Sprühwolke vermeiden

Abdrift vermeiden – nicht nur an Gewässern ein wichtiges Thema

Als Abdrift bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln wird der Austrag von Spritztröpfchen aus der behandelten Parzelle bezeichnet. Diese Tröpfchen sedimentieren auf Nachbarflächen und die Wirkstoffe entfalten dann die gleichen Effekte, wie im behandelten Bestand. Während im Nutzpflanzenbestand die Wirkung zum Schutz vor Schadorganis­men gewollt ist, sind die Auswirkungen auf Wasser, Gewässerorganismen und den Naturhaushalt grundsätzlich unerwünscht.

Abdrift auf benachbarte Nutzpflanzenbestände war in der Vergangenheit insbesondere ein Problem, wenn unmit­telbare Schäden auftraten, etwa wenn Wuchsstoffherbizide beim Einsatz in Getreide auf Weinreben verwehten. Dieses Problem gab es häufig in Gemen­gelagen. Dabei ist die Schädigung eines benachbarten Pflanzenbe­standes eine privatrechtliche Angelegenheit und im Vordergrund steht der Schadensausgleich zwischen Verursacher und Geschädigtem entsprechend der Haftpflicht. In den letzten Jahren wurde Abdrift zunehmend vor dem Hintergrund von Abstandsauflagen zu Gewässern und Saumstrukturen gesehen. Die bußgeldbewehrten Anwendungsbestimmungen (NW- und NT-Auflagen) wurden im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutz­mittel eingeführt, mit dem Ziel uner­wünsch­te Auswirkungen der biologisch sehr aktiven Wirkstoffe auf Gewässer, Gewässerorganismen und den Naturhaushalt zu vermeiden. Für Anwender und Betriebsleiter sind diese Anwendungsbestimmungen nicht nur wegen der direkten Bußgeldbewehrung relevant sondern auch im Hinblick auf Cross-Compliance und mögliche Sanktionen bei Verstößen.

Anwohner fühlen sich häufig belästigt und bedroht

Feintropfige Zerstäubung, zu hohe Gebläseleistung und ungerichtete Luftabströmung führen zu der bekannten Sprühwolke mit erheblichen Verlusten. Deshalb: „Weg mit der Wolke“.

Foto: Koch

Abdrift führt immer wieder zu Konflikten, wenn landwirtschaftlich genutz­te Flächen unmittelbar an Wohn­gebiete angrenzen. Dabei geht es oft nicht um Schäden mit Geldwert zum Beispiel durch Herbizide. Anwohner fühlen sich häufig allgemein belästigt und bedroht, wenn die Kontamination des Wohnbereichs oder des Gartens be­fürch­­tet wird. Hierzu gibt es ein Merkblatt, das auf der Internetseite des DLR RNH steht (www.pflanzenschutz.rlp.de).
Neuerdings kommen weitere wichtige Argumente im Hinblick auf Abdrift­vermeidung hinzu. So ist heute festzustellen, dass nicht nur erkennbare Schäden an Nachbarkulturen zu Regressforderungen führen. Inzwischen muss dieser Schadensbegriff deutlich erweitert werden, zumindest können Regressforderungen nicht nur bei sichtbarer Schädigung der Pflanzen und mess­baren Ertragsverlusten gestellt werden, sondern bereits durch Rückstände im Erntegut entstehen. Zum einen führt die Umstellung auf Bio-Produktion vermehrt zu Nachbarschafts­verhältnissen, deren Produktionsverfahren bestimmte Pflanzenschutzmittel nicht vorsehen. Das heißt, der Nachweis von Rückständen kann zur Aberkennung des Status „Bio-Produktion“ führen mit entsprechend hohem Schaden für den Anbauer.
In gleicher Weise wird in einer anderen Situation eine Nulltoleranz bei Rück­ständen gefordert. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln werden insbesondere bei frisch verzehrtem Ernte­gut, wie Salat , Gemüse, Erdbeeren oder Baum- und Strauchobst bereits vor der Ernte Proben gezogen und auf Pflanzenschutzmittelwirkstoffe untersucht. Diese Rückstandsuntersuchungen werden vom Handel initiiert mit teilweise sehr strengen Anforderungen. Im Hinblick auf Abdrift und mögliche Rückstände ist dabei eine Anforderung besonders gravierend. Werden auf dem Erntegut Wirkstoffe gefunden, die für diese Kultur nicht zugelassen sind, wird die Ware als nicht marktgerecht eingestuft und nicht akzeptiert – unabhängig ob die Höchstmenge überschritten ist oder nicht. Damit ist die gesamte Ernte eines Feldes unverkäuflich. Nicht zugelassen bedeutet hier, dass das Pflanzenschutzmittel sehr wohl in Deutschland ordnungsgemäß zugelassen ist, aber eben nicht für die Anwendung in der untersuchten Kultur ausgewiesen ist. Dabei genügt allein der Nachweis eines Wirkstoffs, unabhängig von der Höhe der Rückstände, also auch, wenn die zulässige Höchstmenge an Rückständen weit unterschritten wird.

Abdrift führt beim Nachbarn eventuell zu unverkäuflicher Ware

In einem uns bekannten Fall wurden Fungizide auf Äpfeln nachgewiesen, die dort nicht akzeptiert werden, sodass die Ware unverkäuflich war. Nach entsprechenden Recherchen wurde festgestellt, dass die Wirkstoffe bei der Behandlung einer benachbarten Erdbeerfläche in Folge von Abdrift auf die Apfelbäume gelangt waren. Zum Zeitpunkt der Applikation herrschte ausreichend Wind, um die mit hohem Druck fein zerstäub­ten Tröpfchen in Richtung Apfelplantage zu verwehen. Es war eindeutig ein Anwendungsfehler des Erdbeerbauern, der die Auswirkungen unterschätzt hatte. Das Beispiel zeigt, dass jeder Prakti­ker sich heute auch darüber im Klaren sein muss, dass die Dokumentationspflicht bei der Pflanzenschutzmittelanwendung und die nachträgliche Feststellung der zum Applikationszeitpunkt herrschenden Witterungsbedingungen ausreichen, um den kausalen Zusammen­hang herzustellen. Ganz aktuell gibt es ein noch weitergehendes Beispiel aus dem Obstbau. Zum zweiten Mal wurde die Anwen­dungs­bestimmung VA260 erteilt. Dies war bereits bei dem Akarizid Envidor der Fall und erfolgte jetzt bei der Genehmigung (§ 11 (2) PflSchG) von Perfekthion gegen die Kirschfruchtfliege. Dort heißt es: „Zum Schutz von umstehenden Personen („bystander“) muss die Anwendung des Mittels in einer Breite von mindestens 20 m zu angrenzenden Flächen immer mit einem verlustmindernden Gerät erfolgen, das in das Verzeichnis „Verlustmindernde Geräte“ vom 14. Oktober 1993 (Bundesanzeiger Nr. 205, S. 9780) in der jeweils geltenden Fassung mindestens in die Abdriftminderungsklasse 50 Prozent eingetragen ist.“ Das bedeutet, dass in jedem Fall der äußere Streifen von 20 m Breite eines Feldes nur mit abdriftmindernder Technik behandelt werden darf und zwar zum Schutz von Personen. Dies zeigt deutlich, wie wichtig Abdriftminderung grundsätzlich ist.

Grobtropfige Düsen sind zu bevorzugen

Als verlustmindernd registrierte Düsen für Sprühgeräte (entsprechend JKI-Verzeichnis 1/2009).

Foto: Koch

Aber auch aus Sicht des Winzers selbst ist Abdrift und die weithin sichtbare Sprühwolke über den Reben ein Ärgernis. Werden feine Tröpfchen vom Gebläseluftstrom über die Laubwand hinaus getragen, sind sie verloren. Sie können nicht mehr an Blättern und Trauben anlagern und tragen so nicht zur Kontrolle der Schadorganismen bei. Insbesondere tief sitzende Gebläse erzeugen einen steil nach oben gerichteten Luftstrom mit der dann unvermeidlichen Wolke. Vom DLR RNH wurde deshalb ein Informationsblatt mit dem Titel „Weg mit der Wolke“ erstellt, das Hinweise zur Umrüstung auf grobtropfige Düsentechnik gibt. Ziel neben der Vermeidung von Verlusten ist die Imageverbesserung bei Nachbarn, Kunden, und Touristen. Die weithin sichtbare Wolke wird nicht als positiv für das Image des Winzers in der Kulturlandschaft angesehen und lässt sich mit einfacher und kostengünstiger Düsenumrüstung deutlich reduzieren. Ein weiterer Aspekt ist ebenfalls für den Winzer selbst bei der Pflanzenschutz­arbeit bedeutsam. Beim Einsatz grobtropfiger Düsen ist die äußere Ver­schmut­zung von Traktor und Sprüh­gerät deutlich geringer als bei den herkömmlichen sehr feintropfig zerstäubenden Hohlkegeldüsen.
Abdrift ist generell ein Nach­barschafts­problem. Das heißt, jeder Praktiker kann sowohl Verursacher als auch Betroffener sein. Deshalb und weil Abdrift­vermeidung aus den unterschiedlichen hier dargelegten Gründen im betrieblichen Interesse ist, sollte jeder Winzer die technischen Möglichkeiten nutzen und die Pflanzenschutzgeräte umrüsten. Informationen zu Düsen, Abdriftver­meidung und sachgerechter Applika­tion sowie zur Berechnung der Do­sierung und Geräteeinstellung finden Sie auf der Internetseite: www.pflanzenschutz.rlp.de, Applikationstechnik, Weinbau. Pflanzenschutzmittel dürfen nur inner­halb der behandelten Parzelle ausgebracht werden. Jeglicher Austrag und mögli­che Kontamination benachbar­ter Area­le oder Gewässer sind nicht ak­zep­tabel. Dr. Heribert Koch, Horst Knewitz, DLR R-N-H, Bad Kreuznach 

Gute Gründe, um Abdrift zu vermeiden

  • Bußgeldbewehrte Anwendungsbestimmungen – Abstandsauflagen zu Gewässern (NW) und Saumstrukturen (NT)
  • Abdrift bedeutet Verlust an Produkt, das gekauft und bezahlt wurde, aber nicht zur biologischen Wirksamkeit gegen Schadorganismen beiträgt
  • Abdrift in Wohngemeinden vermeiden
  • Image verbessern bei Kunden, Touristen, Nachbarn
  • Die weithin sichtbare Sprühwolke ist keine gute Werbung für den Winzer
  • Kontamination von Nachbarkulturen bedeutet gegebenenfalls Schadensersatzforderungen, wenn dort nicht zugelassene Wirkstoffe (auch infolge von Abdrift) nachgewiesen werden
  • Prob­lem auch für Bio-Produktion
  • Äußere Verschmutzung von Traktor und Sprühge­rät ist bei grobtropfiger Applikation geringer