Süßkirschenanbau ist wieder interessant

Neues zur Sortenentwicklung bei Süßkirschen

Einer leichten statistischen Abnahme der Kirschenflächen in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren auf nunmehr 5 260 ha, steht eine rasante Nachfrage­steigerung nach Pflanzgut gegenüber. Dieser Widerspruch löst sich auf, wenn man weiß, dass sich die Pflanzdichten in diesem Zeitraum nahezu verdreifacht haben. Süßkirschen lassen sich hochpreisig verkaufen.

Süßkirschen, vor allem große Kaliber, lassen sich hochpreisig verkaufen und können preislich auch die türkische Ware in den Schatten stellen, wie Grafik 1 der ZMP vom November 2007 zeigt. Seit Anfang der neunziger Jahre domi­nie­ren in Neupflanzungen die Sorten „Kordia“ und „Regina“, der Anteil letzterer liegt bei über 50 Prozent. Wie die folgenden Anforderungen an eine mo­der­ne Süßkirschensorte zeigen, kommt „Regina“ dem Ideal schon sehr nahe:

  • Die ungarische Neuheit „Carmen“ wird mit Fruchtgrößen über 28 mm für den versuchsweisen Anbau in der vierten Kirschenwoche empfohlen.

    Foto: Balmer

    Reifezeit nach Markterfordernis
  • Minimale Fäulnis, wenig Platzen
  • Mittlere bis hohe, gleichmäßige Erträge
  • Festigkeit (> 65 Durofel-Wert)
  • Fruchtgröße (28 mm +)
  • Dunkelrote Fruchtfarbe, Schalenglanz, frische Stielfarbe
  • Eignung für die Kleinverpackung
  • Eignung für die mechanische Größen­sortierung
  • Shelf-life (stabiler Stiel, wenig Orangenhaut)

Eine leichte Einschränkung ist der lange Stiel, der günstig für das Pflücken ist, jedoch weniger für zu deckelnde Kleinverpackungen. Auf dem Markt muss Deutschland während der gesamten Kirschenkampagne mit Importen konkurrieren, sodass inzwischen von „früh bis spät“ Kirschen gepflanzt werden können, wenn sie denn marktgängig sind, ertragsstabil und arbeitswirtschaftlich zu bewältigen. Traditionell wird die Reifezeit von Kirschen in Deutschland in „Kirschenwochen“ eingeteilt. Die früheste Sorte von gewisser Marktbedeutung ist „Burlat“ (2. Kirschenwoche). Wenn man das vorhandene Sortiment betrachtet, so besteht vor allem in folgenden Punkten Verbesserungsbedarf: Entwicklung eines qualitativ hochwertigen und produktionstechnisch handhabbaren Frühsortenangebo­tes (Sorten vor „Burlat“, Verbesserungen von „Burlat“, „Charmes“ und „Merchant“, Folgesorten bis zur vierten Reifewoche) 6. Kirschenwoche: Produktivere Sorte als „Kordia“ bei gleicher Fruchtqualität 6. bis 8. Kirschenwoche: Nur geringer Ergänzungsbedarf bei der Haupt­sorte „Regina“ (Stielbeschaffenheit, Produktivität, spätere Reifezeit) In Rheinland-Pfalz, einem Bundesland mit vorwiegend Weinbauklima, zwischen 500 und 700 mm Jahresnieder­schlag und einem Anbauumfang von 500 ha Tafelkirschen, werden vom Kom­petenzzentrum Gartenbau laufend neue Süßkirschensorten in Oppenheim sowie an den Standorten Ahrweiler/Klein-Altendorf geprüft.

Neues aus der Sortenprüfung

Aus einem inzwischen abgeschlossenen Test in Ahrweiler, in dem 180 Sorten, Nummern und Selektionen standen, stammen die Ergebnis­se in Tabelle 1, alle Werte ohne Regen­schutz­überdachung. Der Boden ist hier ein flachgründiger, leicht lehmiger Sand mit Kies im Unterboden (nur 40 bis 50 Bodenpunkte), Unterlage ist Gise­la 5. Die Tabellen zeigen Auszüge aus dem umfangreichen Datenmaterial. Bei den Frühsorten befriedigt die derzeitige Hauptsorte „Burlat“ weder in der Fruchtqualität (zu weich) noch in der Stabilität (relativ platz- und fäulnis­anfällig). Weitere Frühsorten reifen gleichzeitig, aber nicht nennenswert früher. „Earlise“ ist etwas größer, aber weicher und etwas fader im Geschmack. „Sweet Early“ von der Uni Bolog­­­na ist etwas fester, geschmacklich gut und der Baum ist unproblematisch. Allerdings scheint sie platzanfälliger zu sein und muss bezüglich der Produktivi­tät noch weiter geprüft werden, da sie später als die anderen Sorten gepflanzt wurde.

Im Reifefenster zwischen den Haupt­sorten „Burlat“ und „Starking Hardy Giant“ lässt sich folgendes Zwischenfazit ziehen: Merchant: Interessant für die Reife­zeit kurz nach „Burlat“, ebenfalls ziemlich weich und geringe Platzanfälligkeit. Noch keine Sorte für den Handel. Bellise: Mittelfest, mittlere bis hohe Produktivität, platzt wenig, inter­essante Reifezeit, unproblematischer Baum. Tieton: Benötigt etwas mehr Zeit um in den Ertrag zu kommen, Geschmack nur mittel, kann sehr stark platzen. Giorgia: Vergleichsweise frostharte Blüte, gleichmäßige, hohe Erträge, feste, nur mittelgroße Frucht. Der Geschmack ist aromatisch und etwas säuer­lich. Die Platzanfälligkeit ist gering bis mittel. Auf Fruchtholzschnitt achten. Samba: Trotz der frühen Blüte eine sichere Ertragssorte, die Frucht ist auch nur mittelgroß, ebenfalls fest und optisch ansprechender als „Giorgia“, da sie ein dunkleres Rot hat und mehr Schalenglanz. Der Baum wächst basitonisch und schlecht verzweigend. Grace Star: Diese Sorte reift kurz vor „Starking Hardy Giant“ und muss auch mit „Giorgia“ und „Samba“ kon­kur­rieren. Die Frucht ist mittel bis groß, geschmacklich gut, in der Festigkeit keine Verbesserung zu „SHG“. Schnitt und Kronenerziehung sind un­pro­blematisch durchführbar. Sie ist selbstfertil und hat eine Neigung zu Ãœberbehang. Bei den Spätsorten kann eine Festigkeit von 70 oder mehr erwar­tet werden (Tabelle 3). Bei der Fruchtgröße hat sich das Ertragsjahr 2004 mit Ãœberbehän­gen bei nahezu allen Sorten besonders negativ auf den mehrjährigen Durchschnittswert ausgewirkt („Regina“). Hertford: Schöne, wohlschmecken­de Frucht und geringe Platzanfälligkeit. Einfacher Baum. Am Standort Ahrweiler schwankt die Sorte im Ertrag zu stark. Skeena: Als selbstfertile Sorte be­son­ders starke Neigung zu Ãœberbehang (siehe Fruchtgröße). Im Freilandanbau zu platzanfällig. Büschelartiger Frucht­be­hang, kurze Fruchtstiele, etwas sparri­ges Baumwachstum. Im geschützten Anbau eher zu empfehlen. Karina: Produkive Spätsorte zwischen „Kordia“ und „Regina“. Wird in Norddeutschland viel als Befruchtersorte für „Regina“ gepflanzt. Die Frucht ist mittelgroß, platzt wenig, sonst nicht besonders auffällig. Colney: Englische Spätsorte, die zwar wenig platzt, aber zu weich und geschmacklich fade ist. Duroni 3: Wurde als Befruchtersorte von „Regina“ empfohlen, inzwischen nicht mehr, da Proble­me mit der Baum­ge­sundheit bestehen, verursacht durch Pseudomonas syringae (engl.: „bacterial cancer“). Die Frucht ist zu weich. Sweetheart: Selbstfruchtbare Sorte mit Neigung zu

Die alte Sorte „Schneiders späte Knorpel“ (4. bis 5. Kirschenwoche) hat in Rheinhessen das Synonym „Haumüller“ und erfüllt weiter moderne Qualitätsstandards.

Foto: Balmer

Überbehang und gele­gent­lich auch Alternanz. Kombiniert mit der erhöhten Platz- und Fäulnisanfälligkeit, Empfehlung für den geschütz­ten Anbau. Die Frucht ist sehr fest und süß, die Fruchtfarbe ist etwas hell, aber durch die leichte Marmorierung ansprechend. Der Baum wächst breit, daher ist durch Schnittmaß­nahmen eine kompakte Ver­zweigung zu fördern.

Weitere Sortenneuheiten

Carmen (Sárga Drágán x H 203, Versuchsstation Erd, Ungarn), S-Allele: S4S5; Blüte mittelspät; Reife einige Tage nach „Starking Hardy Giant“; Produkti­vität mittel bis hoch; Frucht sehr groß (28 bis 34 mm), flachrund, etwas eckig, dunkelrot, einzeln hängend, aromatisch mit ausgewogenem Zucker-Säure-Verhältnis, geringe bis mittlere Platzanfälligkeit. Baum: mittel­stark, gut verzweigend, etwas aufrecht. Pflanzenschutz nicht auffällig; Empfehlung: Aufgrund einer Verwechslung noch keine mehrjäh­rigen Versuchserfah­rungen in Deutschland. Die ersten Er­trä­ge der „echten“ „Carmen“ sind vielversprechend, was die Fruchtqualität betrifft. Versuchsweiser Anbau in der Praxis. Korvic (Kordia x Vic, Versuchssta­tion Holovousy, Tschechien); S-Allele: S2S6; Blüte: mittelspät; Reife: kurz vor „Kordia“ („Burlat“ plus 20 Tage); Pro­duk­tivität mittel bis hoch, höher als „Kordia“; Frucht sehr groß und herzförmig, stark den Früchten von „Kordia“ ähnelnd, geringfügig weicher. Geschmacklich gut, geringe bis mittlere Platzanfälligkeit. Baum: Mittelstark, gut verzweigend mit flachem Seitenholz; Pflanzenschutz nicht auffällig; Früherer Name war „Ria“. Nach der Virusfreimachung Umbenennung in „Korvic“. „Korvic“ und „Early Korvic“ sind einander sehr ähnlich. Noch wenig Versuchserfahrung, einige Bäume für den versuchsweisen Anbau. Rubin (Hedelfinger x Germersdorfer, Versuchsstation Bistrita, Rumänien): S-Allele: S3S12; Blüte spät; Reife zusammen mit „Kordia“; Produktivität hoch, deutlich größer als „Kordia“, Ãœberbehang mit Alternanzeffekt im Folgejahr kann auftreten; Frucht herzförmig, etwas länglich, mittel bis groß, je nach Schnitt und Fruchtbehang,

Fruchtfarbe etwas hell ähnlich „Sweetheart“, geschmacklich gut, mittelfest bis fest, geringe Platzanfälligkeit, langer Stiel, gute Haltbarkeit am Baum; Baum mittelstark, breit, mittlere Verzweigung; Pflanzenschutz unauffällig; Empfehlung: Schon längere Versuchserfahrung. Stand immer etwas im Schatten der Fruchtqualität von „Kordia“. Ertragssichere Alternative zu „Kordia“, produktionstechnisch muss mehr getan werden, um die Fruchtgröße von „Kordia“ zu erreichen. Zum versuchsweisen Anbau in der Praxis.

Als Ergebnis der Sortenprüfung und von Praxiserfahrungen werden in Rheinland-Pfalz die zwei Sortimente in Tabelle 4 empfohlen, für den Freiland­anbau (Standard, > 95 %) und für den Anbau unter Regenschutz (< 5 %). Martin Balmer, DLR Rheinpfalz, Kompetenzzentrum Gartenbau, Ahrweiler