmal zehn Jahre Zeit haben“, so Nüssel mit Blick auf eine mögliche Halbierung bei der Zahl der über 100 Produktionsstätten.

Handel freut sich auf sturkturelle Veränderungen
Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Stefan Genth, zeigte sich offen für stärkere Molkereien als Verhandlungspartner. Ãœber „strukturelle Veränderungen in den Vorstufen“ sei man froh. Genth bekannte sich zu Produkten aus der heimischen Landwirtschaft. Deutsche Hersteller produzierten auf höchstem Qualitätsniveau, zeichneten sich durch große Zuverlässigkeit aus und gewährleisteten niedrige Transportkosten. Genth erklärte, Lockvogelangebote seien weder wettbewerbs- noch kartellrechtlich zulässig und bekräftigte ein großes Interesse des Handels auch am Absatz regionaler deutscher Produkte.
Der DBV-Präsident bekräftigte seine Forderung nach einem Milchfonds. Vorrangig müssten daraus Investitionen in die Milcherzeugung sowie gesonderte Ausgleichszahlungen für Milchbauern in benachteiligten Regionen gefördert werden. Nur auf diese Weise könne die Milchviehhaltung in allen Regionen Deutschlands gehalten werden. Sonnleitner plädierte außerdem für ein Kostenentlastungsprogramm zugunsten der Landwirte, wodurch vor allem steigende Energie-, Kraftstoff- und Düngemittelkosten aufgefangen werden müssten.

Schneider und Schindler für Mengenbündelung
Friedhelm Schneider, Präsident des Hessischen Bauernverbandes und Teilnehmer am Gipfel bezeichnete das Gespräch als sehr konstruktiv. Er sieht jetzt vor allem die Molkereien in der Pflicht, ihre Strukturen zu verbessern und insbesondere gemeinsame Verkaufs­einrichtungen beziehungsweise ein Verkaufskontor für Mengenprodukte wie H-Milch, Milchpulver und Standardkäse einzurichten. Diese von ihm seit vielen Jahren erhobene Forderung sei auch in dem Papier von Seehofer enthalten. Das Unterbieten einzelner Molkereien bei den Preisgesprächen mit dem Handel müsse ein Ende haben, so Schneider weiter. Nach seinen Aussagen  sind die Molkereien beim Gipfel von Seehofer massiv kritisiert worden, sich den veränderten Anforderungen des Milchmarktes noch nicht angepasst zu haben. Erschreckend sei für ihn die Aussage eines Genossenschaftsvertreters gewesen, wonach durch die Quotenkosten und ineffiziente Molkereistrukturen letztendlich den Landwirten 8 Cent Milchgeld entgehen. Schneider unterstützte auch die Forderung von Länderagrarministern nach einer schnellen Einführung einer Bundesbörse für die Milchquotenübertragung.
Gipfelteilnehmer Norbert Schindler, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV), sprach gegenüber dem LW von einer freundlichen Gesprächsatmosphäre. Es sei gut, dass es stattgefunden habe. Zufrieden sei er auch mit der Moderation Seehofers gewesen. Er habe alle Beteiligten zusammengebracht. Schindler bestätigte die deutlichen Worte des Ministers gegenüber der Molkereiwirtschaft. Diese Worte sollten sich die Direktoren der Molkereien zu Herzen nehmen. Es sei auch zutage gekommen, dass die Molkereivorstände nicht direkt mit den Chefs der Lebensmitteleinzelhandelskonzerne kommunizierten, sondern die Preisverhandlungen Mitarbeitern überließen. Das sei verwunderlich, so der BWV-Präsident.

Hessen und Rheinland-Pfalz für Milchfonds
Auch Schindler beklagt die Schwäche der Angebotsseite in Deutschland. „Dass Mineralwasser teurer ist als Milch, bedarf einer Korrektur.“ Ebenso wie Schneider sprach sich auch der BWV-Präsident für die Einrichtung von Verkaufskontoren aus. Er sieht außerdem gute Chancen für einen Milchfonds zur Finanzierung flankierender Maßnahmen beim Wegfall der Quote, da Seehofer die geschlossene Unterstützung der Länder erhalten habe. Gegenüber einer künftigen Mengensteuerung zeigte sich Schindler skeptisch. Sie werde nach seiner Einschätzung nicht stattfinden, sondern „der Markt muss das regeln“. Zurückhaltend äußerte er sich zur anstehenden Entscheidung des Bundesrates über die Abschaffung der Molkereisaldierung. „Ich bin gespannt, wie das läuft.“
Hessens Landwirtschaftsminister Wilhelm Dietzel begrüßte das Ergebnis insgesamt. Er sieht darin einen wichtigen Schritt hin zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Milchviehbetriebe. Er hoffe darauf, dass die Molkereien sich stärker zusammenschließen, damit sie mehr Marktmacht gegenüber dem Einzelhandel bekommen. „Ich begrüße auch, dass der Einzelhandel zugesagt hat, seine Verantwortung als Bindeglied zwischen Verbrauchern und Milchwirtschaft wahrzunehmen. Auch die Forderung an die EU, einen Milchfonds von bis zu 300 Mio. Euro pro Jahr zu schaffen, da die Milchquote im Jahr 2015 auslaufen soll, findet meine ungeteilte Zustimmung.“ Bereits im März hätten Hessen, Bayern und Baden-Württemberg eine entsprechende Forderung gestellt.
„Die beschlossenen Maßnahmen gehen in die richtige Richtung. Wichtig ist jetzt, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen, um unsere Milchviehbetriebe wettbewerbsfähig zu machen.“ Mit diesen Worten kommentierte der rheinland-pfälzische Landwirtschaftsminister Hendrik Hering das beschlossene Aktionspaket. Erfreulich sei besondere, dass Handel, Molkereien, Verbände und Politik ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung betont hätten. Rheinland-Pfalz schließe sich der Forderung nach einem EU-Milchfonds, der mit freigesetzten EU-Mitteln finanziert werden solle, an. CM/age