Trotz drohender Wirtschaftskrise überwiegt Optimismus

Landwirtschaft muss wachsende Märkte bedienen

Die Landwirtschaftliche Woche in Baunatal ist bundesweit die erste große agrarpolitische Veranstaltung im Jahr. Zwei Monate nach dem Gesundheitscheck gab es Kritik an der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik aber auch positive Prognosen über die Zukunftschancen der Landwirtschaft. Wie die Länder Hessen und Niedersachsen ihre Landwirtschaft fit machen, zeigten die beiden Ressortchefs, Wilhelm Dietzel und Hans-Heinrich Ehlen auf. Hessens Landwirtschaftsminister Dietzel legte zudem wenige Tage vor der Landtagswahl eine Bilanz seiner Agrarpolitik dar.

Vorsitzender Heinrich Heidel.

Heinrich Heidel, Vorsitzender der ausrichtenden Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaftliche Woche Nordhessen ordnete die Veranstaltung, die am Dienstag eröffnet wurde und über drei Tage Fachreferate und Versammlungen verschiedener Organisationen bietet, gleich hinter der Grünen Woche in Berlin ein. Sie sei die bedeutendste regionale Landwirtschaftliche Woche. Erwartet würden insgesamt rund 2 500 Besucher. Heidel ging auf den im November verabschiedeten Gesundheitscheck der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik ein. Man habe ihn zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn er nicht zufriedenstellend sei. Diese Einschätzung teilten auch die anderen Redner der Veranstaltung.

Agrarhaushalt darf nicht zum Steinbruch werden

Besonders kritisierte Heidel die Erhöhung der Milchquote, die die Marktgegebenheiten missachte und die Erhöhung der Modulation. Heidel sagte allerdings auch, dass, gemessen an den Vorschlägen der EU-Kommission vom Mai vergangenen Jahres, das Endergebnis das maximal Erreichbare gewesen sei angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Europa. Heidel beklagte außerdem, dass der Agrarhaushalt zum Steinbruch für andere Aufgaben genutzt werde. Beispiele dafür seien das Navigationssystem Galileo, die EU-Nahrungsmittelhilfen und das EU-Konjunkturprogramm. Dies führe letztlich dazu, dass den Bauern Direktbeihilfen entzogen würden. Er forderte die Politiker dazu auf, den Nutzen und Vorteil der eingesetzten Gelder in der Landwirtschaft gegenüber der Öffentlichkeit stärker zu verteidigen, da sie mit den europäischen Standards bei Tier-, Natur- und Umweltschutz, mit derLebensmittelsicherheit und den Sozialstandards verbunden seien. In diesem Zusammenhang kritisierte er die Veröffentlichung der Agrarzahlungen im Internet. Vor allem missfalle ihm, dass dies ohne jegliche Kommentierung geschehe. „Der hessischen Landesregierung hätte es gut angestanden, mit der Veröffentlichung so lange zu warten, bis die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes zur Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung vorliegt“, so Heidel. In Bezug auf die Konjunkturprogramme forderte der Vorsitzende eine vernünftige, das heißt geringere Agrardieselbesteuerung. Diese wäre seiner Ansicht nach ein kleines aber durchaus wirksames Konjunkturpaket für die Landwirtschaft. Außerdem würde ein Wettbewerbsnachteil abgebaut. Doch hier komme die Politik der Landwirtschaft nicht entgegen.

Forderungen des Berufsstandes in die Politik einbringen

HBV-Präsident Friedhelm Schneider.

Der Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), Friedhelm Schneider, wies in seinem Grußwort auf die in diesem Jahr anstehenden Wahlen in Europa, im Bund und im Land hin. Laut Schneider werde es wahrscheinlich einen neuen EU-Landwirtschaftskommissar geben. Er hoffe auf einen zurückgehenden dänischen Einfluss, vor allem in der Milchpolitik. Darüber hinaus werde die Hälfte der Europaabgeordneten neu im Parlament einziehen. Bezüglich der Landtagswahl sagte Schneider unumwunden, dass man den jetzigen „unseren Bauernminister“ Dietzel ganz gerne behalten möchte. Man habe als Berufsstand in den vergangenen zehn Jahren die Politik mitgestalten können und gemeinsam viel erreicht.

Im Jahr der Wahlen müsse man die Forderungen des Berufsstandes massiv in die Politik bringen. Für die hessische Landtagswahl habe der HBV einen Forderungskatalog erstellt und den Parteien zukommen lassen.

„Unser Schwerpunkt kann in Hessen, im Bund und in Europa nur auf einer unternehmerischen und produzierenden Landwirtschaft liegen“, so Schneider zu seinen politischen Vorstellungen. „Wir Bauern wollen unser Geld trotz aller Preisschwankungen auf den Märkten verdienen.“ Auch Schneider kritisierte die Veröffentlichung der Zahlungen im Internet und sieht die Politik in der Pflicht, die Zahlungen vor der Öffentlichkeit mehr zu verteidigen. Er kritisierte zudem, dass ein immer höherer Anteil der Mittel für die Förderung des ländlichen Raums verwendet werden und plädierte daher dafür, dass die Aufgaben der Landwirtschaft und die des ländlichen Raumes künftig voneinander getrennt werden, auch finanziell. Die bisherige Vermengung der Agrarzahlungen in Säule eins und Säule zwei und die Verschiebung von Mitteln von der einen in die andere Säule schwäche beide, die Landwirtschaft und den ländlichen Raum, so der HBV-Präsident.

Dietzel zieht positive Bilanz seiner Agrarpolitik

Minister Wilhelm Dietzel.

Hessens Landwirtschaftsminister Wilhelm Dietzel will trotz der drohenden Wirtschaftskrise nicht ganz so pessimistisch sein, schließlich sei die deutsche Wirtschaft relativ stabil und gut aufgestellt. Auch habe das Land ein hohes Wohlstandsniveau. Er glaubt zudem, dass die Konjunkturprogramme von Bund und Ländern richtig seien. Der Minister sieht die hessische Landwirtschaft gut für die künftigen Anforderungen gerüstet. Als Indiz dafür führte er die Investitionstätigkeit der Betriebe an. So hätten in den Jahren von 2000 bis 2007 1 200 Betriebe eine Investitionsförderung in Anspruch genommen. Allein für das Jahr 2008 seien 180 Investitionsanträge bewilligt worden, mit einem Investitionsvolumen von 80 Mio. Euro. Drei Viertel der Investitionen gingen in Milchviehställe und das, obwohl die Erzeugerpreise wieder stark zurückgegangen seien. Dietzel schließt daraus, dass es viele Optimisten in der Landwirtschaft gibt. Als Erfolg wertete der Minister auch die Förderung der Biogasanlagen und die begleitenden Schulungsmaßnahmen, die dazu führten, dass die Anlagen mit einem Wirkungsgrad von 95 Prozent arbeiteten.

Hessen hat beim Betriebsgewinn im Ländervergleich aufgeholt

Dieser Politik rechnet er an, dass die hessische Landwirtschaft im Ländervergleich aufgeholt hat. Von einem vorletzten Platz sei man im Wirtschaftsjahr 2006/2007 in puncto Betriebsgewinn auf Platz neun aufgestiegen. Für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 liege Hessen beim Einkommen pro Familienarbeitskraft laut Situationsbericht des Deutschen Bauernverbandes hinter Schleswig-Holstein und Niedersachsen sogar auf Platz drei bei den alten Bundesländern. Dass die Landwirte an eine gute Zukunft glaubten, zeigt sich nach Dietzel an den Ausbildungszahlen. Während es in den vergangenen Jahren immer um die 300 Auszubildende in der Landwirtschaft in Hessen gegeben habe, seien es jetzt 440. Den Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik, mit dessen Ergebnis auch er nicht einverstanden ist, hat laut Dietzel zumindest Klarheit verschafft, wie es bis 2013 läuft. Gut sei, dass die Modulationsmittel in der Landwirtschaft verwendet werden können. Den Milchfonds sieht der Minister nicht als Allheilmittel. Dafür sei das Volumen zu gering. Dass die Landwirtschaft eine Zukunftsbranche ist, leitet Dietzel vor allem von der Tatsache ab, dass die Zahl der Menschen jährlich weltweit um 80 Mio. und damit der Verbrauch von Nahrungsmitteln weiter anwächst. Dafür müsse jeder Quadratmeter Boden genutzt werden.

„Fit für den Markt“ ist das Glaubensbekenntnis der Niedersachsen

Minister Hans-Heinrich Ehlen.

Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen stellte das Motto „Fit für den Markt“ als Glaubensbekenntnis der niedersächsischen Agrarpolitik dar, das von Berufsstand, Beratungswesen und Landespolitik als Ziel verfolgt werde. Zentrale Bausteine sind dafür laut Ehlen die Agrarinvestitionsförderung, die Flurbereinigung und die Förderung von Verarbeitung und Vermarktung. Man stelle sich bewusst nicht gegen den Strukturwandel, er gehöre einfach dazu und sei die Basis künftiger Wettbewerbsfähigkeit. Allerdings werde der Strukturwandel begleitet, um ihn in seinen sozialpolitischen und landeskulturellen Dimensionen abzumildern. Eine Ausgleichszulage gibt es in Niedersachsen nicht mehr. „Wir wollen keine Förderung nach dem Gießkannenprinzip“, sagte Ehlen. „Wir fördern die Familien, die etwas unternehmen wollen. Seitdem haben wir die Bayern überholt.“

Die Marktorientierung hat seinen Grund: Niedersachsen hat bei Milch einen Selbstversorgungsgrad von rund 200 Prozent, bei Schweinefleisch etwa 250 Prozent, bei Eiern, Geflügel und Zucker rund 300 Prozent und bei Kartoffeln sogar 500 Prozent. Die Produkte müssen also außer Landes, in Deutschland, der EU und Drittstaaten vermarktet werden. Die Agrarwirtschaft ist die zweitgrößte Wirtschaftsbranche in Niedersachsen. 2007 lag Niedersachsen mit Verkaufserlösen von 7,7 Mrd. Euro noch vor Bayern auf Platz eins in Deutschland. Zum Vergleich: Hessen erzielte Verkaufserlöse von 1,4 Mrd. Euro. Den wichtigsten Beitrag liefert die Tierhaltung, die fast zwei Drittel der Erlöse ausmacht. Der Erfolg habe neben der Politik allerdings auch historische Gründe, stellte Ehlen dar, etwa durch die Höfeordnung, die zu größeren Strukturen geführt habe. Der Minister machte aber auch deutlich, dass es im Weser-Ems-Gebiet, dem Veredlungsstandort auch flächenmäßig kleinere Betriebe gebe. Sie seien gezwungen gewesen, durch Veredlung und intensive Produktion entsprechende Erlöse zu erzielen. Auch das Umfeld stimme in Niedersachsen. So gebe es eine Reihe von Firmen im Agrobusiness wie Stalleinrichter, Futtermittelwerke, Agrardienstleister, Futtermittelfirmen und Fleischverarbeiter. Die Veredlungsbranche kenne das Auf und Ab der Preise und behaupte sich sehr erfolgreich im internationalen Wettbewerb. Auf den Veredelungsbetrieben gehöre das Risikomanagement zum Know-how der Betriebsleiter. Die wüssten, dass die Liquidität und der Kapitaldienst auch Niedrigpreisphasen überstehen müssen, so Ehlen.

Der globale Markt klopft an jede Hoftür

Der Gesundheitscheck verdient nach Ansicht von Ehlen seinen Namen nicht. Vielmehr sei es eine Operation am offenen Herzen gewesen, also ein großer Eingriff. Ehlen machte klar, dass es trotz einer gemeinsamen Linie in der deutschen Agrarpolitik schon feine Unterschiede zwischen den Ländern aufgrund der Strukturen gebe, etwa in puncto Ausweitung der Quote. „Unsere Milchbauern haben die Herausforderung des Marktes angenommen, so Ehlen.

Die gesamte deutsche Landwirtschaft sei im globalen Markt angekommen. Der Weltmarkt klopft an jede Hoftür, sagte Ehlen. „Es ist nicht mehr egal, ob in China der sprichwörtliche Sack Reis umfällt. Zum Beispiel wenn er Spuren von Melamin enthält.“ Das habe dann nämlich Auswirkungen auf den Absatz von deutschen Produkten.

Ehlen sprach von einer Renaissance der Landwirtschaft, die er nach Jahren der Depression mit Genugtuung sehe. Er sieht die Landwirtschaft als vielfältige Problemlöserin. So sichere sie die Ernährung der Menschen, liefere einen Beitrag zur Energieversorgung, unterstütze Maßnahmen gegen den Klimawandel und stelle einen wirtschaftlichen Rückhalt der ländlichen Räume dar. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise schätzt er ähnlich wie Dietzel ein. In der Landwirtschaft könne man vielleicht etwas länger der Krise widerstehen als die anderen Branchen. Nahrungsmittel würden immer gebraucht, den Kauf eines Autos könne man dagegen aufschieben. Auch sieht Ehlen derzeit keine Kreditklemme für die Landwirtschaft. Er sieht die Zukunft der Landwirtschaft recht positiv, zumal Deutschland ein leistungsfähiges Agrobusiness habe und die Produkte aus Deutschland weltweit ein hohes Ansehen besäßen. Fotos/Text: CM