„Gas geben“ bei Direktzahlungen für Milch

KBV und LLH informieren über die Entwicklung der Agramärkte

„Wir sind auf dem Weltmarkt angekommen“, unterstrich vor osthessischen Landwirten in Hünfeld Professor Dr. Folkhard Isermeyer vom Johann-Heinrich von Thünen Institut in Braunschweig angesichts sich stark veränderter Erzeugererlöse für landwirtschaftliche Produkte. Dort sprach er in einer gemeinsamen Ver­anstaltung des Kreisbauernverbandes Fulda-Hünfeld (KBV) mit der Beratungs- und Bildungseinrichtung Fulda des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH) zum Thema „Turbolenzen auf den Agrarmärkten – Konsequenzen für die landwirtschaftlichen Betriebe.“

Auf dem Bild (v.l.): Lothar Röder, Vorsitzender des KBV Fulda-Hünfeld, Prof. Folkard Isermeyer, HBV-Präsident Friedhelm Schnei­der, KBV-Geschäftsführer Dr. Hubert Beier und Elke Schelle, Abteilungsleiterin Beratung im LLH.

Foto: Karl-Heinz Burkhardt

Landwirtschaftliche Betriebsleiter sehen sich wegen der Turbolenzen auf den Agrarmärkten und der weltweiten Finanzkrise vor große Herausforderungen gestellt. Die Landwirte müssen wissen, was sie in der nächsten Zeit zu erwarten und worauf sie sich einzurichten haben. Vor al­lem die jungen Betriebsleiter in­teressiert, wie sich die Landwirtschaft entwickelt, damit sie sich in ihren Entscheidungen darauf einstellen können. Wichtiges Erfolgskriterium für die Weiterentwicklung der Betriebe werde sein, inwieweit sie sich an die kommenden Marktverhältnis­se angepasst haben. Im Mittelpunkt der Vortragsveranstaltung stand daher die Frage nach den zu erwartenden Rahmenbedingungen auf den Märkten und den Anforderungen sowie Einflüssen und den Konsequenzen für die Betriebe in der Region.

Das „Hochschießen“ der Erzeugerpreise nach der Getreide­ernte 2007 eines die vorherigen zehn Jahre zu niedrigen Getreidepreises sei keine deutsche Ent­wicklung gewesen, sondern ha­be an der weltweiten Knappheit dieses Erntegutes gelegen. Nur noch für 50 statt für 100 Tage waren demnach die Läger gefüllt.

Auch der Bioenergie (erheblicher Bioethanolanlagenausbau in den USA) maß der Wissenschaftler eine Einfluss nehmen­de Bedeutung bei, weil sie eine beachtenswerte landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktionsfläche beanspruche. Zudem sei Kapital von Spekulanten in den Markt geflossen.

Entwicklung auf den Düngermärkten

Da aufgrund der guten Preise wieder Land in Kultur genommen wurde, der Düngerabsatz weltweit zunahm und weil wegen eines guten Klimas im letzten Jahr die Erntemenge weltweit um 100 Millionen Tonnen zunahm, letztlich die Finanzkrise und eine Verbraucherzurückhaltung eintraten, kamen die Preise wieder ins Rutschen, so Isermeyer. „Mit diesen kurzfristigen Preisschwankungen werden wir leben müssen“, sagte er. Im Augenblick befinde man sich in einem Konjunkturtal, aus dem es jedoch irgendwann auch wieder herausgehe.

Getreidepreis hängt vom Flächenbedarf für Mais ab

„Wenn Sie Ihren Betrieb managen, müssen sie wissen, wo geht der Trend hin?“, fuhr er fort. Er schnitt die enge Verflech­tung der Urproduktion mit dem Erdöl an und meinte, da müsse man sich selbst fragen, wohin geht der Erdölpreis und wie ist die Zahlungsbereitschaft für Mais. Denn, die Rentabilität eines Ethanolwerkes, in dem dieser verarbeitet werde, sei sehr hoch. Somit hänge der Getreidepreis davon ab, inwieweit Flächen für den Maisanbau benötigt würden. Auch der Milchpreis könne von dieser Ankoppelung nicht abweichen. Dies sei die Kernbotschaft.

Für 2009 rechnet der Agrarexperte bei einem normalen Wetterverlauf mit einer sinkenden Ernte. Der Milchpreis stehe vorerst weiter unter Druck. Es könnten aber Preise um die 30 Cent Bestand haben. Für die Politik gelte es „Gas zu geben“ bei Direktzahlungen für Milch.

„Preisprognosen darf man keinen Glauben schenken“

In die Verkaufsstrategien sollten die Landwirte Überlegun­gen des portionierten Getreideverkaufs oder eines solchen über Terminmärkte einbeziehen. Preisprognosen dürfe man keinen Glauben schenken, so seine Ansicht. Sie führten oft in die Irre. Da die Preise instabil geworden seien und auch so bleiben werden, müsse dies bei der Liquididätsplanung (Liquidität vor Rentabilität) Berücksichtigung finden.

Auch zur Investition in Bioenergie fand er einige Worte. Sollte die Wirtschaft mittels starker Investitionen des Staates trotzdem nicht anspringen, könnte es in drei bis vier Jahren zu einer Inflation kommen. Ein starkes Ansteigen der Getreidepreise wäre eine Folge und die Biogasanlagen wären dann inflationsbereinigt nicht mehr viel wert.

Rea­listische Einschätzung, was machbar ist und was nicht

Nur als die „drittbeste Lösung“ bezeichnete er die Export­erstattungen, die bei den WTO-Verhandlungen wehtun würden. Solange Deutschland eine Milch­quote habe, sollte man sie nutzen. Deren Ende aber müsse man aber akzeptieren. Kritik äußer­te er an der Position des Bundesverbandes Deutscher Milch­viehhalter und ver­lang­te von diesem eine rea­­listische Einschätzung was machbar sei und was nicht. Eine Quote ohne Außenschutz nämlich berge Ge­fahren: „da läuft Butter rein und die Preise gehen runter.“

Einen Liter Milch zu produzieren, kostet 40 Cent

Zur Frage der Vollkostenrechnung bei Milch berichtete er über schleswig-holsteinische Ergebnisse und nannte die Hö­he von 40 Cent je Liter im Betriebszweig Milch. Abzüglich der Fleischproduktion, Quotenkosten und Mehrwertsteuer wür­den sich Kosten von durchschnitt­lich 28 bis 31 Cent/Liter (3,7 Prozent Fett/3,4 Prozent Eiweiß) ergeben.

Die eigene Genossenschaft auf Trab bringen

Diese Zahlen seien in etwa deckungsgleich mit denen der Betriebe im Landkreis Fulda, fügte LLH-Rinderproduktionsberater Man­fred Münker hinzu. 700 bis 800 Euro Einnahmedifferenz je Milchkuh zwischen erfolgreich oder weniger erfolgreich geführten Betrieben seien in Rhön und Vogelsberg vorfindbar. Was die Marktmacht anbetrifft, so müsse man sich zu­sammenschließen, die eigene Genos­senschaft auf Trab bringen so Isermeyer, der zur Frage „Deutschland ohne Landwirtschaft?“ meinte: „Es gibt keine weißen Flecken“.

Absatzmodelle für Milch prüfen

Der Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), Friedhelm Schneider, ging in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kuratoriums für landwirtschaftliche Beratung in Hessen auf die derzeit existenzgefährdete Lage der Landwirtschaft ein. Es sei dringend notwendig, Absatzmodelle zu forcieren und den Milch­­preis nach oben zu entwickeln, damit die Höfe in eine Gewinnphase kommen. Schneider forderte unter anderem die Einführung einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage zur Abfederung stark schwankender Erlös- und Ertragssituationen. Der zerstörerische Preiskampf im Einzelhandel müsse ein Ende haben. Strukturveränderungen könne man nicht verhindern, sie sollten aber abgemildert werden.

Der Vorsitzende des Kreisbau­ernverbandes Fulda-Hünfeld, Lothar Röder, hatte eingangs der Versammlung die Landwirte begrüßt. Ferner die Hauptredner der Tagung sowie die Geschäftsführerin des Kuratoriums für Landwirtschaft und Gartenbau, Elke Schelle (LLH), Kreislandwirt Matthias Bug, Toni Herr von der Agrarfachschule Fulda sowie den Vorsitzenden der Landwirtschaftlichen Vieh und Fleisch Ful­da-Hünfeld, Peter Heimroth. KBV-Geschäftsführer Dr. Hubert Beier ging auf die aktuelle Kampagne des Bauernverbandes gegen die Besteuerung von Agrardiesel ein sowie der im Internet beabsichtigter Veröffentlichung von Direktzahlungen an die Landwirte. Burkhardt