Agrarmärkte zwischen Wild-West und Ratlosigkeit

Vortrag von Sabine Linker bei der EZG-NAWARO-Tagung in Eudorf

Zur Mitgliederversammlung der „Hessischen Erzeugergemeinschaft für nachwachsende Rohstoffe“ (NAWARO) muss noch einmal geladen werden. Aufgrund winterbedingter Verkehrsstaus auf den Straßen war es vielen Mitgliedern nicht möglich, rechtzeitig zur Veranstaltung nach Alsfeld zu kommen. Der Fachvortrag, bei dem Sabine Linker vom Fachbereich Marktinformation des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen über die Entwicklung der Getreide- und Ölsaatenmärkte sprach, konnte gehalten werden.

Sabine Linker vom Fachbereich Marktin­formation des LLH.

Foto: Ingfried Stahl

Hans-Hilmar von der Malsburg (Gut Niederelsungen/Wolf­hagen), Mitglied des Vorstands von NAWARO, sah sich daher ge­­halten, für den Großteil des Vorstands und der Geschäftsführung um Entschuldigung zu bitten, da mit deren Erscheinen nicht kurzfristig zu rechnen sei: „Sie stecken fest.“

Daher seien die Formalien der Tagesordnung wie Rechenschafts­berichte nicht abzuwickeln, sagte von der Malsburg vor knapp 50 Teilnehmern. Im Anschreiben an die Mitglieder sei unter anderem mitgeteilt worden, dass in diesem Jahr für den Raps eigentlich ein sehr guter Preis ausgezahlt werden könne. Von der Malsburg un­­terzog im Folgenden den zu erwartenden Preis einer Kalkula­tion vor dem Hintergrund der real durchgeführten Rapslieferungen der EZG.

Wie in der Tagesordnung ange­kündigt, referierte Dipl.-Ing. agr. Sabine Linker vom Fachbereich Marktinforma­tion des Lan­des­betriebs Landwirtschaft Hessen (LLH) über das derzeit die Land­wirtschaft sehr betreffende Thema: „Agrarboom mit Neben­wirkungen – Preisaussichten in volatilen Märkten“. Nicht „Kater­stimmung“ habe seit Oktober die Märkte bestimmt, vielmehr habe die Finanzkrise „Hysterie und Panik“ in den Handel gebracht. So seien auch „wirre Verkaufshandlungen desillusionierte Investoren“ und Kursrückgänge an den Warenterminmärkten nicht ohne Auswirkungen auf den Gütermarkt geblieben: „Das Ende des Agrarbooms kam abrupt und ließ die Preise abstürzen“.

Zunächst habe der Handel lediglich „gelahmt“, danach jedoch seien die Märkte EU-weit ins Stocken geraten: „Die Preise rutschten daraufhin weiter und weiter ab“. Und noch immer herrsch­ten an den Finanzmärkten „Wild-West-Verhältnisse“, und der reale Gütermarkt verharre weitgehend in Ratlosigkeit. Die Entwicklung der letzten Mo­nate hätten jedoch eines einmal mehr gezeigt: „Nur der, der die Spielregeln des Marktes auch beherrscht, wird in der Zukunft Erfolg haben“. Märkte entwi­ckelten sich zyklisch, sagte Linker. Dies sei die „Spielregel Nr. 1“, die es zu beachten gelte. In den letzten Jahre habe man beobachten können, dass der Agrarboom den Landwirten weitgehend gute Renditen vom Acker gebracht habe mit der Folge von Produktionsausweitung und -intensivierung.

Vorstandsmitglied Hans-Hilmar von der Malsburg.

Foto: Ingfried Stahl

Die Referentin bezog sich dann auf die weltweiten Rekord­ernten und die Auswirkungen der Finanzkrise mit immer weiter fallenden Kursen und polarisierte ihre Ausführungen mit der Gegenüberstellung von Agrarboom und Agrarflaute: „In der Landwirtschaft liegt die Beständigkeit im Wandel“. Vor noch nicht allzu langer Zeit habe der Landwirt „fest an bessere Zeiten glauben“ müssen, „um nicht voller Frust die Arbeit hinzuschmeißen“. Mit den Rekordpreisen sei es zwischenzeitlich vorbei und auch mit dem Agrarboom. Jetzt machten hohe Produktionskosten, weltweite Inflation und aufkommende Rezessionsängste den Erzeugern „einen Strich durch die Rechnung“. Bei weiter aufwändigen Preisen für Ackerbauerzeugnisse sei die Stimmung in der Landwirtschaft inzwischen jedoch „recht vergrätzt“, dies auch deshalb, weil die Finanzkrise auch für die Agrarproduzenten „bittere Zeiten eingeläutet“ habe: „Die Agrarrohstoffe sind inzwischen voll in den Strudel der Finanzkrise geraten“.

Im Weiteren fokussierte Sabine Linker ihre Erläuterungen auf Themenkomplexe wie: „Welthandel – made by global world“, „Agrarmarkt – Verschiebung der Koordinaten“ und auch „Agrarboom mit seinen Nebenwirkungen“. Äußerst ungünstig schlügen bei letzteren derzeit die enorm gestiegenen Kosten für Transport wie Seefracht, Düngemittel – eine „Rekord-Rallye“ mit 248 Prozent Preissteigerung pro Kilogramm Nährstoff in der letzten Dekade - , und für Energie zu Buche. Linker blieb aber auch nicht die Antworten auf die teils gravier­en­den Trends schuldig. So seien für die Preis-Rallye der Düngemit­tel folgende Hausse-Faktoren an­­zuführen: Verknappung der Grund-Nahrungsmittel, steigen­de Rohstoffkosten und Erdgaspreise, stark steigende Düngemittel-Nachfrage, Kontin­­gentierung der Angebotsmengen für die weltweiten Absatzregionen, monatliche Zuteilungen an den Handel, die Preis-Rallye beim Rohöl und die hohen Seefrachtraten. Beim Fach­referat mit Fokus­sier­ung auch auf die komplexen Preisentwicklungen für Marktfrüchte und die Kosten für die Produktionsmittel Dünger und Energie erörterte die Vortragende die zu erwartenden Trends, Chancen und Risiken an den Agrarrohstoffmärkten. Weltweit reagiere die Landwirtschaft auf die Konjunkturkrise und es seien daher global die Anbaueinschränkungen zur nächsten Ernte erkennbar. Die Anbauintensität werde zurückgefahren – in den USA stärker als in der EU, weil in Europa und vor allen Din­gen in Deutschland der größte Teil der Produktion aus Eigenkapital finanziert werde. Das investierte Geld sei hier nämlich bereits erwirtschaftet. In anderen Ländern müsse dagegen mit Kre­diten vorfinanziert werden, dies bei derzeit weltweit verschlechterten Kreditkonditionen: „Geld ist sehr viel teurer geworden“. Alleine die globale Weizenanbau­fläche werde inzwischen durch den internationalen Getreiderat gut 1,6 Prozent kleiner geschätzt als im Jahr 2008/2009.

Besserung ab März erwartet

Bereits im kommenden Jahr, so das für die Agrarerzeuger Hoff­nung machende Fazit Sabine Linkers, könne es daher auf der Angebotsseite wieder knapp werden. Wenn nichts Unvorhergesehenes eintrete, könnten ihrer Meinung nach, ausgehend von der aktuellen Situation, die Preise für Agrarrohstoffe vom Acker bereits ab März wieder nach oben treten. Dann lägen die etwas stärker belastbaren Prognosen vor: „Und dann könnte auch eine erste Trendwende sich stärker am Markt bemerkbar machen“. Nach ihrer Einschätzung würden derzeit mit Blick auf die Reaktion, die die Produzenten weltweit zeigten, die „Koordinaten am Agrarmarkt neu gesetzt“.

Die Fachreferentin gilt als re­pu­tierliche Expertin insbesondere für den Bereich Agrarmärkte. Seit Jahren unterstützt sie Hessens Landwirte durch Erstellung aktueller Markinformationen im LW und verfügt, wie auch der Vor­­trag in Eudorf unter Beweis stellte, über fundierte Kennt­nisse zur Einschätzung der globa­len Marktvolatilitäten und de­­ren Auswirkungen auf die hessische Landwirtschaft. Stahl