Reform des EU-Weinbezeichnungsrechtes

Fragen an Dr. Rudolf Nickenig, Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes

Zu den Veränderungen, die durch die Reform des EU-Weinrechts auf die Weinwirtschaft zukommen, befragt das LW den Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes, Dr. Rudolf Nickenig.

LW: Warum wird das EU-Weinbezeichnungsrecht geändert?
Dr. Rudolf Nickenig:
Es ist eine Anpassung an Vorschriften der WTO notwendig geworden. Zudem sollte eine Anpassung an allgemeine Kennzeichnungsvorschriften für Lebensmittelrecht erfolgen. Geplant war eine Vereinfachung. Deutschland und Österreich haben übrigens abgelehnt, aber die großen Erzeuger- und Verbraucherländer hatten die Mehrheit.

LW: Welche Veränderungen kommen auf die deutsche Weinwirtschaft zu?
Nickenig:
Bisher wurde zwischen Tafelwein und Qualitätswein unterschieden. Das neue EU-Recht unterscheidet nun Weine mit und ohne geschützte Her­kunftsangabe. Die Bezeichnung Tafelwein gibt es künftig nicht mehr. Die neuen Kategorien sind Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung (Qualitätsweine b. A.), Wein mit geschützter geografischer Angabe (Landweine) und Wein „ohne geschützte Herkunftsangabe“ (Tafel- und Verarbeitungsweine).

LW: Wie kommt es zu Weinen mit ge­schütz­ter Ursprungsbezeichnung (g.U.) und Wei­nen mit geschütz­ter geografischer Angabe (g.g.A.)?
Nickenig:
Die Anerkennung erfolgt in Anlehnung an die EU-Verordnung 510/2006 zum Schutz in geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Das heißt es gibt ein bürokratisches Verwaltungsverfahren: erst ein nationales Vorverfahren, dann eine Prüfung durch die EU-Kommission. Am Ende steht die Aufnahme des Namens in ein EU-Register. Bis August 2009 ist das nationale Vorverfahren im deutschen Weingesetz zu regeln.

LW: Was sind Weine ohne geschützte Herkunftsangabe?
Nickenig:
Das ist eine neue Kategorie, die Tafel- und Verarbeitungsweine ersetzt. Neu ist, dass die Angabe von Jahrgang und Rebsorte möglich ist. Es müssen Kontroll- und Zertifizierungsverfahren eingerichtet werden. Sinnvoll ist ein Einbeziehen der Anbauregelungen und Hektarhöchstertragsvorgaben.

LW: Gibt es Möglichkeiten zur Erhaltung des deutschen Qualitäts- und Bezeichnungssystems?
Nickenig:
Ja, das ist die deutsche Kernforderung. Traditionelle Begriffe sollen anerkannt werden. Als Ersatz für die Angabe geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) soll Qualitätswein oder die Prädikatsweine möglich sein. Die Mitgliedstaaten können obligatorischen Ersatz der Bezeichnungen ggA und gU durch die traditionellen Bezeichnungen vorschreiben.

LW: Ab wann gilt das neue EU-Recht?
Nickenig:
Mitte Februar findet die Abstimmung über die EU-Durchführungsverordnung in Brüssel statt. Mitte April ist dann mit der Veröffentlichung der ersten deutschen Fassung zu rechnen. In Kraft treten soll das neue Recht am 1. August 2009.

LW: Ab Mai beginnt der Wahlkampf für die Bundestagswahlen. Wie soll die natio­nale Umsetzung in so kurzer Zeit geschehen?
Nickenig:
Der Deutsche Weinbauverband schlägt vor, das deutsche Qualitäts- und Bezeichnungssystem zu behalten und es bis zum Ende der Legislaturperiode, Juli 2009, in das EU-Recht zu überführen. Danach muss bis 2010 das neue Bezeichnungsrecht ausgestaltet werden.

LW: Wie soll das neue EU-Recht in Deutschland genutzt werden? In Österreich stehen das germanische und das romanische Bezeichnungssystem nebeneinander. Kann das eine Lösung für uns sein?
Nickenig:
Wir sollten keine überhasteten Beschlüsse fassen. In diesem Zusammenhang sind noch sehr viele Fragen zu diskutieren, innerhalb der Weinwirtschaft und auch mit der Politik. Vor den Entscheidungen sind Marktforschungen zu betreiben.